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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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Die Arabeske.
Fig. 181 und 183, an kreisrund eingerollten Ranken, an deren Führung
das Nichtklassische bloss in der Durchkreuzung besteht80).

Es erübrigt uns noch eine Anzahl von saracenischen Kunstdenk-
mälern aus jener Zeit zu betrachten, da die Eigenthümlichkeiten des
sarazenischen Rankenornaments bereits nachweislich ihre reife Aus-
bildung
erreicht hatten. Wir werden bei dieser Betrachtung von
dem Bestreben geleitet sein, stets den innigen genetischen Zusammen-
hang mit dem vorangegangenen klassischen, beziehungsweise byzanti-
nischen Pflanzenrankenornament aufzuzeigen, ja selbst das noch lang-

[Abbildung] Fig. 186.

Steinerne Rankenfüllung aus Kairo.

währende Vorkommen einzelner ein-
schlägiger Motive in der urthümlichen
Form durch Beispiele nachzuweisen.
Das Beweismaterial ist fast ausschliess-
lich aus Prisse d'Avennes, L'art arabe
entlehnt, fusst somit überwiegend auf
den Denkmälern von Kairo aus dem
12.--14. Jahrh.

Fig. 186 zeigt eine durchbrochene
Fensterfüllung von der Moschee El-
Daher, nach Prisse aus dem 13. Jahrh.
Das Ornament mit seinen Akanthus-
Ablegern an kreisrund gerollten Ran-
ken könnte man schlechtweg byzanti-
nisch nennen. Man ersieht auch dar-
aus, wie der Zusammenschluss der
Ranken zu Spitzovalen schon in der
Wellenbewegung selbst begründet lag,
also ein wesentliches Charakteristicum der Arabeskenführung schon in
der klassisch-antiken Wellenranke gleichsam latent vorhanden ge-
wesen ist.


80) Die "Palmettenstäbe" der armenischen Buchillustration, von denen bei
J. Strzygowski, das Etschmiadzin Evangeliar S. 91, die Rede ist, sind nichts
Anderes als Gabelranken, an verschlungenen Wellenlinien pilasterförmig über-
einander aufsteigend, wofür das eigentliche historische Prototyp in Fig. 159
vorliegt. Die Verwandtschaft derselben mit den sassanidischen Ornamentbil-
dungen gleich Fig. 161--163, bin ich der Letzte zu bestreiten; doch liegt diese
Verwandtschaft keinesfalls unmittelbar zu Tage, sondern ist erst aus der Be-
trachtung und Erkenntniss der allgemeinen und gemeinsamen Entwicklung
heraus, wie ich sie im Obigen zu geben versucht habe, wirklich und über-
zeugend zu verstehen.

Die Arabeske.
Fig. 181 und 183, an kreisrund eingerollten Ranken, an deren Führung
das Nichtklassische bloss in der Durchkreuzung besteht80).

Es erübrigt uns noch eine Anzahl von saracenischen Kunstdenk-
mälern aus jener Zeit zu betrachten, da die Eigenthümlichkeiten des
sarazenischen Rankenornaments bereits nachweislich ihre reife Aus-
bildung
erreicht hatten. Wir werden bei dieser Betrachtung von
dem Bestreben geleitet sein, stets den innigen genetischen Zusammen-
hang mit dem vorangegangenen klassischen, beziehungsweise byzanti-
nischen Pflanzenrankenornament aufzuzeigen, ja selbst das noch lang-

[Abbildung] Fig. 186.

Steinerne Rankenfüllung aus Kairo.

währende Vorkommen einzelner ein-
schlägiger Motive in der urthümlichen
Form durch Beispiele nachzuweisen.
Das Beweismaterial ist fast ausschliess-
lich aus Prisse d’Avennes, L’art arabe
entlehnt, fusst somit überwiegend auf
den Denkmälern von Kairo aus dem
12.—14. Jahrh.

Fig. 186 zeigt eine durchbrochene
Fensterfüllung von der Moschee El-
Daher, nach Prisse aus dem 13. Jahrh.
Das Ornament mit seinen Akanthus-
Ablegern an kreisrund gerollten Ran-
ken könnte man schlechtweg byzanti-
nisch nennen. Man ersieht auch dar-
aus, wie der Zusammenschluss der
Ranken zu Spitzovalen schon in der
Wellenbewegung selbst begründet lag,
also ein wesentliches Charakteristicum der Arabeskenführung schon in
der klassisch-antiken Wellenranke gleichsam latent vorhanden ge-
wesen ist.


80) Die „Palmettenstäbe“ der armenischen Buchillustration, von denen bei
J. Strzygowski, das Etschmiadzin Evangeliar S. 91, die Rede ist, sind nichts
Anderes als Gabelranken, an verschlungenen Wellenlinien pilasterförmig über-
einander aufsteigend, wofür das eigentliche historische Prototyp in Fig. 159
vorliegt. Die Verwandtschaft derselben mit den sassanidischen Ornamentbil-
dungen gleich Fig. 161—163, bin ich der Letzte zu bestreiten; doch liegt diese
Verwandtschaft keinesfalls unmittelbar zu Tage, sondern ist erst aus der Be-
trachtung und Erkenntniss der allgemeinen und gemeinsamen Entwicklung
heraus, wie ich sie im Obigen zu geben versucht habe, wirklich und über-
zeugend zu verstehen.
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[330/0356] Die Arabeske. Fig. 181 und 183, an kreisrund eingerollten Ranken, an deren Führung das Nichtklassische bloss in der Durchkreuzung besteht 80). Es erübrigt uns noch eine Anzahl von saracenischen Kunstdenk- mälern aus jener Zeit zu betrachten, da die Eigenthümlichkeiten des sarazenischen Rankenornaments bereits nachweislich ihre reife Aus- bildung erreicht hatten. Wir werden bei dieser Betrachtung von dem Bestreben geleitet sein, stets den innigen genetischen Zusammen- hang mit dem vorangegangenen klassischen, beziehungsweise byzanti- nischen Pflanzenrankenornament aufzuzeigen, ja selbst das noch lang- [Abbildung Fig. 186. Steinerne Rankenfüllung aus Kairo.] währende Vorkommen einzelner ein- schlägiger Motive in der urthümlichen Form durch Beispiele nachzuweisen. Das Beweismaterial ist fast ausschliess- lich aus Prisse d’Avennes, L’art arabe entlehnt, fusst somit überwiegend auf den Denkmälern von Kairo aus dem 12.—14. Jahrh. Fig. 186 zeigt eine durchbrochene Fensterfüllung von der Moschee El- Daher, nach Prisse aus dem 13. Jahrh. Das Ornament mit seinen Akanthus- Ablegern an kreisrund gerollten Ran- ken könnte man schlechtweg byzanti- nisch nennen. Man ersieht auch dar- aus, wie der Zusammenschluss der Ranken zu Spitzovalen schon in der Wellenbewegung selbst begründet lag, also ein wesentliches Charakteristicum der Arabeskenführung schon in der klassisch-antiken Wellenranke gleichsam latent vorhanden ge- wesen ist. 80) Die „Palmettenstäbe“ der armenischen Buchillustration, von denen bei J. Strzygowski, das Etschmiadzin Evangeliar S. 91, die Rede ist, sind nichts Anderes als Gabelranken, an verschlungenen Wellenlinien pilasterförmig über- einander aufsteigend, wofür das eigentliche historische Prototyp in Fig. 159 vorliegt. Die Verwandtschaft derselben mit den sassanidischen Ornamentbil- dungen gleich Fig. 161—163, bin ich der Letzte zu bestreiten; doch liegt diese Verwandtschaft keinesfalls unmittelbar zu Tage, sondern ist erst aus der Be- trachtung und Erkenntniss der allgemeinen und gemeinsamen Entwicklung heraus, wie ich sie im Obigen zu geben versucht habe, wirklich und über- zeugend zu verstehen.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/356>, abgerufen am 05.12.2024.