Jetzo lassen Sie mich (wie sichs dann zu mei- nem heiligen Amte besser schickt) an statt in der Gestalt eines Anklägers, oder zu dreisten Tadlers zu erscheinen, (wofür ich in meinem Herzen nie geglaubt habe, daß ich angesehen zu werden verdiente) den Charackter eines Ver- söhners annehmen, und den Vorschlag thun, daß ich (gleich als zur Poen für mein Ver- sehen) als ein Friedensbote zu der gotts- fürchtigen jungen Fräulein abgesand werde. Denn sie schreiben mir auf ihr Wort zuver- läßig, (und im Herzen glaube ich, daß es wahr ist) daß die Aerzte sie aufgegeben haben, und sie nicht leben kann! Ach! Ach! Was wür- de das für eine betrübte Sache seyn, wenn der arme Bogen, den man nur die Absicht hat- te, (wie ich gar wol weiß, und völlig versi- chert bin) zu spannen, brechen sollte!
Lassen Sie es nicht, mein werthester Gön- ner, bei der Welt das Ansehen haben, als wenn in Jhrer Empfindlichkeit (die, so lan- ge Sie dadurch die Person zu ihrer Pflicht zu bringen gedacht, recht und billig gewesen ist) etwas sei, daß einer Gewaltthätigkeit, oder heftigem Zorne, oder einer Unerbittlichkeit ähnlich sähe; (wie es einigen Leuten scheinen möchte, wenn sie nach einer Reue, Zerknir- schung und Demüthigung, an der Seite der schönen Sünderin, aufs äusserste angetrie- ben werden sollte) Denn diese ganze Zeit her,
ist
Aſpera confeſſo verba remitte reo.
Jetzo laſſen Sie mich (wie ſichs dann zu mei- nem heiligen Amte beſſer ſchickt) an ſtatt in der Geſtalt eines Anklaͤgers, oder zu dreiſten Tadlers zu erſcheinen, (wofuͤr ich in meinem Herzen nie geglaubt habe, daß ich angeſehen zu werden verdiente) den Charackter eines Ver- ſoͤhners annehmen, und den Vorſchlag thun, daß ich (gleich als zur Poen fuͤr mein Ver- ſehen) als ein Friedensbote zu der gotts- fuͤrchtigen jungen Fraͤulein abgeſand werde. Denn ſie ſchreiben mir auf ihr Wort zuver- laͤßig, (und im Herzen glaube ich, daß es wahr iſt) daß die Aerzte ſie aufgegeben haben, und ſie nicht leben kann! Ach! Ach! Was wuͤr- de das fuͤr eine betruͤbte Sache ſeyn, wenn der arme Bogen, den man nur die Abſicht hat- te, (wie ich gar wol weiß, und voͤllig verſi- chert bin) zu ſpannen, brechen ſollte!
Laſſen Sie es nicht, mein wertheſter Goͤn- ner, bei der Welt das Anſehen haben, als wenn in Jhrer Empfindlichkeit (die, ſo lan- ge Sie dadurch die Perſon zu ihrer Pflicht zu bringen gedacht, recht und billig geweſen iſt) etwas ſei, daß einer Gewaltthaͤtigkeit, oder heftigem Zorne, oder einer Unerbittlichkeit aͤhnlich ſaͤhe; (wie es einigen Leuten ſcheinen moͤchte, wenn ſie nach einer Reue, Zerknir- ſchung und Demuͤthigung, an der Seite der ſchoͤnen Suͤnderin, aufs aͤuſſerſte angetrie- ben werden ſollte) Denn dieſe ganze Zeit her,
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Aſpera confeſſo verba remitte reo.
Jetzo laſſen Sie mich (wie ſichs dann zu mei-
nem heiligen Amte beſſer ſchickt) an ſtatt in
der Geſtalt eines Anklaͤgers, oder zu dreiſten
Tadlers zu erſcheinen, (wofuͤr ich in meinem
Herzen nie geglaubt habe, daß ich angeſehen zu
werden verdiente) den Charackter eines Ver-
ſoͤhners annehmen, und den Vorſchlag thun,
daß ich (gleich als zur Poen fuͤr mein Ver-
ſehen) als ein Friedensbote zu der gotts-
fuͤrchtigen jungen Fraͤulein abgeſand werde.
Denn ſie ſchreiben mir auf ihr Wort zuver-
laͤßig, (und im Herzen glaube ich, daß es
wahr iſt) daß die Aerzte ſie aufgegeben haben,
und ſie nicht leben kann! Ach! Ach! Was wuͤr-
de das fuͤr eine betruͤbte Sache ſeyn, wenn der
arme Bogen, den man nur die Abſicht hat-
te, (wie ich gar wol weiß, und voͤllig verſi-
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Laſſen Sie es nicht, mein wertheſter Goͤn-
ner, bei der Welt das Anſehen haben, als
wenn in Jhrer Empfindlichkeit (die, ſo lan-
ge Sie dadurch die Perſon zu ihrer Pflicht zu
bringen gedacht, recht und billig geweſen iſt)
etwas ſei, daß einer Gewaltthaͤtigkeit, oder
heftigem Zorne, oder einer Unerbittlichkeit
aͤhnlich ſaͤhe; (wie es einigen Leuten ſcheinen
moͤchte, wenn ſie nach einer Reue, Zerknir-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/261>, abgerufen am 03.05.2024.
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