von mir gehen, wenn ich es thue. - - Jch muß mich also wol anders wohin begeben.
Jch bin mir selbst schon längst zur Last gewe- sen, und bin es jetzt noch immer mehr. Lassen sie mich nur die gute Meinung nicht verlieren, die Sie von mir haben. Der Verlust wäre die höchste Staffel des Unglücks von
Jhrer ergebnen Clarissa Harlowe.
Sonntag Abends den 16. April.
Jch darf Jhnen doch schreiben; ob es Jh- nen gleich untersagt ist, mir zu schreiben; darf ich nicht? - - Denn das ist doch kein Brief- wechsel, nicht wahr? wo die Briefe nicht be- antwortet werden?
Jch weiß ganz und gar nicht mehr, was ich von dem Mann denken soll. Er ist ein voll- kommner Proteus. Jch muß mich in meinen Briefen immer nach der verschiedenen Gestalt richten, die er annimmt. Glauben Sie nicht, ich bitte sehr, daß ich die veränderliche Person bin, wenn ich in einem Briefe dem widerspre- che, was ich in einem andern geschrieben habe, ja wenn es scheinet, daß ich dem widerspreche, was ich in demselben Briefe schreibe. Denn er ist ein vollkommnes Cameleon; oder vielmehr noch veränderlicher. Denn vom Cameleon sagt man, es könne die rothe und weiße Farbe nicht annehmen; aber dieser kan es. Und ob gleich
Schwarz
von mir gehen, wenn ich es thue. ‒ ‒ Jch muß mich alſo wol anders wohin begeben.
Jch bin mir ſelbſt ſchon laͤngſt zur Laſt gewe- ſen, und bin es jetzt noch immer mehr. Laſſen ſie mich nur die gute Meinung nicht verlieren, die Sie von mir haben. Der Verluſt waͤre die hoͤchſte Staffel des Ungluͤcks von
Jhrer ergebnen Clariſſa Harlowe.
Sonntag Abends den 16. April.
Jch darf Jhnen doch ſchreiben; ob es Jh- nen gleich unterſagt iſt, mir zu ſchreiben; darf ich nicht? ‒ ‒ Denn das iſt doch kein Brief- wechſel, nicht wahr? wo die Briefe nicht be- antwortet werden?
Jch weiß ganz und gar nicht mehr, was ich von dem Mann denken ſoll. Er iſt ein voll- kommner Proteus. Jch muß mich in meinen Briefen immer nach der verſchiedenen Geſtalt richten, die er annimmt. Glauben Sie nicht, ich bitte ſehr, daß ich die veraͤnderliche Perſon bin, wenn ich in einem Briefe dem widerſpre- che, was ich in einem andern geſchrieben habe, ja wenn es ſcheinet, daß ich dem widerſpreche, was ich in demſelben Briefe ſchreibe. Denn er iſt ein vollkommnes Cameleon; oder vielmehr noch veraͤnderlicher. Denn vom Cameleon ſagt man, es koͤnne die rothe und weiße Farbe nicht annehmen; aber dieſer kan es. Und ob gleich
Schwarz
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von mir gehen, wenn ich es thue. ‒ ‒ Jch
muß mich alſo wol anders wohin begeben.
Jch bin mir ſelbſt ſchon laͤngſt zur Laſt gewe-
ſen, und bin es jetzt noch immer mehr. Laſſen
ſie mich nur die gute Meinung nicht verlieren,
die Sie von mir haben. Der Verluſt waͤre
die hoͤchſte Staffel des Ungluͤcks von
Jhrer ergebnen
Clariſſa Harlowe.
Sonntag Abends den 16. April.
Jch darf Jhnen doch ſchreiben; ob es Jh-
nen gleich unterſagt iſt, mir zu ſchreiben; darf
ich nicht? ‒ ‒ Denn das iſt doch kein Brief-
wechſel, nicht wahr? wo die Briefe nicht be-
antwortet werden?
Jch weiß ganz und gar nicht mehr, was ich
von dem Mann denken ſoll. Er iſt ein voll-
kommner Proteus. Jch muß mich in meinen
Briefen immer nach der verſchiedenen Geſtalt
richten, die er annimmt. Glauben Sie nicht,
ich bitte ſehr, daß ich die veraͤnderliche Perſon
bin, wenn ich in einem Briefe dem widerſpre-
che, was ich in einem andern geſchrieben habe,
ja wenn es ſcheinet, daß ich dem widerſpreche,
was ich in demſelben Briefe ſchreibe. Denn
er iſt ein vollkommnes Cameleon; oder vielmehr
noch veraͤnderlicher. Denn vom Cameleon ſagt
man, es koͤnne die rothe und weiße Farbe nicht
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/64>, abgerufen am 19.07.2024.
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