Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



ich meine schrecklichen Richter ansehen! Wie
werde ich die Fragen des einen, den finstern
Stolz der andern, und die wiederkehrende Lie-
be einer oder zwoer Personen aushalten! Wie
werde ich bewegt werden!

Dann weinte ich: dann trocknete ich mir
die Augen: dann übte ich mich vor dem Spie-
gel, eine frölichere Mine anzunehmen, als mein
Herz war.

Nun endlich, so wie sich etwas rührete,
kommt meine Schwester, mir den Ausgang der
Sache bekannt zu machen! Wiederum flossen
Thränen, mein Herz schlug mir, wie ein Vo-
gel gegen seinen Käfig. Jmmer trocknete ich
meine Augen wieder, aber umsonst.

So, meine liebe Freundin, halten Sie doch
meiner Einbildung die Weitläuftigkeit zu gute,
war ich beschäftiget, dies waren meine Gedan-
ken und meine Einbildungen, als ich den ganz
verschiedenen Ausgang der Versammlung er-
fuhr, wovon ich so viel gehoffet hatte.

Denn um zehen Uhr kam meine Schwester
herauf, mit einer grausam triumphirenden Mi-
ne, (leichtfertig bewegte sie ihre Hand)

Gehorsam ohne einzige Widerrede wird von
euch verlangt, Clärgen!

Mein Vater ist mit recht böse auf euch, daß
ihr euch herausnehmet, seinem Willen zu wi-
dersprechen, und ihm Bedingungen vorzulegen.
Er weiß euer Bestes: und weil ihr selbst geste-

het,
A 5



ich meine ſchrecklichen Richter anſehen! Wie
werde ich die Fragen des einen, den finſtern
Stolz der andern, und die wiederkehrende Lie-
be einer oder zwoer Perſonen aushalten! Wie
werde ich bewegt werden!

Dann weinte ich: dann trocknete ich mir
die Augen: dann uͤbte ich mich vor dem Spie-
gel, eine froͤlichere Mine anzunehmen, als mein
Herz war.

Nun endlich, ſo wie ſich etwas ruͤhrete,
kommt meine Schweſter, mir den Ausgang der
Sache bekannt zu machen! Wiederum floſſen
Thraͤnen, mein Herz ſchlug mir, wie ein Vo-
gel gegen ſeinen Kaͤfig. Jmmer trocknete ich
meine Augen wieder, aber umſonſt.

So, meine liebe Freundin, halten Sie doch
meiner Einbildung die Weitlaͤuftigkeit zu gute,
war ich beſchaͤftiget, dies waren meine Gedan-
ken und meine Einbildungen, als ich den ganz
verſchiedenen Ausgang der Verſammlung er-
fuhr, wovon ich ſo viel gehoffet hatte.

Denn um zehen Uhr kam meine Schweſter
herauf, mit einer grauſam triumphirenden Mi-
ne, (leichtfertig bewegte ſie ihre Hand)

Gehorſam ohne einzige Widerrede wird von
euch verlangt, Claͤrgen!

Mein Vater iſt mit recht boͤſe auf euch, daß
ihr euch herausnehmet, ſeinem Willen zu wi-
derſprechen, und ihm Bedingungen vorzulegen.
Er weiß euer Beſtes: und weil ihr ſelbſt geſte-

het,
A 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0017" n="9"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ich meine &#x017F;chrecklichen Richter an&#x017F;ehen! Wie<lb/>
werde ich die Fragen des einen, den fin&#x017F;tern<lb/>
Stolz der andern, und die wiederkehrende Lie-<lb/>
be einer oder zwoer Per&#x017F;onen aushalten! Wie<lb/>
werde ich bewegt werden!</p><lb/>
          <p>Dann weinte ich: dann trocknete ich mir<lb/>
die Augen: dann u&#x0364;bte ich mich vor dem Spie-<lb/>
gel, eine fro&#x0364;lichere Mine anzunehmen, als mein<lb/>
Herz war.</p><lb/>
          <p>Nun endlich, &#x017F;o wie &#x017F;ich etwas ru&#x0364;hrete,<lb/>
kommt meine Schwe&#x017F;ter, mir den Ausgang der<lb/>
Sache bekannt zu machen! Wiederum flo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Thra&#x0364;nen, mein Herz &#x017F;chlug mir, wie ein Vo-<lb/>
gel gegen &#x017F;einen Ka&#x0364;fig. Jmmer trocknete ich<lb/>
meine Augen wieder, aber um&#x017F;on&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>So, meine liebe Freundin, halten Sie doch<lb/>
meiner Einbildung die Weitla&#x0364;uftigkeit zu gute,<lb/>
war ich be&#x017F;cha&#x0364;ftiget, dies waren meine Gedan-<lb/>
ken und meine Einbildungen, als ich den ganz<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Ausgang der Ver&#x017F;ammlung er-<lb/>
fuhr, wovon ich &#x017F;o viel gehoffet hatte.</p><lb/>
          <p>Denn um zehen Uhr kam meine Schwe&#x017F;ter<lb/>
herauf, mit einer grau&#x017F;am triumphirenden Mi-<lb/>
ne, (leichtfertig bewegte &#x017F;ie ihre Hand)</p><lb/>
          <p>Gehor&#x017F;am ohne einzige Widerrede wird von<lb/>
euch verlangt, <hi rendition="#fr">Cla&#x0364;rgen!</hi></p><lb/>
          <p>Mein Vater i&#x017F;t mit recht bo&#x0364;&#x017F;e auf euch, daß<lb/>
ihr euch herausnehmet, &#x017F;einem Willen zu wi-<lb/>
der&#x017F;prechen, und ihm Bedingungen vorzulegen.<lb/>
Er weiß euer Be&#x017F;tes: und weil ihr &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;te-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 5</fw><fw place="bottom" type="catch">het,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0017] ich meine ſchrecklichen Richter anſehen! Wie werde ich die Fragen des einen, den finſtern Stolz der andern, und die wiederkehrende Lie- be einer oder zwoer Perſonen aushalten! Wie werde ich bewegt werden! Dann weinte ich: dann trocknete ich mir die Augen: dann uͤbte ich mich vor dem Spie- gel, eine froͤlichere Mine anzunehmen, als mein Herz war. Nun endlich, ſo wie ſich etwas ruͤhrete, kommt meine Schweſter, mir den Ausgang der Sache bekannt zu machen! Wiederum floſſen Thraͤnen, mein Herz ſchlug mir, wie ein Vo- gel gegen ſeinen Kaͤfig. Jmmer trocknete ich meine Augen wieder, aber umſonſt. So, meine liebe Freundin, halten Sie doch meiner Einbildung die Weitlaͤuftigkeit zu gute, war ich beſchaͤftiget, dies waren meine Gedan- ken und meine Einbildungen, als ich den ganz verſchiedenen Ausgang der Verſammlung er- fuhr, wovon ich ſo viel gehoffet hatte. Denn um zehen Uhr kam meine Schweſter herauf, mit einer grauſam triumphirenden Mi- ne, (leichtfertig bewegte ſie ihre Hand) Gehorſam ohne einzige Widerrede wird von euch verlangt, Claͤrgen! Mein Vater iſt mit recht boͤſe auf euch, daß ihr euch herausnehmet, ſeinem Willen zu wi- derſprechen, und ihm Bedingungen vorzulegen. Er weiß euer Beſtes: und weil ihr ſelbſt geſte- het, A 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/17
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/17>, abgerufen am 24.04.2024.