durch die Hand eines rechtschaffenen Mannes ge- fallen bin.
Mein Herr, sagte der Obrist, so gottselig als ein Beichtvater; indem er dem Herrn Lovelace die Hand drückte; ergreiffen sie diese wenige und flüchtige Augenblicke und befehlen sich Gott.
Und so ritte er weg.
Der Wagen ging langsam mit meinem Ca- vallier fort: dennoch machte die Bewegung, daß seine Wunden beyde wieder zu bluten anfingen; und sie hatten Mühe, das Blut wieder zu stillen.
Wir brachten ihn lebendig zu der ersten Hüt- te: und er befahl mir, das Packet, welches ich hierbey sende, an Sie abzuschicken, Jhnen die Umstände von dieser unglücklichen Sache zu schrei- ben und in seinem Namen für alle ihre Gewo- genheit und Freundschaft gegen ihn Dank zu sagen.
Wider alles Vermuthen überlebte er noch die Nacht: stand aber so wohl von seiner Unge- dult und seinem Misvergnügen, daß ihm seine Hoffnung fehlgeschlagen war, als von seinen Wunden vieles aus; denn er schien sehr ungern zu sterben.
Er rasete bisweilen in den beyden letzten Stunden; und in der Raserey rief er zu verschie- denen malen: Nehmet sie weg! Nehmet sie weg! nannte aber niemand. Bisweilen erhob er eine Fräulein; die Clarissa, vermuthe ich, welche er anredete, als er seine tödtliche Wunde bekam; und nannte sie: Angenehmes Muster der Voll-
kom-
durch die Hand eines rechtſchaffenen Mannes ge- fallen bin.
Mein Herr, ſagte der Obriſt, ſo gottſelig als ein Beichtvater; indem er dem Herrn Lovelace die Hand druͤckte; ergreiffen ſie dieſe wenige und fluͤchtige Augenblicke und befehlen ſich Gott.
Und ſo ritte er weg.
Der Wagen ging langſam mit meinem Ca- vallier fort: dennoch machte die Bewegung, daß ſeine Wunden beyde wieder zu bluten anfingen; und ſie hatten Muͤhe, das Blut wieder zu ſtillen.
Wir brachten ihn lebendig zu der erſten Huͤt- te: und er befahl mir, das Packet, welches ich hierbey ſende, an Sie abzuſchicken, Jhnen die Umſtaͤnde von dieſer ungluͤcklichen Sache zu ſchrei- ben und in ſeinem Namen fuͤr alle ihre Gewo- genheit und Freundſchaft gegen ihn Dank zu ſagen.
Wider alles Vermuthen uͤberlebte er noch die Nacht: ſtand aber ſo wohl von ſeiner Unge- dult und ſeinem Misvergnuͤgen, daß ihm ſeine Hoffnung fehlgeſchlagen war, als von ſeinen Wunden vieles aus; denn er ſchien ſehr ungern zu ſterben.
Er raſete bisweilen in den beyden letzten Stunden; und in der Raſerey rief er zu verſchie- denen malen: Nehmet ſie weg! Nehmet ſie weg! nannte aber niemand. Bisweilen erhob er eine Fraͤulein; die Clariſſa, vermuthe ich, welche er anredete, als er ſeine toͤdtliche Wunde bekam; und nannte ſie: Angenehmes Muſter der Voll-
kom-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0880"n="874"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
durch die Hand eines rechtſchaffenen Mannes ge-<lb/>
fallen bin.</p><lb/><p>Mein Herr, ſagte der Obriſt, ſo gottſelig als<lb/>
ein Beichtvater; indem er dem Herrn Lovelace<lb/>
die Hand druͤckte; ergreiffen ſie dieſe wenige und<lb/>
fluͤchtige Augenblicke und befehlen ſich Gott.</p><lb/><p>Und ſo ritte er weg.</p><lb/><p>Der Wagen ging langſam mit meinem Ca-<lb/>
vallier fort: dennoch machte die Bewegung, daß<lb/>ſeine Wunden beyde wieder zu bluten anfingen;<lb/>
und ſie hatten Muͤhe, das Blut wieder zu ſtillen.</p><lb/><p>Wir brachten ihn lebendig zu der erſten Huͤt-<lb/>
te: und er befahl mir, das Packet, welches ich<lb/>
hierbey ſende, an Sie abzuſchicken, Jhnen die<lb/>
Umſtaͤnde von dieſer ungluͤcklichen Sache zu ſchrei-<lb/>
ben und in ſeinem Namen fuͤr alle ihre Gewo-<lb/>
genheit und Freundſchaft gegen ihn Dank zu<lb/>ſagen.</p><lb/><p>Wider alles Vermuthen uͤberlebte er noch<lb/>
die Nacht: ſtand aber ſo wohl von ſeiner Unge-<lb/>
dult und ſeinem Misvergnuͤgen, daß ihm ſeine<lb/>
Hoffnung fehlgeſchlagen war, als von ſeinen<lb/>
Wunden vieles aus; denn er ſchien ſehr ungern<lb/>
zu ſterben.</p><lb/><p>Er raſete bisweilen in den beyden letzten<lb/>
Stunden; und in der Raſerey rief er zu verſchie-<lb/>
denen malen: Nehmet ſie weg! Nehmet ſie weg!<lb/>
nannte aber niemand. Bisweilen erhob er eine<lb/>
Fraͤulein; die Clariſſa, vermuthe ich, welche er<lb/>
anredete, als er ſeine toͤdtliche Wunde bekam;<lb/>
und nannte ſie: Angenehmes Muſter der Voll-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kom-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[874/0880]
durch die Hand eines rechtſchaffenen Mannes ge-
fallen bin.
Mein Herr, ſagte der Obriſt, ſo gottſelig als
ein Beichtvater; indem er dem Herrn Lovelace
die Hand druͤckte; ergreiffen ſie dieſe wenige und
fluͤchtige Augenblicke und befehlen ſich Gott.
Und ſo ritte er weg.
Der Wagen ging langſam mit meinem Ca-
vallier fort: dennoch machte die Bewegung, daß
ſeine Wunden beyde wieder zu bluten anfingen;
und ſie hatten Muͤhe, das Blut wieder zu ſtillen.
Wir brachten ihn lebendig zu der erſten Huͤt-
te: und er befahl mir, das Packet, welches ich
hierbey ſende, an Sie abzuſchicken, Jhnen die
Umſtaͤnde von dieſer ungluͤcklichen Sache zu ſchrei-
ben und in ſeinem Namen fuͤr alle ihre Gewo-
genheit und Freundſchaft gegen ihn Dank zu
ſagen.
Wider alles Vermuthen uͤberlebte er noch
die Nacht: ſtand aber ſo wohl von ſeiner Unge-
dult und ſeinem Misvergnuͤgen, daß ihm ſeine
Hoffnung fehlgeſchlagen war, als von ſeinen
Wunden vieles aus; denn er ſchien ſehr ungern
zu ſterben.
Er raſete bisweilen in den beyden letzten
Stunden; und in der Raſerey rief er zu verſchie-
denen malen: Nehmet ſie weg! Nehmet ſie weg!
nannte aber niemand. Bisweilen erhob er eine
Fraͤulein; die Clariſſa, vermuthe ich, welche er
anredete, als er ſeine toͤdtliche Wunde bekam;
und nannte ſie: Angenehmes Muſter der Voll-
kom-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 874. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/880>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.