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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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Himmlisch erhabenes Gemüth! - - Jn was
für einer Verfassung mußtest du seyn, daß du im
Stande warest, bey Erwähnung dieser wichtigen
Beraubungen die Worte Nur und Bloß zu
gebrauchen! - - Da dieß geschehen, ehe du noch
die Sterblichkeit ablegtest: mag ich denn nicht
vermuthen, daß du itzo

- - - mit mitleidsvollem Auge
Wodurch du nunmehr nichts der Geligkeit ent-
ziehst,
Mit Wünschen für mein Heil, den Himmel über-
siehst?

"Meinen Wandel soll ich bedenken" - - Wer-
thes Leben meines Lebens! Was nützt mir nun
das Bedenken, da ich die theure Person verlohren
habe, um deretwillen es sich allein der Mühe ver-
lohnte, Betrachtungen anzustellen? - - Unwie-
derruflich verlohren - - Da sie von dem begie-
rigen Grabe verschlungen ist - - Auf ewig
verlohren - - Das ist es, was durch die Seele
gehet - - Unvergleichliches Frauenzimmer! das
einzige in der Art! - - Wie kränket mich diese
Vorstellung!

"Jhr schmeichlerischer Traum kann nicht lan-
"ge währen" - - Göttliche Prophetinn! Mein
schmeichlerischer Traum ist schon itzo vorbey.
"Des Nachsinnens und Ueberlegens kann ich mich
"nicht länger erwehren" - - Nicht länger mehr
dauret "die verstockte Unempfindlichkeit," die du
mir vorwirfst - - "Gewissensangst ist bey mir

"ein-


Himmliſch erhabenes Gemuͤth! ‒ ‒ Jn was
fuͤr einer Verfaſſung mußteſt du ſeyn, daß du im
Stande wareſt, bey Erwaͤhnung dieſer wichtigen
Beraubungen die Worte Nur und Bloß zu
gebrauchen! ‒ ‒ Da dieß geſchehen, ehe du noch
die Sterblichkeit ablegteſt: mag ich denn nicht
vermuthen, daß du itzo

‒ ‒ ‒ mit mitleidsvollem Auge
Wodurch du nunmehr nichts der Geligkeit ent-
ziehſt,
Mit Wuͤnſchen fuͤr mein Heil, den Himmel uͤber-
ſiehſt?

„Meinen Wandel ſoll ich bedenken“ ‒ ‒ Wer-
thes Leben meines Lebens! Was nuͤtzt mir nun
das Bedenken, da ich die theure Perſon verlohren
habe, um deretwillen es ſich allein der Muͤhe ver-
lohnte, Betrachtungen anzuſtellen? ‒ ‒ Unwie-
derruflich verlohren ‒ ‒ Da ſie von dem begie-
rigen Grabe verſchlungen iſt ‒ ‒ Auf ewig
verlohren ‒ ‒ Das iſt es, was durch die Seele
gehet ‒ ‒ Unvergleichliches Frauenzimmer! das
einzige in der Art! ‒ ‒ Wie kraͤnket mich dieſe
Vorſtellung!

„Jhr ſchmeichleriſcher Traum kann nicht lan-
„ge waͤhren“ ‒ ‒ Goͤttliche Prophetinn! Mein
ſchmeichleriſcher Traum iſt ſchon itzo vorbey.
„Des Nachſinnens und Ueberlegens kann ich mich
„nicht laͤnger erwehren“ ‒ ‒ Nicht laͤnger mehr
dauret „die verſtockte Unempfindlichkeit,“ die du
mir vorwirfſt ‒ ‒ „Gewiſſensangſt iſt bey mir

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[683/0689] Himmliſch erhabenes Gemuͤth! ‒ ‒ Jn was fuͤr einer Verfaſſung mußteſt du ſeyn, daß du im Stande wareſt, bey Erwaͤhnung dieſer wichtigen Beraubungen die Worte Nur und Bloß zu gebrauchen! ‒ ‒ Da dieß geſchehen, ehe du noch die Sterblichkeit ablegteſt: mag ich denn nicht vermuthen, daß du itzo ‒ ‒ ‒ mit mitleidsvollem Auge Wodurch du nunmehr nichts der Geligkeit ent- ziehſt, Mit Wuͤnſchen fuͤr mein Heil, den Himmel uͤber- ſiehſt? „Meinen Wandel ſoll ich bedenken“ ‒ ‒ Wer- thes Leben meines Lebens! Was nuͤtzt mir nun das Bedenken, da ich die theure Perſon verlohren habe, um deretwillen es ſich allein der Muͤhe ver- lohnte, Betrachtungen anzuſtellen? ‒ ‒ Unwie- derruflich verlohren ‒ ‒ Da ſie von dem begie- rigen Grabe verſchlungen iſt ‒ ‒ Auf ewig verlohren ‒ ‒ Das iſt es, was durch die Seele gehet ‒ ‒ Unvergleichliches Frauenzimmer! das einzige in der Art! ‒ ‒ Wie kraͤnket mich dieſe Vorſtellung! „Jhr ſchmeichleriſcher Traum kann nicht lan- „ge waͤhren“ ‒ ‒ Goͤttliche Prophetinn! Mein ſchmeichleriſcher Traum iſt ſchon itzo vorbey. „Des Nachſinnens und Ueberlegens kann ich mich „nicht laͤnger erwehren“ ‒ ‒ Nicht laͤnger mehr dauret „die verſtockte Unempfindlichkeit,“ die du mir vorwirfſt ‒ ‒ „Gewiſſensangſt iſt bey mir „ein-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/689>, abgerufen am 13.06.2024.