Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



ten, und den jederman verachtet! Man hatte
nur den Trauschein schon ausgewürket! Der
Prediger war nur schon bestellet! Der Tag,
und zwar ein naher, ein sehr naher Tag war
nur schon angesetzet! Man wollte nur ihre Klei-
der durchsuchen, um ihre Briefe zu finden, und
sie noch enger einsperren, bis der Tag herankä-
me; damit man ihnen alle Mittel benehmen möch-
te, den Fallstricken zu entfliehen, die man ih-
nen gelegt hatte! - - Aber das alles können sie
vergeben! Sie können wünschen, daß sie das al-
les erwartet hätten; so unvermeidlich es war,
daß man sie würde gezwungen haben, alles ein-
zugehen! - - Und der Mann, der sie, mit Ge-
fahr seines Lebens, von aller dieser Qual befreiet
hat, ist die einzige Person, der sie nicht ver-
geben können!

Können sie nicht noch ein wenig fortfahren?
Sie sehen, ich habe Geduld, sie anzuhören?
Können sie nicht fortfahren?

Jch kann fortfahren, gnädige Fräulein, wenn
ich meine Leiden erzählen will, die ich freilich
nicht erwehnen sollte, wenn ich nur zuletzt die
Belohnung erwarten könnte, darauf ich mir
Hofnung gemachet habe.

Jhre Leiden also, wenn es Jhnen beliebet,
Herr Lovelace!

Daß man mir schimpflicher Weise ihres
Vaters Haus verboten, nachdem man mich
schon einmal gut aufgenommen hatte, ohne
eine Ursache zu ihrer Rechtfertigung anzuge-

ben,



ten, und den jederman verachtet! Man hatte
nur den Trauſchein ſchon ausgewuͤrket! Der
Prediger war nur ſchon beſtellet! Der Tag,
und zwar ein naher, ein ſehr naher Tag war
nur ſchon angeſetzet! Man wollte nur ihre Klei-
der durchſuchen, um ihre Briefe zu finden, und
ſie noch enger einſperren, bis der Tag herankaͤ-
me; damit man ihnen alle Mittel benehmen moͤch-
te, den Fallſtricken zu entfliehen, die man ih-
nen gelegt hatte! ‒ ‒ Aber das alles koͤnnen ſie
vergeben! Sie koͤnnen wuͤnſchen, daß ſie das al-
les erwartet haͤtten; ſo unvermeidlich es war,
daß man ſie wuͤrde gezwungen haben, alles ein-
zugehen! ‒ ‒ Und der Mann, der ſie, mit Ge-
fahr ſeines Lebens, von aller dieſer Qual befreiet
hat, iſt die einzige Perſon, der ſie nicht ver-
geben koͤnnen!

Koͤnnen ſie nicht noch ein wenig fortfahren?
Sie ſehen, ich habe Geduld, ſie anzuhoͤren?
Koͤnnen ſie nicht fortfahren?

Jch kann fortfahren, gnaͤdige Fraͤulein, wenn
ich meine Leiden erzaͤhlen will, die ich freilich
nicht erwehnen ſollte, wenn ich nur zuletzt die
Belohnung erwarten koͤnnte, darauf ich mir
Hofnung gemachet habe.

Jhre Leiden alſo, wenn es Jhnen beliebet,
Herr Lovelace!

Daß man mir ſchimpflicher Weiſe ihres
Vaters Haus verboten, nachdem man mich
ſchon einmal gut aufgenommen hatte, ohne
eine Urſache zu ihrer Rechtfertigung anzuge-

ben,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <p><pb facs="#f0056" n="48"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ten, und den jederman verachtet! Man hatte<lb/><hi rendition="#fr">nur</hi> den Trau&#x017F;chein &#x017F;chon ausgewu&#x0364;rket! Der<lb/>
Prediger war <hi rendition="#fr">nur</hi> &#x017F;chon be&#x017F;tellet! Der Tag,<lb/>
und zwar ein naher, ein &#x017F;ehr naher Tag war<lb/><hi rendition="#fr">nur</hi> &#x017F;chon ange&#x017F;etzet! Man wollte <hi rendition="#fr">nur</hi> ihre Klei-<lb/>
der durch&#x017F;uchen, um ihre Briefe zu finden, und<lb/>
&#x017F;ie noch enger ein&#x017F;perren, bis der Tag heranka&#x0364;-<lb/>
me; damit man ihnen alle Mittel benehmen mo&#x0364;ch-<lb/>
te, den Fall&#x017F;tricken zu entfliehen, die man ih-<lb/>
nen gelegt hatte! &#x2012; &#x2012; Aber das alles ko&#x0364;nnen &#x017F;ie<lb/>
vergeben! Sie ko&#x0364;nnen wu&#x0364;n&#x017F;chen, daß &#x017F;ie das al-<lb/>
les erwartet ha&#x0364;tten; &#x017F;o unvermeidlich es war,<lb/>
daß man &#x017F;ie wu&#x0364;rde gezwungen haben, alles ein-<lb/>
zugehen! &#x2012; &#x2012; Und der Mann, der &#x017F;ie, mit Ge-<lb/>
fahr &#x017F;eines Lebens, von aller die&#x017F;er Qual befreiet<lb/>
hat, i&#x017F;t die einzige Per&#x017F;on, <hi rendition="#fr">der &#x017F;ie nicht ver-<lb/>
geben ko&#x0364;nnen!</hi></p><lb/>
              <p>Ko&#x0364;nnen &#x017F;ie nicht noch ein wenig fortfahren?<lb/>
Sie &#x017F;ehen, ich habe Geduld, &#x017F;ie anzuho&#x0364;ren?<lb/>
Ko&#x0364;nnen &#x017F;ie nicht fortfahren?</p><lb/>
              <p>Jch kann fortfahren, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein, wenn<lb/>
ich <hi rendition="#fr">meine</hi> Leiden erza&#x0364;hlen will, die ich freilich<lb/>
nicht erwehnen &#x017F;ollte, wenn ich nur zuletzt die<lb/>
Belohnung erwarten ko&#x0364;nnte, darauf ich mir<lb/>
Hofnung gemachet habe.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Jhre</hi> Leiden al&#x017F;o, wenn es Jhnen beliebet,<lb/>
Herr <hi rendition="#fr">Lovelace!</hi></p><lb/>
              <p>Daß man mir &#x017F;chimpflicher Wei&#x017F;e ihres<lb/>
Vaters Haus verboten, nachdem man mich<lb/>
&#x017F;chon einmal gut aufgenommen hatte, ohne<lb/>
eine Ur&#x017F;ache zu ihrer Rechtfertigung anzuge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ben,</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0056] ten, und den jederman verachtet! Man hatte nur den Trauſchein ſchon ausgewuͤrket! Der Prediger war nur ſchon beſtellet! Der Tag, und zwar ein naher, ein ſehr naher Tag war nur ſchon angeſetzet! Man wollte nur ihre Klei- der durchſuchen, um ihre Briefe zu finden, und ſie noch enger einſperren, bis der Tag herankaͤ- me; damit man ihnen alle Mittel benehmen moͤch- te, den Fallſtricken zu entfliehen, die man ih- nen gelegt hatte! ‒ ‒ Aber das alles koͤnnen ſie vergeben! Sie koͤnnen wuͤnſchen, daß ſie das al- les erwartet haͤtten; ſo unvermeidlich es war, daß man ſie wuͤrde gezwungen haben, alles ein- zugehen! ‒ ‒ Und der Mann, der ſie, mit Ge- fahr ſeines Lebens, von aller dieſer Qual befreiet hat, iſt die einzige Perſon, der ſie nicht ver- geben koͤnnen! Koͤnnen ſie nicht noch ein wenig fortfahren? Sie ſehen, ich habe Geduld, ſie anzuhoͤren? Koͤnnen ſie nicht fortfahren? Jch kann fortfahren, gnaͤdige Fraͤulein, wenn ich meine Leiden erzaͤhlen will, die ich freilich nicht erwehnen ſollte, wenn ich nur zuletzt die Belohnung erwarten koͤnnte, darauf ich mir Hofnung gemachet habe. Jhre Leiden alſo, wenn es Jhnen beliebet, Herr Lovelace! Daß man mir ſchimpflicher Weiſe ihres Vaters Haus verboten, nachdem man mich ſchon einmal gut aufgenommen hatte, ohne eine Urſache zu ihrer Rechtfertigung anzuge- ben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/56
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/56>, abgerufen am 21.11.2024.