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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
Künstlern auf das vegetabilische Ornament übertragen15).
Die Kurven der altegyptischen Kunst (z. B. die Bogenlinien) sind starr
und leblos gegenüber der freien Art und Weise, in welcher dieselben
in der mykenischen Kunst geführt erscheinen.

Wenn noch ein Zweifel daran übrig bliebe, dass die geschilderte
Tendenz in der mykenischen Kunst eine durchaus maassgebende und
wesentliche gewesen ist, so muss er schwinden angesichts der That-
sache, dass diese Kunst die überhaupt einzig möglichen wahr-
haft künstlerischen Verbindungsarten gefunden hat, in
welche sich vegetabilische Motive innerhalb eines Fries-

[Abbildung] Fig. 50.

Topfscherbe, verziert mit aufgemalter fortlaufender Wellenranke. Mykenisch, gefunden auf Thera

streifens vermittels der geschwungenen Linie bringen
lassen
. Müssen wir nämlich angesichts der Fig. 46 und 49 bekennen,
dass die "mykenischen" Künstler die Ersten gewesen sind, welche die
lebendig und frei bewegte Pflanzenranke erfunden haben, so lässt sich
ferner auch der strikte Nachweis führen, dass dieselben auch die beiden
innerhalb einer Bordüre möglichen und daher für ewige Zeiten giltigen
Wellenrankenschemen bereits gekannt und zur Anwendung gebracht
haben.


weisen nur die Regel. Auch wo die Blüthen über den senkrechten Stengel
etwas geneigt sind, verräth sich ein zu Grunde liegendes starres Schema.
15) Weitere Beispiele dafür u. A. aus dem Vierten Grabe: Myken. Thon-
gefässe VI. 30, 31, 32, 34.

B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
Künstlern auf das vegetabilische Ornament übertragen15).
Die Kurven der altegyptischen Kunst (z. B. die Bogenlinien) sind starr
und leblos gegenüber der freien Art und Weise, in welcher dieselben
in der mykenischen Kunst geführt erscheinen.

Wenn noch ein Zweifel daran übrig bliebe, dass die geschilderte
Tendenz in der mykenischen Kunst eine durchaus maassgebende und
wesentliche gewesen ist, so muss er schwinden angesichts der That-
sache, dass diese Kunst die überhaupt einzig möglichen wahr-
haft künstlerischen Verbindungsarten gefunden hat, in
welche sich vegetabilische Motive innerhalb eines Fries-

[Abbildung] Fig. 50.

Topfscherbe, verziert mit aufgemalter fortlaufender Wellenranke. Mykenisch, gefunden auf Thera

streifens vermittels der geschwungenen Linie bringen
lassen
. Müssen wir nämlich angesichts der Fig. 46 und 49 bekennen,
dass die „mykenischen“ Künstler die Ersten gewesen sind, welche die
lebendig und frei bewegte Pflanzenranke erfunden haben, so lässt sich
ferner auch der strikte Nachweis führen, dass dieselben auch die beiden
innerhalb einer Bordüre möglichen und daher für ewige Zeiten giltigen
Wellenrankenschemen bereits gekannt und zur Anwendung gebracht
haben.


weisen nur die Regel. Auch wo die Blüthen über den senkrechten Stengel
etwas geneigt sind, verräth sich ein zu Grunde liegendes starres Schema.
15) Weitere Beispiele dafür u. A. aus dem Vierten Grabe: Myken. Thon-
gefässe VI. 30, 31, 32, 34.
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[120/0146] B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst. Künstlern auf das vegetabilische Ornament übertragen 15). Die Kurven der altegyptischen Kunst (z. B. die Bogenlinien) sind starr und leblos gegenüber der freien Art und Weise, in welcher dieselben in der mykenischen Kunst geführt erscheinen. Wenn noch ein Zweifel daran übrig bliebe, dass die geschilderte Tendenz in der mykenischen Kunst eine durchaus maassgebende und wesentliche gewesen ist, so muss er schwinden angesichts der That- sache, dass diese Kunst die überhaupt einzig möglichen wahr- haft künstlerischen Verbindungsarten gefunden hat, in welche sich vegetabilische Motive innerhalb eines Fries- [Abbildung Fig. 50. Topfscherbe, verziert mit aufgemalter fortlaufender Wellenranke. Mykenisch, gefunden auf Thera] streifens vermittels der geschwungenen Linie bringen lassen. Müssen wir nämlich angesichts der Fig. 46 und 49 bekennen, dass die „mykenischen“ Künstler die Ersten gewesen sind, welche die lebendig und frei bewegte Pflanzenranke erfunden haben, so lässt sich ferner auch der strikte Nachweis führen, dass dieselben auch die beiden innerhalb einer Bordüre möglichen und daher für ewige Zeiten giltigen Wellenrankenschemen bereits gekannt und zur Anwendung gebracht haben. 14) 15) Weitere Beispiele dafür u. A. aus dem Vierten Grabe: Myken. Thon- gefässe VI. 30, 31, 32, 34. 14) weisen nur die Regel. Auch wo die Blüthen über den senkrechten Stengel etwas geneigt sind, verräth sich ein zu Grunde liegendes starres Schema.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/146>, abgerufen am 06.05.2024.