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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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Vergeblich ist indessen alle Bemühung, auszu-
löschen, was überall unauslöschlich ist.

Jch bitte, Belford, halte mir meinen Un-
sinn und meine Metaphoren aus des Vulca-
nus
Werkstätte zu gute. - - Habe ich dir nicht
gesagt, daß ich vor Liebe nicht krank, sondern
närrisch wäre? Warum brachte ich einen sol-
chen Engel in ein solches Haus? in solche Ge-
sellschaft? Und warum verstopfte ich meine
Ohren nicht gegen die Sirenen, welche meine
Abneigung vor den Ehestand kennen, und be-
ständig die Saite berühren?

Es wäre mir nicht lieb, daß sie mir das so-
gleich abgeschlagen hätte. Denn ich wüßte ge-
wiß, was zwischen zwo so jungen Fräulein (so
werthen, einander vom Himmel geschenkten
Freundinnen) vorgienge, könnte vor jedermanns
Augen kommen. Jch hätte noch mehr als je-
mand Ursache, zu wünschen, daß ich ihre und
der Fräulein Howe Briefe lesen möchte. Denn
ich glaubte gewiß, daß sie voll vortreflicher Leh-
reu seyn müßten, zumal da eine von den wer-
then Correspondentinnen die Güte gehabt hät-
te, meine völlige Bekehrung zu wünschen.

Sie sahe mich an, als wenn sie mich durch-
sehen wollte. Mich deuchte, ich fühlte es,
wie ein Strahl ihrer Augen nach dem andern
mein zitterndes Eingeweide durchdrang. - -
Aber sie schwieg, und ihre Worte hatten auch
nicht nöthig, ihren Augen zu Hülfe zu kom-
men.

Doch



Vergeblich iſt indeſſen alle Bemuͤhung, auszu-
loͤſchen, was uͤberall unausloͤſchlich iſt.

Jch bitte, Belford, halte mir meinen Un-
ſinn und meine Metaphoren aus des Vulca-
nus
Werkſtaͤtte zu gute. ‒ ‒ Habe ich dir nicht
geſagt, daß ich vor Liebe nicht krank, ſondern
naͤrriſch waͤre? Warum brachte ich einen ſol-
chen Engel in ein ſolches Haus? in ſolche Ge-
ſellſchaft? Und warum verſtopfte ich meine
Ohren nicht gegen die Sirenen, welche meine
Abneigung vor den Eheſtand kennen, und be-
ſtaͤndig die Saite beruͤhren?

Es waͤre mir nicht lieb, daß ſie mir das ſo-
gleich abgeſchlagen haͤtte. Denn ich wuͤßte ge-
wiß, was zwiſchen zwo ſo jungen Fraͤulein (ſo
werthen, einander vom Himmel geſchenkten
Freundinnen) vorgienge, koͤnnte vor jedermanns
Augen kommen. Jch haͤtte noch mehr als je-
mand Urſache, zu wuͤnſchen, daß ich ihre und
der Fraͤulein Howe Briefe leſen moͤchte. Denn
ich glaubte gewiß, daß ſie voll vortreflicher Leh-
reu ſeyn muͤßten, zumal da eine von den wer-
then Correspondentinnen die Guͤte gehabt haͤt-
te, meine voͤllige Bekehrung zu wuͤnſchen.

Sie ſahe mich an, als wenn ſie mich durch-
ſehen wollte. Mich deuchte, ich fuͤhlte es,
wie ein Strahl ihrer Augen nach dem andern
mein zitterndes Eingeweide durchdrang. ‒ ‒
Aber ſie ſchwieg, und ihre Worte hatten auch
nicht noͤthig, ihren Augen zu Huͤlfe zu kom-
men.

Doch
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[188/0196] Vergeblich iſt indeſſen alle Bemuͤhung, auszu- loͤſchen, was uͤberall unausloͤſchlich iſt. Jch bitte, Belford, halte mir meinen Un- ſinn und meine Metaphoren aus des Vulca- nus Werkſtaͤtte zu gute. ‒ ‒ Habe ich dir nicht geſagt, daß ich vor Liebe nicht krank, ſondern naͤrriſch waͤre? Warum brachte ich einen ſol- chen Engel in ein ſolches Haus? in ſolche Ge- ſellſchaft? Und warum verſtopfte ich meine Ohren nicht gegen die Sirenen, welche meine Abneigung vor den Eheſtand kennen, und be- ſtaͤndig die Saite beruͤhren? Es waͤre mir nicht lieb, daß ſie mir das ſo- gleich abgeſchlagen haͤtte. Denn ich wuͤßte ge- wiß, was zwiſchen zwo ſo jungen Fraͤulein (ſo werthen, einander vom Himmel geſchenkten Freundinnen) vorgienge, koͤnnte vor jedermanns Augen kommen. Jch haͤtte noch mehr als je- mand Urſache, zu wuͤnſchen, daß ich ihre und der Fraͤulein Howe Briefe leſen moͤchte. Denn ich glaubte gewiß, daß ſie voll vortreflicher Leh- reu ſeyn muͤßten, zumal da eine von den wer- then Correspondentinnen die Guͤte gehabt haͤt- te, meine voͤllige Bekehrung zu wuͤnſchen. Sie ſahe mich an, als wenn ſie mich durch- ſehen wollte. Mich deuchte, ich fuͤhlte es, wie ein Strahl ihrer Augen nach dem andern mein zitterndes Eingeweide durchdrang. ‒ ‒ Aber ſie ſchwieg, und ihre Worte hatten auch nicht noͤthig, ihren Augen zu Huͤlfe zu kom- men. Doch

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/196>, abgerufen am 27.04.2024.