Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



geben; den mir die Schande macht, welche ich
meinem Geschlechte zugezogen; und den mir die
Beleidigung macht, welche ich durch meinen Fall
der Tugend zuwege gebracht habe.

Was mich selbst betrifft: so haben Sie mich
nur meiner liebsten Hoffnung in dem vorüberge-
henden Leben, das ich werde aufgegeben haben,
wenn Sie dieses empfangen, beraubet. Sie
sind bloß die Ursache gewesen, daß ich in der Blü-
te meiner Jugend hingerissen bin, und ein Leben
abgekürzet ist, das vielleicht mir oder andern hät-
te angenehm seyn können, wie es den Absichten
und Zwecken der Vorsehung gemäß gewesen wä-
re. Jch habe Ursache, dankbar zu seyn, daß ich
vor dem Unglück weggenommen bin, mein Theil
an einem Joche mit einem so unglückseligen
Manne, will ich nur sagen, zu ziehen, daß, nach
aller Wahrscheinlichkeit, eine jede Stunde, die ich
mit ihm gelebt hätte, eine neue Unruhe mit sich
gebracht haben möchte. Ja ich bin in der That
durch hartes Leiden und Trübsal eine Schuldne-
rinn von Jhnen; jedoch nur in so fern Sie, wie
ich mich in Demuth zu hoffen unterstehe, bloß
eine Nebenursache sind; für so viele Jahre der
Herrlichkeit, als Jahre der Gefahr, Versuchung
und Angst geworden seyn möchten, wenn sie mei-
nem sterblichen Leben zugesetzet wären.

So, mein Herr, haben Sie mir, ob gleich
Jhre Absicht und Gesinnung keinen Dank
verdienet, einen wirklichen Dienst gethan: und
ich wünsche Jhnen dafür wieder, daß Sie glück-

lich



geben; den mir die Schande macht, welche ich
meinem Geſchlechte zugezogen; und den mir die
Beleidigung macht, welche ich durch meinen Fall
der Tugend zuwege gebracht habe.

Was mich ſelbſt betrifft: ſo haben Sie mich
nur meiner liebſten Hoffnung in dem voruͤberge-
henden Leben, das ich werde aufgegeben haben,
wenn Sie dieſes empfangen, beraubet. Sie
ſind bloß die Urſache geweſen, daß ich in der Bluͤ-
te meiner Jugend hingeriſſen bin, und ein Leben
abgekuͤrzet iſt, das vielleicht mir oder andern haͤt-
te angenehm ſeyn koͤnnen, wie es den Abſichten
und Zwecken der Vorſehung gemaͤß geweſen waͤ-
re. Jch habe Urſache, dankbar zu ſeyn, daß ich
vor dem Ungluͤck weggenommen bin, mein Theil
an einem Joche mit einem ſo ungluͤckſeligen
Manne, will ich nur ſagen, zu ziehen, daß, nach
aller Wahrſcheinlichkeit, eine jede Stunde, die ich
mit ihm gelebt haͤtte, eine neue Unruhe mit ſich
gebracht haben moͤchte. Ja ich bin in der That
durch hartes Leiden und Truͤbſal eine Schuldne-
rinn von Jhnen; jedoch nur in ſo fern Sie, wie
ich mich in Demuth zu hoffen unterſtehe, bloß
eine Nebenurſache ſind; fuͤr ſo viele Jahre der
Herrlichkeit, als Jahre der Gefahr, Verſuchung
und Angſt geworden ſeyn moͤchten, wenn ſie mei-
nem ſterblichen Leben zugeſetzet waͤren.

So, mein Herr, haben Sie mir, ob gleich
Jhre Abſicht und Geſinnung keinen Dank
verdienet, einen wirklichen Dienſt gethan: und
ich wuͤnſche Jhnen dafuͤr wieder, daß Sie gluͤck-

lich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0680" n="674"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
geben; den mir die Schande macht, welche ich<lb/>
meinem Ge&#x017F;chlechte zugezogen; und den mir die<lb/>
Beleidigung macht, welche ich durch meinen Fall<lb/>
der Tugend zuwege gebracht habe.</p><lb/>
            <p>Was mich &#x017F;elb&#x017F;t betrifft: &#x017F;o haben Sie mich<lb/>
nur meiner lieb&#x017F;ten Hoffnung in dem voru&#x0364;berge-<lb/>
henden Leben, das ich werde aufgegeben haben,<lb/>
wenn Sie die&#x017F;es empfangen, beraubet. Sie<lb/>
&#x017F;ind bloß die Ur&#x017F;ache gewe&#x017F;en, daß ich in der Blu&#x0364;-<lb/>
te meiner Jugend hingeri&#x017F;&#x017F;en bin, und ein Leben<lb/>
abgeku&#x0364;rzet i&#x017F;t, das vielleicht mir oder andern ha&#x0364;t-<lb/>
te angenehm &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, wie es den Ab&#x017F;ichten<lb/>
und Zwecken der Vor&#x017F;ehung gema&#x0364;ß gewe&#x017F;en wa&#x0364;-<lb/>
re. Jch habe Ur&#x017F;ache, dankbar zu &#x017F;eyn, daß ich<lb/>
vor dem Unglu&#x0364;ck weggenommen bin, mein Theil<lb/>
an einem Joche mit einem &#x017F;o <hi rendition="#fr">unglu&#x0364;ck&#x017F;eligen</hi><lb/>
Manne, will ich nur &#x017F;agen, zu ziehen, daß, nach<lb/>
aller Wahr&#x017F;cheinlichkeit, eine jede Stunde, die ich<lb/>
mit ihm gelebt ha&#x0364;tte, eine neue Unruhe mit &#x017F;ich<lb/>
gebracht haben mo&#x0364;chte. Ja ich bin in der That<lb/>
durch hartes Leiden und Tru&#x0364;b&#x017F;al eine Schuldne-<lb/>
rinn von Jhnen; jedoch nur in &#x017F;o fern Sie, wie<lb/>
ich mich in Demuth zu hoffen unter&#x017F;tehe, bloß<lb/>
eine <hi rendition="#fr">Nebenur&#x017F;ache</hi> &#x017F;ind; fu&#x0364;r &#x017F;o viele Jahre der<lb/>
Herrlichkeit, als Jahre der Gefahr, Ver&#x017F;uchung<lb/>
und Ang&#x017F;t geworden &#x017F;eyn mo&#x0364;chten, wenn &#x017F;ie mei-<lb/>
nem &#x017F;terblichen Leben zuge&#x017F;etzet wa&#x0364;ren.</p><lb/>
            <p>So, mein Herr, haben Sie mir, ob gleich<lb/>
Jhre <hi rendition="#fr">Ab&#x017F;icht</hi> und <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;innung</hi> keinen Dank<lb/>
verdienet, einen <hi rendition="#fr">wirklichen Dien&#x017F;t</hi> gethan: und<lb/>
ich wu&#x0364;n&#x017F;che Jhnen dafu&#x0364;r wieder, daß Sie glu&#x0364;ck-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[674/0680] geben; den mir die Schande macht, welche ich meinem Geſchlechte zugezogen; und den mir die Beleidigung macht, welche ich durch meinen Fall der Tugend zuwege gebracht habe. Was mich ſelbſt betrifft: ſo haben Sie mich nur meiner liebſten Hoffnung in dem voruͤberge- henden Leben, das ich werde aufgegeben haben, wenn Sie dieſes empfangen, beraubet. Sie ſind bloß die Urſache geweſen, daß ich in der Bluͤ- te meiner Jugend hingeriſſen bin, und ein Leben abgekuͤrzet iſt, das vielleicht mir oder andern haͤt- te angenehm ſeyn koͤnnen, wie es den Abſichten und Zwecken der Vorſehung gemaͤß geweſen waͤ- re. Jch habe Urſache, dankbar zu ſeyn, daß ich vor dem Ungluͤck weggenommen bin, mein Theil an einem Joche mit einem ſo ungluͤckſeligen Manne, will ich nur ſagen, zu ziehen, daß, nach aller Wahrſcheinlichkeit, eine jede Stunde, die ich mit ihm gelebt haͤtte, eine neue Unruhe mit ſich gebracht haben moͤchte. Ja ich bin in der That durch hartes Leiden und Truͤbſal eine Schuldne- rinn von Jhnen; jedoch nur in ſo fern Sie, wie ich mich in Demuth zu hoffen unterſtehe, bloß eine Nebenurſache ſind; fuͤr ſo viele Jahre der Herrlichkeit, als Jahre der Gefahr, Verſuchung und Angſt geworden ſeyn moͤchten, wenn ſie mei- nem ſterblichen Leben zugeſetzet waͤren. So, mein Herr, haben Sie mir, ob gleich Jhre Abſicht und Geſinnung keinen Dank verdienet, einen wirklichen Dienſt gethan: und ich wuͤnſche Jhnen dafuͤr wieder, daß Sie gluͤck- lich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/680
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/680>, abgerufen am 22.11.2024.