"eingebrochen" - - "Erschrecklich ist mein Zu- "stand" - - Es ist lauter Gewissensangst und "Schrecken bey mir!" - - Tausend Geier nagen einer um den andern mein Herz!
Allein nicht mehr von diesen vergeblichen Be- trachtungen - - Weil ich nicht vermögend bin, etwas anders zu schreiben; weil meine Feder un- vermerkt auf diese finstere Vorstellung von sich selbst fallen wird; ich mag wollen, oder nicht: so will ich sie noch einmal von mir legen, und sie auch nicht eher wiedernehmen, als bis ich mehr ihr und mein eigner Herr seyn kann.
Alles, was ich eigentlich schreiben wollte, ist inzwischen noch nicht mit dem geringsten Worte berühret. Jch wollte nur mit wenigen meinen Wunsch äußern, daß ihr, wie gewöhnlich, mit eu- ren Nachrichten fortfahren möchtet! - - Und warum solltet ihr es nicht thun? - - Da ich mit ihrem allezeit beklagenswürdigen Tode alles weiß, was widrig und kummervoll ist. - - Melde mir also alles, was du weißt und ich nicht weiß: Wie ihre Verwandten, ihre grausame Verwandten sich dabey bezeigen; und ob nun der zackichte Pfeil von einer Ueberlegung, die hinten nach kommt, in ihre Herzen nicht eben so, wie in das meinige, bis auf die äußersten Widerhacken gedrungen sey.
Jch will bald dieß Königreich verlassen. Denn da nun meine Clarissa nicht mehr vorhanden ist:
was
„eingebrochen“ ‒ ‒ „Erſchrecklich iſt mein Zu- „ſtand“ ‒ ‒ Es iſt lauter Gewiſſensangſt und „Schrecken bey mir!“ ‒ ‒ Tauſend Geier nagen einer um den andern mein Herz!
Allein nicht mehr von dieſen vergeblichen Be- trachtungen ‒ ‒ Weil ich nicht vermoͤgend bin, etwas anders zu ſchreiben; weil meine Feder un- vermerkt auf dieſe finſtere Vorſtellung von ſich ſelbſt fallen wird; ich mag wollen, oder nicht: ſo will ich ſie noch einmal von mir legen, und ſie auch nicht eher wiedernehmen, als bis ich mehr ihr und mein eigner Herr ſeyn kann.
Alles, was ich eigentlich ſchreiben wollte, iſt inzwiſchen noch nicht mit dem geringſten Worte beruͤhret. Jch wollte nur mit wenigen meinen Wunſch aͤußern, daß ihr, wie gewoͤhnlich, mit eu- ren Nachrichten fortfahren moͤchtet! ‒ ‒ Und warum ſolltet ihr es nicht thun? ‒ ‒ Da ich mit ihrem allezeit beklagenswuͤrdigen Tode alles weiß, was widrig und kummervoll iſt. ‒ ‒ Melde mir alſo alles, was du weißt und ich nicht weiß: Wie ihre Verwandten, ihre grauſame Verwandten ſich dabey bezeigen; und ob nun der zackichte Pfeil von einer Ueberlegung, die hinten nach kommt, in ihre Herzen nicht eben ſo, wie in das meinige, bis auf die aͤußerſten Widerhacken gedrungen ſey.
Jch will bald dieß Koͤnigreich verlaſſen. Denn da nun meine Clariſſa nicht mehr vorhanden iſt:
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„ſtand“ ‒ ‒ Es iſt lauter Gewiſſensangſt und
„Schrecken bey mir!“ ‒ ‒ Tauſend Geier nagen
einer um den andern mein Herz!
Allein nicht mehr von dieſen vergeblichen Be-
trachtungen ‒ ‒ Weil ich nicht vermoͤgend bin,
etwas anders zu ſchreiben; weil meine Feder un-
vermerkt auf dieſe finſtere Vorſtellung von ſich
ſelbſt fallen wird; ich mag wollen, oder nicht: ſo
will ich ſie noch einmal von mir legen, und ſie
auch nicht eher wiedernehmen, als bis ich mehr
ihr und mein eigner Herr ſeyn kann.
Alles, was ich eigentlich ſchreiben wollte, iſt
inzwiſchen noch nicht mit dem geringſten Worte
beruͤhret. Jch wollte nur mit wenigen meinen
Wunſch aͤußern, daß ihr, wie gewoͤhnlich, mit eu-
ren Nachrichten fortfahren moͤchtet! ‒ ‒ Und
warum ſolltet ihr es nicht thun? ‒ ‒ Da ich mit
ihrem allezeit beklagenswuͤrdigen Tode alles weiß,
was widrig und kummervoll iſt. ‒ ‒ Melde mir
alſo alles, was du weißt und ich nicht weiß: Wie
ihre Verwandten, ihre grauſame Verwandten ſich
dabey bezeigen; und ob nun der zackichte Pfeil
von einer Ueberlegung, die hinten nach kommt,
in ihre Herzen nicht eben ſo, wie in das meinige,
bis auf die aͤußerſten Widerhacken gedrungen ſey.
Jch will bald dieß Koͤnigreich verlaſſen. Denn
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/690>, abgerufen am 23.11.2024.
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