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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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Und auf einen solchen Grund habe ich nie
vergeblich gebauet.
- -

Den Augenblick beschloß er, mit dem jun-
gen Dinge bekannt zu werden, das so heftig
für ihn eingenommen zu seyn schien. Nie hat
ein Mann eine schnellere Erfindung gehabt, al-
le Arten von Unglück anzurichten. Er gab sei-
ner Sally ihr Zeichen. Er nannte sie Schwe-
ster,
so laut, daß jene es höreten. Und Sal-
ly
erzählte, gleich als aus eigner Bewegung,
die besondern Umstände von der ihr angethanen
Beleidigung, der jungen Dame und ihrer Mut-
ter ins Ohr; wobei sie sich in einen Engel des
Lichts verstellte, um den Charackter ihres he-
roischen Bruders in einem prächtigern Glanze
zu zeigen. Vornemlich rühmte sie seinen be-
kannten und bewährten Muth; und mischte in
ihre Lobes-Erhebungen solche Umstände von sei-
ner Geburt, seinem Reichthum und übrigen
Vorzügen, daß ihm gleichsam nichts übrig zu
bleiben schien, als in die verliebte Polly ver-
liebt zu werden.

Herr Lovelace sahe alsbald, wie das, was
sie sagte, zu verstehen sei: So ein braver
Mann! bei so angenehmen höflichen Ma-
nieren!
und errieth den Geschmack der jungen
Dame; da sie hingegen nicht argwohnen konn-
te, was ein solches äußerliches Ansehen für ein
Herz bedeckte! Das war der Mann! der
nehmliche Mann!
flisterte sie ihrer Mutter
zu. Da die Oper geendigt war, mußte sein

Diener



Und auf einen ſolchen Grund habe ich nie
vergeblich gebauet.
‒ ‒

Den Augenblick beſchloß er, mit dem jun-
gen Dinge bekannt zu werden, das ſo heftig
fuͤr ihn eingenommen zu ſeyn ſchien. Nie hat
ein Mann eine ſchnellere Erfindung gehabt, al-
le Arten von Ungluͤck anzurichten. Er gab ſei-
ner Sally ihr Zeichen. Er nannte ſie Schwe-
ſter,
ſo laut, daß jene es hoͤreten. Und Sal-
ly
erzaͤhlte, gleich als aus eigner Bewegung,
die beſondern Umſtaͤnde von der ihr angethanen
Beleidigung, der jungen Dame und ihrer Mut-
ter ins Ohr; wobei ſie ſich in einen Engel des
Lichts verſtellte, um den Charackter ihres he-
roiſchen Bruders in einem praͤchtigern Glanze
zu zeigen. Vornemlich ruͤhmte ſie ſeinen be-
kannten und bewaͤhrten Muth; und miſchte in
ihre Lobes-Erhebungen ſolche Umſtaͤnde von ſei-
ner Geburt, ſeinem Reichthum und uͤbrigen
Vorzuͤgen, daß ihm gleichſam nichts uͤbrig zu
bleiben ſchien, als in die verliebte Polly ver-
liebt zu werden.

Herr Lovelace ſahe alsbald, wie das, was
ſie ſagte, zu verſtehen ſei: So ein braver
Mann! bei ſo angenehmen hoͤflichen Ma-
nieren!
und errieth den Geſchmack der jungen
Dame; da ſie hingegen nicht argwohnen konn-
te, was ein ſolches aͤußerliches Anſehen fuͤr ein
Herz bedeckte! Das war der Mann! der
nehmliche Mann!
fliſterte ſie ihrer Mutter
zu. Da die Oper geendigt war, mußte ſein

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[330/0338] Und auf einen ſolchen Grund habe ich nie vergeblich gebauet. ‒ ‒ Den Augenblick beſchloß er, mit dem jun- gen Dinge bekannt zu werden, das ſo heftig fuͤr ihn eingenommen zu ſeyn ſchien. Nie hat ein Mann eine ſchnellere Erfindung gehabt, al- le Arten von Ungluͤck anzurichten. Er gab ſei- ner Sally ihr Zeichen. Er nannte ſie Schwe- ſter, ſo laut, daß jene es hoͤreten. Und Sal- ly erzaͤhlte, gleich als aus eigner Bewegung, die beſondern Umſtaͤnde von der ihr angethanen Beleidigung, der jungen Dame und ihrer Mut- ter ins Ohr; wobei ſie ſich in einen Engel des Lichts verſtellte, um den Charackter ihres he- roiſchen Bruders in einem praͤchtigern Glanze zu zeigen. Vornemlich ruͤhmte ſie ſeinen be- kannten und bewaͤhrten Muth; und miſchte in ihre Lobes-Erhebungen ſolche Umſtaͤnde von ſei- ner Geburt, ſeinem Reichthum und uͤbrigen Vorzuͤgen, daß ihm gleichſam nichts uͤbrig zu bleiben ſchien, als in die verliebte Polly ver- liebt zu werden. Herr Lovelace ſahe alsbald, wie das, was ſie ſagte, zu verſtehen ſei: So ein braver Mann! bei ſo angenehmen hoͤflichen Ma- nieren! und errieth den Geſchmack der jungen Dame; da ſie hingegen nicht argwohnen konn- te, was ein ſolches aͤußerliches Anſehen fuͤr ein Herz bedeckte! Das war der Mann! der nehmliche Mann! fliſterte ſie ihrer Mutter zu. Da die Oper geendigt war, mußte ſein Diener

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/338>, abgerufen am 02.05.2024.