williger zu hören als zu reden: und daher kam sonder Zweifel kein geringer Theil ihres Wachs- thums.
Sie sind begierig, die besondere Eintheilung ihrer Zeit zu wissen, und vermuthen, daß Jhnen dieses helfen werde, etwas, worüber sie nach ih- rem Geständnisse bestürzt sind, zu erklären: näm- lich, wie ein so junges Frauenzimmer so viele Ei- genschaften erlangen konnte.
Jch will zum voraus erinnern, daß sie von Jugend auf durch ein vortreffliches, und, wie ich wohl sagen mag, ein gelehrtes Frauenzimmer, durch die Fr. Norton, deren Sorgfalt, Weisheit und Exempel sie den Grund zu ihrem Geschmack und erlangten guten Eigenschaften zu danken hat- te, frühe aufzustehen gewohnt worden. Da aber der Grund, den die Fr. Norton in ihr gelegt, so große natürliche Gaben bey ihr fand: so war es um so viel weniger zu verwundern, daß sie es den meisten von ihrem Alter und Geschlechte zuvor- that.
Sie pflegte zu sagen. "Es wäre unglaublich "zu gedenken, was durch Früheaufstehen und "durch lange und zugleich wohl angewandte Tage "auszurichten stünde.
Man kann hinzusetzen, daß, wenn man, nach der gewöhnlichen Weise nur allzu vieler Leute, die Rechnung machte, sie wirklich in ihrem Alter von sechszehn Jahren länger gelebt hatte, als jene in einem Alter von sechs und zwanzig Jahren.
"Nie-
williger zu hoͤren als zu reden: und daher kam ſonder Zweifel kein geringer Theil ihres Wachs- thums.
Sie ſind begierig, die beſondere Eintheilung ihrer Zeit zu wiſſen, und vermuthen, daß Jhnen dieſes helfen werde, etwas, woruͤber ſie nach ih- rem Geſtaͤndniſſe beſtuͤrzt ſind, zu erklaͤren: naͤm- lich, wie ein ſo junges Frauenzimmer ſo viele Ei- genſchaften erlangen konnte.
Jch will zum voraus erinnern, daß ſie von Jugend auf durch ein vortreffliches, und, wie ich wohl ſagen mag, ein gelehrtes Frauenzimmer, durch die Fr. Norton, deren Sorgfalt, Weisheit und Exempel ſie den Grund zu ihrem Geſchmack und erlangten guten Eigenſchaften zu danken hat- te, fruͤhe aufzuſtehen gewohnt worden. Da aber der Grund, den die Fr. Norton in ihr gelegt, ſo große natuͤrliche Gaben bey ihr fand: ſo war es um ſo viel weniger zu verwundern, daß ſie es den meiſten von ihrem Alter und Geſchlechte zuvor- that.
Sie pflegte zu ſagen. „Es waͤre unglaublich „zu gedenken, was durch Fruͤheaufſtehen und „durch lange und zugleich wohl angewandte Tage „auszurichten ſtuͤnde.
Man kann hinzuſetzen, daß, wenn man, nach der gewoͤhnlichen Weiſe nur allzu vieler Leute, die Rechnung machte, ſie wirklich in ihrem Alter von ſechszehn Jahren laͤnger gelebt hatte, als jene in einem Alter von ſechs und zwanzig Jahren.
„Nie-
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ſonder Zweifel kein geringer Theil ihres Wachs-
thums.
Sie ſind begierig, die beſondere Eintheilung
ihrer Zeit zu wiſſen, und vermuthen, daß Jhnen
dieſes helfen werde, etwas, woruͤber ſie nach ih-
rem Geſtaͤndniſſe beſtuͤrzt ſind, zu erklaͤren: naͤm-
lich, wie ein ſo junges Frauenzimmer ſo viele Ei-
genſchaften erlangen konnte.
Jch will zum voraus erinnern, daß ſie von
Jugend auf durch ein vortreffliches, und, wie ich
wohl ſagen mag, ein gelehrtes Frauenzimmer,
durch die Fr. Norton, deren Sorgfalt, Weisheit
und Exempel ſie den Grund zu ihrem Geſchmack
und erlangten guten Eigenſchaften zu danken hat-
te, fruͤhe aufzuſtehen gewohnt worden. Da aber
der Grund, den die Fr. Norton in ihr gelegt, ſo
große natuͤrliche Gaben bey ihr fand: ſo war es
um ſo viel weniger zu verwundern, daß ſie es den
meiſten von ihrem Alter und Geſchlechte zuvor-
that.
Sie pflegte zu ſagen. „Es waͤre unglaublich
„zu gedenken, was durch Fruͤheaufſtehen und
„durch lange und zugleich wohl angewandte Tage
„auszurichten ſtuͤnde.
Man kann hinzuſetzen, daß, wenn man, nach
der gewoͤhnlichen Weiſe nur allzu vieler Leute,
die Rechnung machte, ſie wirklich in ihrem Alter
von ſechszehn Jahren laͤnger gelebt hatte, als
jene in einem Alter von ſechs und zwanzig
Jahren.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 816. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/822>, abgerufen am 25.11.2024.
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