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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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1. Mykenisches.
grundsätzlicher Unterschied gegenüber der egyptischen Weise kund-
giebt, ist der Umstand, dass die Stengel, von denen die leise geschweiften
Schilfblätter und Volutenblüthen rhythmisch abzweigen, nicht steif und
gerade emporstarren, sondern sich in sanfter Wellenbewegung in die
Höhe schlängeln. Es äussert sich darin offenbar dieselbe Neigung für
die geschwungene Linie, die wir auch an Fig. 46 und 47 bevorzugt
[Abbildung] Fig. 48.

Knochen, umwunden von einem
Goldbande mit getriebener schräg-
blättriger Rosette.
Aus dem Ersten mykenischen
Grabe.

[Abbildung] Fig. 49.

Gemaltes Vasenornament. Mykenisch.

sahen, derselbe leitende freie Zug in der Zeichnung, und auch der
gleiche künstlerische Effekt. Die gekrümmte Linie, welche die Egypter
überwiegend bloss in den geometrischen Configurationen (Spirale) zur
Anwendung gebracht haben14), wurde von den "mykenischen"

14) Solche Ausnahmen wie der Weinstock, der, in der egyptischen Orna-
mentik ungebräuchlich, offenbar bloss um einer gegenständlichen Bedeutung
willen Darstellung gefunden hat, bei Prisse a. a. O., Jarres et Amphores, be-

1. Mykenisches.
grundsätzlicher Unterschied gegenüber der egyptischen Weise kund-
giebt, ist der Umstand, dass die Stengel, von denen die leise geschweiften
Schilfblätter und Volutenblüthen rhythmisch abzweigen, nicht steif und
gerade emporstarren, sondern sich in sanfter Wellenbewegung in die
Höhe schlängeln. Es äussert sich darin offenbar dieselbe Neigung für
die geschwungene Linie, die wir auch an Fig. 46 und 47 bevorzugt
[Abbildung] Fig. 48.

Knochen, umwunden von einem
Goldbande mit getriebener schräg-
blättriger Rosette.
Aus dem Ersten mykenischen
Grabe.

[Abbildung] Fig. 49.

Gemaltes Vasenornament. Mykenisch.

sahen, derselbe leitende freie Zug in der Zeichnung, und auch der
gleiche künstlerische Effekt. Die gekrümmte Linie, welche die Egypter
überwiegend bloss in den geometrischen Configurationen (Spirale) zur
Anwendung gebracht haben14), wurde von den „mykenischen“

14) Solche Ausnahmen wie der Weinstock, der, in der egyptischen Orna-
mentik ungebräuchlich, offenbar bloss um einer gegenständlichen Bedeutung
willen Darstellung gefunden hat, bei Prisse a. a. O., Jarres et Amphores, be-
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[119/0145] 1. Mykenisches. grundsätzlicher Unterschied gegenüber der egyptischen Weise kund- giebt, ist der Umstand, dass die Stengel, von denen die leise geschweiften Schilfblätter und Volutenblüthen rhythmisch abzweigen, nicht steif und gerade emporstarren, sondern sich in sanfter Wellenbewegung in die Höhe schlängeln. Es äussert sich darin offenbar dieselbe Neigung für die geschwungene Linie, die wir auch an Fig. 46 und 47 bevorzugt [Abbildung Fig. 48. Knochen, umwunden von einem Goldbande mit getriebener schräg- blättriger Rosette. Aus dem Ersten mykenischen Grabe.] [Abbildung Fig. 49. Gemaltes Vasenornament. Mykenisch.] sahen, derselbe leitende freie Zug in der Zeichnung, und auch der gleiche künstlerische Effekt. Die gekrümmte Linie, welche die Egypter überwiegend bloss in den geometrischen Configurationen (Spirale) zur Anwendung gebracht haben 14), wurde von den „mykenischen“ 14) Solche Ausnahmen wie der Weinstock, der, in der egyptischen Orna- mentik ungebräuchlich, offenbar bloss um einer gegenständlichen Bedeutung willen Darstellung gefunden hat, bei Prisse a. a. O., Jarres et Amphores, be-

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/145>, abgerufen am 24.11.2024.