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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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ihr Gerechtigkeit zu thun, bin ich (wiewol zu
meinem nicht geringen Verdruß) bereit, den
Vers des Ovids auf mich selbst zu deuten:

Heu! patior telis vulnera facta meis.

Doch bleibe ich dabei, daß der ganze Theil
meiner Nachricht, den ich selbst persönlich er-
kundiget
habe, und den Herrn Belford und
dessen Charackter angehet, dem Buchsta-
ben
nach wahr ist. Denn man wird nirgend
einen Mann von freiern Grundsätzen in An-
sehung des Frauenzimmers antreffen, den
Herrn Lovelace ausgenommen, als ihn.

Ew. Hochwolgebohren muß also gehorsamst
bitten, daß Sie meine Absicht nicht im ge-
ringsten
zu tadeln geruhen; sintemal Diesel-
ben sehen, wie bereit ich bin, mich selbst des-
fals anzuklagen, daß ich einer übereilten
Erkundigung
(wovon ich freilich nicht wuß-
te, daß sie zu übereilt wäre) so leichtsinnig Ge-
hör gegeben. Denn ich verließ mich um so
viel mehr darauf, weil die Leute, von denen
ich sie einholte, ein sehr nüchternes und
mäßiges Leben führen, und GOtt vor Au-
gen haben.
Sie werden auch, wenn ich die
Ehre habe, Denenselben aufzuwarten, aus
ihrem Briefe sehen, daß sie gute gewissenhaf-
te
Leute sind. Weswegen ich mir von Jhnen
und ihrer ganzen werthen Familie die
Geneigtheit ausbitte, daß ich auf den Vers
meines zuletzt angezogenen Poeten einen An-
spruch machen darf:

Aspera



ihr Gerechtigkeit zu thun, bin ich (wiewol zu
meinem nicht geringen Verdruß) bereit, den
Vers des Ovids auf mich ſelbſt zu deuten:

Heu! patior telis vulnera facta meis.

Doch bleibe ich dabei, daß der ganze Theil
meiner Nachricht, den ich ſelbſt perſoͤnlich er-
kundiget
habe, und den Herrn Belford und
deſſen Charackter angehet, dem Buchſta-
ben
nach wahr iſt. Denn man wird nirgend
einen Mann von freiern Grundſaͤtzen in An-
ſehung des Frauenzimmers antreffen, den
Herrn Lovelace ausgenommen, als ihn.

Ew. Hochwolgebohren muß alſo gehorſamſt
bitten, daß Sie meine Abſicht nicht im ge-
ringſten
zu tadeln geruhen; ſintemal Dieſel-
ben ſehen, wie bereit ich bin, mich ſelbſt des-
fals anzuklagen, daß ich einer uͤbereilten
Erkundigung
(wovon ich freilich nicht wuß-
te, daß ſie zu uͤbereilt waͤre) ſo leichtſinnig Ge-
hoͤr gegeben. Denn ich verließ mich um ſo
viel mehr darauf, weil die Leute, von denen
ich ſie einholte, ein ſehr nuͤchternes und
maͤßiges Leben fuͤhren, und GOtt vor Au-
gen haben.
Sie werden auch, wenn ich die
Ehre habe, Denenſelben aufzuwarten, aus
ihrem Briefe ſehen, daß ſie gute gewiſſenhaf-
te
Leute ſind. Weswegen ich mir von Jhnen
und ihrer ganzen werthen Familie die
Geneigtheit ausbitte, daß ich auf den Vers
meines zuletzt angezogenen Poeten einen An-
ſpruch machen darf:

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[252/0260] ihr Gerechtigkeit zu thun, bin ich (wiewol zu meinem nicht geringen Verdruß) bereit, den Vers des Ovids auf mich ſelbſt zu deuten: Heu! patior telis vulnera facta meis. Doch bleibe ich dabei, daß der ganze Theil meiner Nachricht, den ich ſelbſt perſoͤnlich er- kundiget habe, und den Herrn Belford und deſſen Charackter angehet, dem Buchſta- ben nach wahr iſt. Denn man wird nirgend einen Mann von freiern Grundſaͤtzen in An- ſehung des Frauenzimmers antreffen, den Herrn Lovelace ausgenommen, als ihn. Ew. Hochwolgebohren muß alſo gehorſamſt bitten, daß Sie meine Abſicht nicht im ge- ringſten zu tadeln geruhen; ſintemal Dieſel- ben ſehen, wie bereit ich bin, mich ſelbſt des- fals anzuklagen, daß ich einer uͤbereilten Erkundigung (wovon ich freilich nicht wuß- te, daß ſie zu uͤbereilt waͤre) ſo leichtſinnig Ge- hoͤr gegeben. Denn ich verließ mich um ſo viel mehr darauf, weil die Leute, von denen ich ſie einholte, ein ſehr nuͤchternes und maͤßiges Leben fuͤhren, und GOtt vor Au- gen haben. Sie werden auch, wenn ich die Ehre habe, Denenſelben aufzuwarten, aus ihrem Briefe ſehen, daß ſie gute gewiſſenhaf- te Leute ſind. Weswegen ich mir von Jhnen und ihrer ganzen werthen Familie die Geneigtheit ausbitte, daß ich auf den Vers meines zuletzt angezogenen Poeten einen An- ſpruch machen darf: Aſpera

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/260>, abgerufen am 03.05.2024.