nieren, und durch ihre verbindliche Munter- keit, noch mehr erhöhet.
Doch mochte sie gemeiniglich lieber andre sin- gen und spielen hören, als selbst singen und spielen.
Sie fand ein Vergnügen darin, ein verdien- tes Lob zu ertheilen. Aber sie that es auf eine solche Art, daß man nicht den geringsten Ver- dacht auf sie warf, als wenn sie es thäte, um wieder gelobet zu werden; so sehr sie es nach dem allgemeinen Urtheil auch verdiente.
Sie hatte eine Gabe, ausserordentliche Din- ge mit einer so leichten Art zu sagen, daß je- derman dachte, er würde dasselbe gesagt ha- ben, obgleich Witz und Genie dazu gehörte, sie zu sagen.
Auch ernsthafte Dinge erhielten von der freundlichen Mine, mit welcher sie solche vor- brachte, und durch die augenscheinlich gute Absicht, eine muntere Gestalt, ohne etwas von ihrer Stärke zu verlieren.
Wir können am richtigsten von Leuten ur- theilen, wenn wir auf ihr Betragen bei den gemeinsten Gelegenheiten Acht geben. Jch will ein par Exempel anführen, wo sie die Gutheit hatte, mich bei einer solchen Gelegenheit zu recht zu weisen.
Da ich noch sehr jung war, hatte ich den Feh- ler der Leute, die sich gern viel nöthigen lassen, wenn sie singen sollen. Sie heilte mich davon, gleich im Anfange unsrer glücklichen Vertrau-
lichkeit,
nieren, und durch ihre verbindliche Munter- keit, noch mehr erhoͤhet.
Doch mochte ſie gemeiniglich lieber andre ſin- gen und ſpielen hoͤren, als ſelbſt ſingen und ſpielen.
Sie fand ein Vergnuͤgen darin, ein verdien- tes Lob zu ertheilen. Aber ſie that es auf eine ſolche Art, daß man nicht den geringſten Ver- dacht auf ſie warf, als wenn ſie es thaͤte, um wieder gelobet zu werden; ſo ſehr ſie es nach dem allgemeinen Urtheil auch verdiente.
Sie hatte eine Gabe, auſſerordentliche Din- ge mit einer ſo leichten Art zu ſagen, daß je- derman dachte, er wuͤrde daſſelbe geſagt ha- ben, obgleich Witz und Genie dazu gehoͤrte, ſie zu ſagen.
Auch ernſthafte Dinge erhielten von der freundlichen Mine, mit welcher ſie ſolche vor- brachte, und durch die augenſcheinlich gute Abſicht, eine muntere Geſtalt, ohne etwas von ihrer Staͤrke zu verlieren.
Wir koͤnnen am richtigſten von Leuten ur- theilen, wenn wir auf ihr Betragen bei den gemeinſten Gelegenheiten Acht geben. Jch will ein par Exempel anfuͤhren, wo ſie die Gutheit hatte, mich bei einer ſolchen Gelegenheit zu recht zu weiſen.
Da ich noch ſehr jung war, hatte ich den Feh- ler der Leute, die ſich gern viel noͤthigen laſſen, wenn ſie ſingen ſollen. Sie heilte mich davon, gleich im Anfange unſrer gluͤcklichen Vertrau-
lichkeit,
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nieren, und durch ihre verbindliche Munter-
keit, noch mehr erhoͤhet.
Doch mochte ſie gemeiniglich lieber andre ſin-
gen und ſpielen hoͤren, als ſelbſt ſingen und
ſpielen.
Sie fand ein Vergnuͤgen darin, ein verdien-
tes Lob zu ertheilen. Aber ſie that es auf eine
ſolche Art, daß man nicht den geringſten Ver-
dacht auf ſie warf, als wenn ſie es thaͤte, um
wieder gelobet zu werden; ſo ſehr ſie es nach
dem allgemeinen Urtheil auch verdiente.
Sie hatte eine Gabe, auſſerordentliche Din-
ge mit einer ſo leichten Art zu ſagen, daß je-
derman dachte, er wuͤrde daſſelbe geſagt ha-
ben, obgleich Witz und Genie dazu gehoͤrte, ſie
zu ſagen.
Auch ernſthafte Dinge erhielten von der
freundlichen Mine, mit welcher ſie ſolche vor-
brachte, und durch die augenſcheinlich gute
Abſicht, eine muntere Geſtalt, ohne etwas von
ihrer Staͤrke zu verlieren.
Wir koͤnnen am richtigſten von Leuten ur-
theilen, wenn wir auf ihr Betragen bei den
gemeinſten Gelegenheiten Acht geben. Jch will
ein par Exempel anfuͤhren, wo ſie die Gutheit
hatte, mich bei einer ſolchen Gelegenheit zu recht
zu weiſen.
Da ich noch ſehr jung war, hatte ich den Feh-
ler der Leute, die ſich gern viel noͤthigen laſſen,
wenn ſie ſingen ſollen. Sie heilte mich davon,
gleich im Anfange unſrer gluͤcklichen Vertrau-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/294>, abgerufen am 16.07.2024.
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