Du hast ihm doch wol nicht von Gewissen und Bekehrung vorgeprediget? - - Billig soll- test du dir dergleichen Freiheiten gegen ihn nicht nehmen, wo du nicht glaubest, daß er durch- aus nicht wieder davon kommen kann. Ein Mensch, der krank, und seines Lebens müde ist, kann nicht, so wie du, mit diesen ernsthaften Din- gen spielen, ohne besser oder schlimmer dadurch zu werden. - - Die Busse, wie mir eben einfält, Bruder, sollte billig geschehen, wenn ein Mensch seine Gesundheit und Munterkeit hat. Denn wozu ist er doch geschickt, wenn er nicht mehr derselbe, und der Kräfte seiner Seelen Meister ist? Wenigstens gewiß nicht, ein neues Werk anzufangen! Daher kommt es, wie ich glau- be, daß man eine Bekehrung auf dem Todbette als etwas erbetteltes und fruchtloses ansiehet.
Jch für meine Person hoffe, noch eine ziem- lich lange Zeit vor mir zu haben, da ich doch willens bin, künftig einmal ein Bekehrter zu werden. Dann und wann habe ich ganz ernst- hafte Gedanken. Doch fürchte ich halb, daß meine Göttin recht hat, da sie mir einst sag- te: ein Mensch könnte sich nicht bekehren, wenn er wollte. Jch glaube, sie verstand dies von einer dauerhaften Bekehrung! Denn so bei Stössen habe ich meine Vergehungen wol tausendmal bereuet. Aber es war, wie die Ab- wechselungen von Hitze und Frost im Fieber!
Jndem ich meine Augen auf die beiden vor- hergehenden Absätze werfe, kommt es mir vor,
als
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Du haſt ihm doch wol nicht von Gewiſſen und Bekehrung vorgeprediget? ‒ ‒ Billig ſoll- teſt du dir dergleichen Freiheiten gegen ihn nicht nehmen, wo du nicht glaubeſt, daß er durch- aus nicht wieder davon kommen kann. Ein Menſch, der krank, und ſeines Lebens muͤde iſt, kann nicht, ſo wie du, mit dieſen ernſthaften Din- gen ſpielen, ohne beſſer oder ſchlimmer dadurch zu werden. ‒ ‒ Die Buſſe, wie mir eben einfaͤlt, Bruder, ſollte billig geſchehen, wenn ein Menſch ſeine Geſundheit und Munterkeit hat. Denn wozu iſt er doch geſchickt, wenn er nicht mehr derſelbe, und der Kraͤfte ſeiner Seelen Meiſter iſt? Wenigſtens gewiß nicht, ein neues Werk anzufangen! Daher kommt es, wie ich glau- be, daß man eine Bekehrung auf dem Todbette als etwas erbetteltes und fruchtloſes anſiehet.
Jch fuͤr meine Perſon hoffe, noch eine ziem- lich lange Zeit vor mir zu haben, da ich doch willens bin, kuͤnftig einmal ein Bekehrter zu werden. Dann und wann habe ich ganz ernſt- hafte Gedanken. Doch fuͤrchte ich halb, daß meine Goͤttin recht hat, da ſie mir einſt ſag- te: ein Menſch koͤnnte ſich nicht bekehren, wenn er wollte. Jch glaube, ſie verſtand dies von einer dauerhaften Bekehrung! Denn ſo bei Stoͤſſen habe ich meine Vergehungen wol tauſendmal bereuet. Aber es war, wie die Ab- wechſelungen von Hitze und Froſt im Fieber!
Jndem ich meine Augen auf die beiden vor- hergehenden Abſaͤtze werfe, kommt es mir vor,
als
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Du haſt ihm doch wol nicht von Gewiſſen
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teſt du dir dergleichen Freiheiten gegen ihn nicht
nehmen, wo du nicht glaubeſt, daß er durch-
aus nicht wieder davon kommen kann. Ein
Menſch, der krank, und ſeines Lebens muͤde iſt,
kann nicht, ſo wie du, mit dieſen ernſthaften Din-
gen ſpielen, ohne beſſer oder ſchlimmer dadurch
zu werden. ‒ ‒ Die Buſſe, wie mir eben einfaͤlt,
Bruder, ſollte billig geſchehen, wenn ein Menſch
ſeine Geſundheit und Munterkeit hat. Denn
wozu iſt er doch geſchickt, wenn er nicht mehr
derſelbe, und der Kraͤfte ſeiner Seelen Meiſter
iſt? Wenigſtens gewiß nicht, ein neues Werk
anzufangen! Daher kommt es, wie ich glau-
be, daß man eine Bekehrung auf dem Todbette
als etwas erbetteltes und fruchtloſes anſiehet.
Jch fuͤr meine Perſon hoffe, noch eine ziem-
lich lange Zeit vor mir zu haben, da ich doch
willens bin, kuͤnftig einmal ein Bekehrter zu
werden. Dann und wann habe ich ganz ernſt-
hafte Gedanken. Doch fuͤrchte ich halb, daß
meine Goͤttin recht hat, da ſie mir einſt ſag-
te: ein Menſch koͤnnte ſich nicht bekehren,
wenn er wollte. Jch glaube, ſie verſtand
dies von einer dauerhaften Bekehrung! Denn
ſo bei Stoͤſſen habe ich meine Vergehungen wol
tauſendmal bereuet. Aber es war, wie die Ab-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/225>, abgerufen am 18.12.2024.
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