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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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Freundes Belfords, als in den Vorwürfen,
die ihm sein eigen Gewissen zuweilen auf kurze
Zeit macht, und in seinen letzten Auftritten;
welches nicht hätte geschehen können, wenn man
einen von ihnen als einen Menschen, der zu sei-
nem Unglauben Gründe zu haben denket, ab-
mahlen wollen. Zu geschweigen, daß Claris-
sa,
deren grössester Anstoß an der Person des
Herrn Wyerley daher rührete, daß er ein
Spötter war, ganz und gar nicht zu entschul-
digen gewesen wäre, wenn sie den Herrn Lo-
velace
auch dafür erkannt, und seinen Antrag
der geringsten Aufmerksamkeit gewürdiget hät-
te. Sie tröstet sich im Gegentheil, so oft sie
denket, daß sie noch die Seinige werden wird,
folgender Gestalt: (*) "Noch bleibt mir der ei-
"nige Trost, er ist kein Ungläubiger und Frei-
"geist; wäre er ein Ungläubiger, so hätte man
"keine Hofnung mehr für ihn, sondern (wie er
"auf seine Erfindung stolz seyn würde) er wäre
"ganz und gar verfallen, nicht zu bekehren, und
"verwildert." Man muß auch noch anmer-
ken, daß Religions-Spötter in ihren eignen
Gedanken zu witzig sind, oder, mit andern Wor-
ten, sich auf ihre Bosheit zu viel einbilden, als
daß sie trachten sollten, sie zu verbergen.

Hätte überdem Herr Lovelace bei seiner ü-
brigen freien Lebensart auch noch den Fehler ge-
habt, einen unflätigen Scherz mit der Reli-
gion zu treiben, so würden die Freiheiten zwi-

schen
(*) Siehe Th. IV. S. 387. 388.



Freundes Belfords, als in den Vorwuͤrfen,
die ihm ſein eigen Gewiſſen zuweilen auf kurze
Zeit macht, und in ſeinen letzten Auftritten;
welches nicht haͤtte geſchehen koͤnnen, wenn man
einen von ihnen als einen Menſchen, der zu ſei-
nem Unglauben Gruͤnde zu haben denket, ab-
mahlen wollen. Zu geſchweigen, daß Clariſ-
ſa,
deren groͤſſeſter Anſtoß an der Perſon des
Herrn Wyerley daher ruͤhrete, daß er ein
Spoͤtter war, ganz und gar nicht zu entſchul-
digen geweſen waͤre, wenn ſie den Herrn Lo-
velace
auch dafuͤr erkannt, und ſeinen Antrag
der geringſten Aufmerkſamkeit gewuͤrdiget haͤt-
te. Sie troͤſtet ſich im Gegentheil, ſo oft ſie
denket, daß ſie noch die Seinige werden wird,
folgender Geſtalt: (*) „Noch bleibt mir der ei-
„nige Troſt, er iſt kein Unglaͤubiger und Frei-
„geiſt; waͤre er ein Unglaͤubiger, ſo haͤtte man
„keine Hofnung mehr fuͤr ihn, ſondern (wie er
„auf ſeine Erfindung ſtolz ſeyn wuͤrde) er waͤre
„ganz und gar verfallen, nicht zu bekehren, und
„verwildert.” Man muß auch noch anmer-
ken, daß Religions-Spoͤtter in ihren eignen
Gedanken zu witzig ſind, oder, mit andern Wor-
ten, ſich auf ihre Bosheit zu viel einbilden, als
daß ſie trachten ſollten, ſie zu verbergen.

Haͤtte uͤberdem Herr Lovelace bei ſeiner uͤ-
brigen freien Lebensart auch noch den Fehler ge-
habt, einen unflaͤtigen Scherz mit der Reli-
gion zu treiben, ſo wuͤrden die Freiheiten zwi-

ſchen
(*) Siehe Th. IV. S. 387. 388.
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[350/0358] Freundes Belfords, als in den Vorwuͤrfen, die ihm ſein eigen Gewiſſen zuweilen auf kurze Zeit macht, und in ſeinen letzten Auftritten; welches nicht haͤtte geſchehen koͤnnen, wenn man einen von ihnen als einen Menſchen, der zu ſei- nem Unglauben Gruͤnde zu haben denket, ab- mahlen wollen. Zu geſchweigen, daß Clariſ- ſa, deren groͤſſeſter Anſtoß an der Perſon des Herrn Wyerley daher ruͤhrete, daß er ein Spoͤtter war, ganz und gar nicht zu entſchul- digen geweſen waͤre, wenn ſie den Herrn Lo- velace auch dafuͤr erkannt, und ſeinen Antrag der geringſten Aufmerkſamkeit gewuͤrdiget haͤt- te. Sie troͤſtet ſich im Gegentheil, ſo oft ſie denket, daß ſie noch die Seinige werden wird, folgender Geſtalt: (*) „Noch bleibt mir der ei- „nige Troſt, er iſt kein Unglaͤubiger und Frei- „geiſt; waͤre er ein Unglaͤubiger, ſo haͤtte man „keine Hofnung mehr fuͤr ihn, ſondern (wie er „auf ſeine Erfindung ſtolz ſeyn wuͤrde) er waͤre „ganz und gar verfallen, nicht zu bekehren, und „verwildert.” Man muß auch noch anmer- ken, daß Religions-Spoͤtter in ihren eignen Gedanken zu witzig ſind, oder, mit andern Wor- ten, ſich auf ihre Bosheit zu viel einbilden, als daß ſie trachten ſollten, ſie zu verbergen. Haͤtte uͤberdem Herr Lovelace bei ſeiner uͤ- brigen freien Lebensart auch noch den Fehler ge- habt, einen unflaͤtigen Scherz mit der Reli- gion zu treiben, ſo wuͤrden die Freiheiten zwi- ſchen (*) Siehe Th. IV. S. 387. 388.

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/358>, abgerufen am 25.04.2024.