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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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Die Arabeske.

Dies ist der entscheidende Ausgangspunkt für die gesammte nach-
folgende Entwicklung des Bandverflechtungsornaments im Morgen- wie
im Abendlande. Dieses im Grunde bedeutungslos-geometrische Element,
das die klassische Kunst bloss zu untergeordneten Einfassungszwecken
benützt hat, wird von der spätantiken Kunst, in welcher das Bedeu-
tungsvolle wiederum zurückgedrängt wird und der reine dekorative
Schmückungstrieb in den Vordergrund des Kunstschaffens tritt, als
vollgiltiges Hauptmotiv der Dekoration hingenommen. Daher rühren
die Bandverschlingungen auf den altchristlichen Sarkophagen und Am-
bonen, wovon sich so zahlreiche Trümmer in den Vorhallen und Kreuz-
gängen der altchristlichen Basiliken Roms eingemauert finden, daher

[Abbildung] Fig. 140.

Eckstück von der Bordüre eines
spätrömischen Mosaikfussbodens.

[Abbildung] Fig. 141.

Füllungsstück von einem spätrömischen
Mosaikfussboden.

die byzantinischen Entrelacs, welche selbst schon Bourgoin11) als die
unmittelbaren Vorläufer der saracenischen Verschlingungen und Ver-
gitterungen anerkannt hat.

Diese Abschweifung auf das Gebiet des Entwicklungsprocesses
der mittelalterlichen Bandverkreuzungen erschien nothwendig, um hier-
mit zugleich den antinaturalistischen, zum Abstrakten geneigten Zug
in der Stilisirung der Arabeskenranke anschaulicher und verständlicher
zu machen. Man wird nun nicht mehr zweifeln können, dass es der-
selbe Zug gewesen ist, der einerseits die geometrischen Bandverschlin-
gungen so reich und üppig ausgebildet, andererseits die Rankenlinien
der Arabeske zu wechselseitiger Durchschneidung und Durchkreuzung
gebracht hat. Damit erscheint zugleich eine Erklärung des Umstandes,

11) Les arts arabes 24.
Die Arabeske.

Dies ist der entscheidende Ausgangspunkt für die gesammte nach-
folgende Entwicklung des Bandverflechtungsornaments im Morgen- wie
im Abendlande. Dieses im Grunde bedeutungslos-geometrische Element,
das die klassische Kunst bloss zu untergeordneten Einfassungszwecken
benützt hat, wird von der spätantiken Kunst, in welcher das Bedeu-
tungsvolle wiederum zurückgedrängt wird und der reine dekorative
Schmückungstrieb in den Vordergrund des Kunstschaffens tritt, als
vollgiltiges Hauptmotiv der Dekoration hingenommen. Daher rühren
die Bandverschlingungen auf den altchristlichen Sarkophagen und Am-
bonen, wovon sich so zahlreiche Trümmer in den Vorhallen und Kreuz-
gängen der altchristlichen Basiliken Roms eingemauert finden, daher

[Abbildung] Fig. 140.

Eckstück von der Bordüre eines
spätrömischen Mosaikfussbodens.

[Abbildung] Fig. 141.

Füllungsstück von einem spätrömischen
Mosaikfussboden.

die byzantinischen Entrelacs, welche selbst schon Bourgoin11) als die
unmittelbaren Vorläufer der saracenischen Verschlingungen und Ver-
gitterungen anerkannt hat.

Diese Abschweifung auf das Gebiet des Entwicklungsprocesses
der mittelalterlichen Bandverkreuzungen erschien nothwendig, um hier-
mit zugleich den antinaturalistischen, zum Abstrakten geneigten Zug
in der Stilisirung der Arabeskenranke anschaulicher und verständlicher
zu machen. Man wird nun nicht mehr zweifeln können, dass es der-
selbe Zug gewesen ist, der einerseits die geometrischen Bandverschlin-
gungen so reich und üppig ausgebildet, andererseits die Rankenlinien
der Arabeske zu wechselseitiger Durchschneidung und Durchkreuzung
gebracht hat. Damit erscheint zugleich eine Erklärung des Umstandes,

11) Les arts arabes 24.
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[268/0294] Die Arabeske. Dies ist der entscheidende Ausgangspunkt für die gesammte nach- folgende Entwicklung des Bandverflechtungsornaments im Morgen- wie im Abendlande. Dieses im Grunde bedeutungslos-geometrische Element, das die klassische Kunst bloss zu untergeordneten Einfassungszwecken benützt hat, wird von der spätantiken Kunst, in welcher das Bedeu- tungsvolle wiederum zurückgedrängt wird und der reine dekorative Schmückungstrieb in den Vordergrund des Kunstschaffens tritt, als vollgiltiges Hauptmotiv der Dekoration hingenommen. Daher rühren die Bandverschlingungen auf den altchristlichen Sarkophagen und Am- bonen, wovon sich so zahlreiche Trümmer in den Vorhallen und Kreuz- gängen der altchristlichen Basiliken Roms eingemauert finden, daher [Abbildung Fig. 140. Eckstück von der Bordüre eines spätrömischen Mosaikfussbodens.] [Abbildung Fig. 141. Füllungsstück von einem spätrömischen Mosaikfussboden.] die byzantinischen Entrelacs, welche selbst schon Bourgoin 11) als die unmittelbaren Vorläufer der saracenischen Verschlingungen und Ver- gitterungen anerkannt hat. Diese Abschweifung auf das Gebiet des Entwicklungsprocesses der mittelalterlichen Bandverkreuzungen erschien nothwendig, um hier- mit zugleich den antinaturalistischen, zum Abstrakten geneigten Zug in der Stilisirung der Arabeskenranke anschaulicher und verständlicher zu machen. Man wird nun nicht mehr zweifeln können, dass es der- selbe Zug gewesen ist, der einerseits die geometrischen Bandverschlin- gungen so reich und üppig ausgebildet, andererseits die Rankenlinien der Arabeske zu wechselseitiger Durchschneidung und Durchkreuzung gebracht hat. Damit erscheint zugleich eine Erklärung des Umstandes, 11) Les arts arabes 24.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/294>, abgerufen am 23.12.2024.