Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



gen mir ein wenig Schrecken ein, wenn ich daran
gedenke; und das geschieht beständig: denn die
ganze Familie lautet mir das ohne Aushören vor
und beweiset sich weit sorgfältiger, mich aus dem
Königreich zu schaffen, als ich wohl erklären
kann

Allein willst du oft schreiben, wenn ich weg
bin? Willst du alsdenn da, wo du abgebrochen
hast, in deiner Erzählung fortfahren? Willst du
mir genau die Umstände von dem Herzeleid de-
rerjenigen melden, die meine Gehülfen gewesen
sind, den Zufall, der mich kränket, zu beförden?
- - Ja vielmehr die Hauptpersonen. Denn
was habe ich gethan, sage, was du willst, das
werth gewesen wäre, daß sich ein Frauenzimmer
darüber das Herz abgenaget hätte?

Bey meiner Treue, Bruder, mir ist sehr hart
begegnet worden, wie ich oft gesagt habe: - -
Da man mir so verflucht böse Namen gegeben;
da man mit Fingern auf mich gewiesen; da man
über mich ausgeschrieen; da man von mir weg-
gelaufen, als man von einem tollen Hunde thun
würde; da alle meine eigne Freunde bereit gewe-
sen, mir zu entsagen.

Dennoch glaube ich, daß ich es alles verdie-
ne. Denn bin ich nicht eben so bereit gewesen,
mich selbst aufzugeben, als andre sind, mich zu
verdammen?

Was für ein Unsinn, was für eine Thorheit
ist dieß! - - Wer will sich eines Menschen an-
nehmen, der sich selbst verdammet? - - Wer

kann



gen mir ein wenig Schrecken ein, wenn ich daran
gedenke; und das geſchieht beſtaͤndig: denn die
ganze Familie lautet mir das ohne Auſhoͤren vor
und beweiſet ſich weit ſorgfaͤltiger, mich aus dem
Koͤnigreich zu ſchaffen, als ich wohl erklaͤren
kann

Allein willſt du oft ſchreiben, wenn ich weg
bin? Willſt du alsdenn da, wo du abgebrochen
haſt, in deiner Erzaͤhlung fortfahren? Willſt du
mir genau die Umſtaͤnde von dem Herzeleid de-
rerjenigen melden, die meine Gehuͤlfen geweſen
ſind, den Zufall, der mich kraͤnket, zu befoͤrden?
‒ ‒ Ja vielmehr die Hauptperſonen. Denn
was habe ich gethan, ſage, was du willſt, das
werth geweſen waͤre, daß ſich ein Frauenzimmer
daruͤber das Herz abgenaget haͤtte?

Bey meiner Treue, Bruder, mir iſt ſehr hart
begegnet worden, wie ich oft geſagt habe: ‒ ‒
Da man mir ſo verflucht boͤſe Namen gegeben;
da man mit Fingern auf mich gewieſen; da man
uͤber mich ausgeſchrieen; da man von mir weg-
gelaufen, als man von einem tollen Hunde thun
wuͤrde; da alle meine eigne Freunde bereit gewe-
ſen, mir zu entſagen.

Dennoch glaube ich, daß ich es alles verdie-
ne. Denn bin ich nicht eben ſo bereit geweſen,
mich ſelbſt aufzugeben, als andre ſind, mich zu
verdammen?

Was fuͤr ein Unſinn, was fuͤr eine Thorheit
iſt dieß! ‒ ‒ Wer will ſich eines Menſchen an-
nehmen, der ſich ſelbſt verdammet? ‒ ‒ Wer

kann
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0716" n="710"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gen mir ein wenig Schrecken ein, wenn ich daran<lb/>
gedenke; und das ge&#x017F;chieht be&#x017F;ta&#x0364;ndig: denn die<lb/>
ganze Familie lautet mir das ohne Au&#x017F;ho&#x0364;ren vor<lb/>
und bewei&#x017F;et &#x017F;ich weit &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger, mich aus dem<lb/>
Ko&#x0364;nigreich zu &#x017F;chaffen, als ich wohl erkla&#x0364;ren<lb/>
kann</p><lb/>
          <p>Allein will&#x017F;t du oft &#x017F;chreiben, wenn ich weg<lb/>
bin? Will&#x017F;t du alsdenn da, wo du abgebrochen<lb/>
ha&#x017F;t, in deiner Erza&#x0364;hlung fortfahren? Will&#x017F;t du<lb/>
mir genau die Um&#x017F;ta&#x0364;nde von dem Herzeleid de-<lb/>
rerjenigen melden, die meine <hi rendition="#fr">Gehu&#x0364;lfen</hi> gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ind, den Zufall, der mich kra&#x0364;nket, zu befo&#x0364;rden?<lb/>
&#x2012; &#x2012; Ja vielmehr die <hi rendition="#fr">Hauptper&#x017F;onen.</hi> Denn<lb/>
was habe ich gethan, &#x017F;age, was du will&#x017F;t, das<lb/>
werth gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, daß &#x017F;ich ein Frauenzimmer<lb/>
daru&#x0364;ber das Herz abgenaget ha&#x0364;tte?</p><lb/>
          <p>Bey meiner Treue, Bruder, mir i&#x017F;t &#x017F;ehr hart<lb/>
begegnet worden, wie ich oft ge&#x017F;agt habe: &#x2012; &#x2012;<lb/>
Da man mir &#x017F;o verflucht bo&#x0364;&#x017F;e Namen gegeben;<lb/>
da man mit Fingern auf mich gewie&#x017F;en; da man<lb/>
u&#x0364;ber mich ausge&#x017F;chrieen; da man von mir weg-<lb/>
gelaufen, als man von einem tollen Hunde thun<lb/>
wu&#x0364;rde; da alle meine eigne Freunde bereit gewe-<lb/>
&#x017F;en, mir zu ent&#x017F;agen.</p><lb/>
          <p>Dennoch glaube ich, daß ich es alles verdie-<lb/>
ne. Denn bin ich nicht eben &#x017F;o bereit gewe&#x017F;en,<lb/>
mich &#x017F;elb&#x017F;t aufzugeben, als andre &#x017F;ind, mich zu<lb/>
verdammen?</p><lb/>
          <p>Was fu&#x0364;r ein Un&#x017F;inn, was fu&#x0364;r eine Thorheit<lb/>
i&#x017F;t dieß! &#x2012; &#x2012; Wer will &#x017F;ich eines Men&#x017F;chen an-<lb/>
nehmen, der &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t verdammet? &#x2012; &#x2012; Wer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kann</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[710/0716] gen mir ein wenig Schrecken ein, wenn ich daran gedenke; und das geſchieht beſtaͤndig: denn die ganze Familie lautet mir das ohne Auſhoͤren vor und beweiſet ſich weit ſorgfaͤltiger, mich aus dem Koͤnigreich zu ſchaffen, als ich wohl erklaͤren kann Allein willſt du oft ſchreiben, wenn ich weg bin? Willſt du alsdenn da, wo du abgebrochen haſt, in deiner Erzaͤhlung fortfahren? Willſt du mir genau die Umſtaͤnde von dem Herzeleid de- rerjenigen melden, die meine Gehuͤlfen geweſen ſind, den Zufall, der mich kraͤnket, zu befoͤrden? ‒ ‒ Ja vielmehr die Hauptperſonen. Denn was habe ich gethan, ſage, was du willſt, das werth geweſen waͤre, daß ſich ein Frauenzimmer daruͤber das Herz abgenaget haͤtte? Bey meiner Treue, Bruder, mir iſt ſehr hart begegnet worden, wie ich oft geſagt habe: ‒ ‒ Da man mir ſo verflucht boͤſe Namen gegeben; da man mit Fingern auf mich gewieſen; da man uͤber mich ausgeſchrieen; da man von mir weg- gelaufen, als man von einem tollen Hunde thun wuͤrde; da alle meine eigne Freunde bereit gewe- ſen, mir zu entſagen. Dennoch glaube ich, daß ich es alles verdie- ne. Denn bin ich nicht eben ſo bereit geweſen, mich ſelbſt aufzugeben, als andre ſind, mich zu verdammen? Was fuͤr ein Unſinn, was fuͤr eine Thorheit iſt dieß! ‒ ‒ Wer will ſich eines Menſchen an- nehmen, der ſich ſelbſt verdammet? ‒ ‒ Wer kann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/716
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/716>, abgerufen am 17.05.2024.