gesetzte Bestreben wahrnehmen -- ein Bestreben, das darauf gerichtet war, die Rankenlinien, die das geometrische Element in dieser ganzen Ornamentik bilden, wieder zu maassgebender Geltung zu bringen -- so liegt der Schluss auf der Hand, für dieses rückläufige Bestreben auch eine der hellenischen entgegengesetzte Grundtendenz in der künstlerischen Auffassung des Pflanzenrankenornaments verantwortlich zu machen. War das Ziel der griechischen Künstler eine Ver- lebendigung der Palmettenranken, so erscheint als dasjenige der saracenischen Künstler umgekehrt die Schematisirung, Geometrisirung, Abstraktion.
Der Ausgangspunkt der Pflanzenornamentik im Orient (Egypten) war die geometrische Spirale (Fig. 25), an welche sich die Blüthen- motive als blosse accessorische Zwickelfüllungen anschlossen. Die Griechen gestalteten daraus die lebendige Ranke, an deren Schösslinge und Enden sie schön gegliederte Blüthenmotive ansetzten. Im saraceni- schen Mittelalter kommt der (wie wir sehen werden, schon in spät- antiker Zeit wieder angebahnte) orientalische Geist der Abstraktion abermals zur Geltung, indem er die Ranke wiederum geometrisirt. Zwar die fundamentalen Errungenschaften der Griechen -- die rhyth- mischen Wellenranken und der freie Schwung über grössere Flächen hinweg -- wurden nicht mehr preisgegeben, letzterer sogar nach be- stimmter Richtung hin weiter entwickelt. Aber das geometrische Ele- ment drängte sich allenthalben wieder in den Vordergrund: in der Führung der Rankenlinien drückt sich dies ganz besonders prägnant aus eben durch die sphärisch-polygonalen Kompartimente, die ja zweifel- los dem geometrischen Formenbereiche angehören.
Hier erscheint es mir zweckmässig einen Seitenblick einzuschalten auf die so überaus reiche Entwicklung, welche die Bandverschlin- gung in der saracenischen Kunst genommen hat. Den Ausgangspunkt hiefür bildet das antik-orientalische Flechtband (Fig. 33). Von den Griechen der klassischen Zeit wurde es immer maassvoll angewendet. In Pompeji tritt es uns schon öfter entgegen, und zwar stets als einfassen- des, bordirendes Element. An Mosaiken der späteren römischen Kaiserzeit vermehren sich die zu je einem Flechtmuster vereinigten Bänder: in Fig. 1409) sind sie bereits kaum mehr zu zählen, aber noch auf die Bordüre beschränkt, in Fig. 14110) endlich ist das Bandornament für würdig befunden ein Innenfeld zu schmücken.
9) Wilmowsky, Mosaiken von Trier Taf. III.
10) Ebenda Taf. VIII.
Die Arabeske.
gesetzte Bestreben wahrnehmen — ein Bestreben, das darauf gerichtet war, die Rankenlinien, die das geometrische Element in dieser ganzen Ornamentik bilden, wieder zu maassgebender Geltung zu bringen — so liegt der Schluss auf der Hand, für dieses rückläufige Bestreben auch eine der hellenischen entgegengesetzte Grundtendenz in der künstlerischen Auffassung des Pflanzenrankenornaments verantwortlich zu machen. War das Ziel der griechischen Künstler eine Ver- lebendigung der Palmettenranken, so erscheint als dasjenige der saracenischen Künstler umgekehrt die Schematisirung, Geometrisirung, Abstraktion.
Der Ausgangspunkt der Pflanzenornamentik im Orient (Egypten) war die geometrische Spirale (Fig. 25), an welche sich die Blüthen- motive als blosse accessorische Zwickelfüllungen anschlossen. Die Griechen gestalteten daraus die lebendige Ranke, an deren Schösslinge und Enden sie schön gegliederte Blüthenmotive ansetzten. Im saraceni- schen Mittelalter kommt der (wie wir sehen werden, schon in spät- antiker Zeit wieder angebahnte) orientalische Geist der Abstraktion abermals zur Geltung, indem er die Ranke wiederum geometrisirt. Zwar die fundamentalen Errungenschaften der Griechen — die rhyth- mischen Wellenranken und der freie Schwung über grössere Flächen hinweg — wurden nicht mehr preisgegeben, letzterer sogar nach be- stimmter Richtung hin weiter entwickelt. Aber das geometrische Ele- ment drängte sich allenthalben wieder in den Vordergrund: in der Führung der Rankenlinien drückt sich dies ganz besonders prägnant aus eben durch die sphärisch-polygonalen Kompartimente, die ja zweifel- los dem geometrischen Formenbereiche angehören.
Hier erscheint es mir zweckmässig einen Seitenblick einzuschalten auf die so überaus reiche Entwicklung, welche die Bandverschlin- gung in der saracenischen Kunst genommen hat. Den Ausgangspunkt hiefür bildet das antik-orientalische Flechtband (Fig. 33). Von den Griechen der klassischen Zeit wurde es immer maassvoll angewendet. In Pompeji tritt es uns schon öfter entgegen, und zwar stets als einfassen- des, bordirendes Element. An Mosaiken der späteren römischen Kaiserzeit vermehren sich die zu je einem Flechtmuster vereinigten Bänder: in Fig. 1409) sind sie bereits kaum mehr zu zählen, aber noch auf die Bordüre beschränkt, in Fig. 14110) endlich ist das Bandornament für würdig befunden ein Innenfeld zu schmücken.
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Die Arabeske.
gesetzte Bestreben wahrnehmen — ein Bestreben, das darauf gerichtet
war, die Rankenlinien, die das geometrische Element in dieser ganzen
Ornamentik bilden, wieder zu maassgebender Geltung zu bringen —
so liegt der Schluss auf der Hand, für dieses rückläufige Bestreben
auch eine der hellenischen entgegengesetzte Grundtendenz in der
künstlerischen Auffassung des Pflanzenrankenornaments verantwortlich
zu machen. War das Ziel der griechischen Künstler eine Ver-
lebendigung der Palmettenranken, so erscheint als dasjenige
der saracenischen Künstler umgekehrt die Schematisirung,
Geometrisirung, Abstraktion.
Der Ausgangspunkt der Pflanzenornamentik im Orient (Egypten)
war die geometrische Spirale (Fig. 25), an welche sich die Blüthen-
motive als blosse accessorische Zwickelfüllungen anschlossen. Die
Griechen gestalteten daraus die lebendige Ranke, an deren Schösslinge
und Enden sie schön gegliederte Blüthenmotive ansetzten. Im saraceni-
schen Mittelalter kommt der (wie wir sehen werden, schon in spät-
antiker Zeit wieder angebahnte) orientalische Geist der Abstraktion
abermals zur Geltung, indem er die Ranke wiederum geometrisirt.
Zwar die fundamentalen Errungenschaften der Griechen — die rhyth-
mischen Wellenranken und der freie Schwung über grössere Flächen
hinweg — wurden nicht mehr preisgegeben, letzterer sogar nach be-
stimmter Richtung hin weiter entwickelt. Aber das geometrische Ele-
ment drängte sich allenthalben wieder in den Vordergrund: in der
Führung der Rankenlinien drückt sich dies ganz besonders prägnant
aus eben durch die sphärisch-polygonalen Kompartimente, die ja zweifel-
los dem geometrischen Formenbereiche angehören.
Hier erscheint es mir zweckmässig einen Seitenblick einzuschalten
auf die so überaus reiche Entwicklung, welche die Bandverschlin-
gung in der saracenischen Kunst genommen hat. Den Ausgangspunkt
hiefür bildet das antik-orientalische Flechtband (Fig. 33). Von den
Griechen der klassischen Zeit wurde es immer maassvoll angewendet.
In Pompeji tritt es uns schon öfter entgegen, und zwar stets als einfassen-
des, bordirendes Element. An Mosaiken der späteren römischen Kaiserzeit
vermehren sich die zu je einem Flechtmuster vereinigten Bänder: in
Fig. 140 9) sind sie bereits kaum mehr zu zählen, aber noch auf die
Bordüre beschränkt, in Fig. 141 10) endlich ist das Bandornament
für würdig befunden ein Innenfeld zu schmücken.
9) Wilmowsky, Mosaiken von Trier Taf. III.
10) Ebenda Taf. VIII.
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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/293>, abgerufen am 23.07.2024.
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