hätte (*); wobey sie die Fräulein Arabella ansa- he, welche sie, wie es scheint, ohne eines andern Wissen um Rath gefragt, ehe sie geschrieben; nicht vergeben könnte: indem derselbe, wie sie sag- te, ein Gemüth, das schon vorher, so viel sie itzo sähe, nur allzu tief verwundet gewesen, noch tiefer verwundet haben müßte.
O meine liebe Tante, sprach Arabella, nicht mehr davon! - - Wer hätte denken sollen, daß die liebe Schwester in einem so reuevollen Zustan- de gewesen wäre?
Herr Johann und Herr Anton Harlowe wur- den durch die Artikel, welche ihnen vortheilhaft waren, und ohne das geringste Wort oder Zeichen eines Vorwurfs und Gegenverweises Vermächt- nisse für sie bestimmeten, so sehr gerühret, daß sie anfingen, sich selbst anzuklagen, und bedaurten, daß ihre angenehme Base zu weit erhoben wäre, irgend eine dankbare Erkenntlichkeit und einige Wiedervergeltungen anzunehmen.
Jn der That unterbrachen mich die Vorwür- fe, die man sich unter einander machte, und die Betrübniß aller Gegenwärtigen bey denen Stel- len, wo eines jeden zum besten gedacht war, so oft, daß die Vorlesung über sechs Stunden weg- nahm. Die Flüche über den verfluchten Men- schen aber waren eine Zuflucht, zu der sie sich oft wandten, um sich zu erleichtern.
Wie schmerzlich, Herr Belford, wie schmerz- lich verwundet eine edelmüthige und außerordent-
liche
(*) Man sehe den III. Th. S. 383.
T t 2
haͤtte (*); wobey ſie die Fraͤulein Arabella anſa- he, welche ſie, wie es ſcheint, ohne eines andern Wiſſen um Rath gefragt, ehe ſie geſchrieben; nicht vergeben koͤnnte: indem derſelbe, wie ſie ſag- te, ein Gemuͤth, das ſchon vorher, ſo viel ſie itzo ſaͤhe, nur allzu tief verwundet geweſen, noch tiefer verwundet haben muͤßte.
O meine liebe Tante, ſprach Arabella, nicht mehr davon! ‒ ‒ Wer haͤtte denken ſollen, daß die liebe Schweſter in einem ſo reuevollen Zuſtan- de geweſen waͤre?
Herr Johann und Herr Anton Harlowe wur- den durch die Artikel, welche ihnen vortheilhaft waren, und ohne das geringſte Wort oder Zeichen eines Vorwurfs und Gegenverweiſes Vermaͤcht- niſſe fuͤr ſie beſtimmeten, ſo ſehr geruͤhret, daß ſie anfingen, ſich ſelbſt anzuklagen, und bedaurten, daß ihre angenehme Baſe zu weit erhoben waͤre, irgend eine dankbare Erkenntlichkeit und einige Wiedervergeltungen anzunehmen.
Jn der That unterbrachen mich die Vorwuͤr- fe, die man ſich unter einander machte, und die Betruͤbniß aller Gegenwaͤrtigen bey denen Stel- len, wo eines jeden zum beſten gedacht war, ſo oft, daß die Vorleſung uͤber ſechs Stunden weg- nahm. Die Fluͤche uͤber den verfluchten Men- ſchen aber waren eine Zuflucht, zu der ſie ſich oft wandten, um ſich zu erleichtern.
Wie ſchmerzlich, Herr Belford, wie ſchmerz- lich verwundet eine edelmuͤthige und außerordent-
liche
(*) Man ſehe den III. Th. S. 383.
T t 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0665"n="659"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
haͤtte <noteplace="foot"n="(*)">Man ſehe den <hirendition="#aq">III.</hi> Th. S. 383.</note>; wobey ſie die Fraͤulein Arabella anſa-<lb/>
he, welche ſie, wie es ſcheint, ohne eines andern<lb/>
Wiſſen um Rath gefragt, ehe ſie geſchrieben;<lb/>
nicht vergeben koͤnnte: indem derſelbe, wie ſie ſag-<lb/>
te, ein Gemuͤth, das ſchon vorher, ſo viel ſie itzo<lb/>ſaͤhe, nur allzu tief verwundet geweſen, noch tiefer<lb/>
verwundet haben muͤßte.</p><lb/><p>O meine liebe Tante, ſprach Arabella, nicht<lb/>
mehr davon! ‒‒ Wer haͤtte denken ſollen, daß<lb/>
die liebe Schweſter in einem ſo reuevollen Zuſtan-<lb/>
de geweſen waͤre?</p><lb/><p>Herr Johann und Herr Anton Harlowe wur-<lb/>
den durch die Artikel, welche ihnen vortheilhaft<lb/>
waren, und ohne das geringſte Wort oder Zeichen<lb/>
eines Vorwurfs und Gegenverweiſes Vermaͤcht-<lb/>
niſſe fuͤr ſie beſtimmeten, ſo ſehr geruͤhret, daß ſie<lb/>
anfingen, ſich ſelbſt anzuklagen, und bedaurten,<lb/>
daß ihre angenehme Baſe zu weit erhoben waͤre,<lb/>
irgend eine dankbare Erkenntlichkeit und einige<lb/>
Wiedervergeltungen anzunehmen.</p><lb/><p>Jn der That unterbrachen mich die Vorwuͤr-<lb/>
fe, die man ſich unter einander machte, und die<lb/>
Betruͤbniß aller Gegenwaͤrtigen bey denen Stel-<lb/>
len, wo eines jeden zum beſten gedacht war, ſo<lb/>
oft, daß die Vorleſung uͤber ſechs Stunden weg-<lb/>
nahm. Die Fluͤche uͤber den verfluchten Men-<lb/>ſchen aber waren eine Zuflucht, zu der ſie ſich oft<lb/>
wandten, um ſich zu erleichtern.</p><lb/><p>Wie ſchmerzlich, Herr Belford, wie ſchmerz-<lb/>
lich verwundet eine edelmuͤthige und außerordent-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">T t 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">liche</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[659/0665]
haͤtte (*); wobey ſie die Fraͤulein Arabella anſa-
he, welche ſie, wie es ſcheint, ohne eines andern
Wiſſen um Rath gefragt, ehe ſie geſchrieben;
nicht vergeben koͤnnte: indem derſelbe, wie ſie ſag-
te, ein Gemuͤth, das ſchon vorher, ſo viel ſie itzo
ſaͤhe, nur allzu tief verwundet geweſen, noch tiefer
verwundet haben muͤßte.
O meine liebe Tante, ſprach Arabella, nicht
mehr davon! ‒ ‒ Wer haͤtte denken ſollen, daß
die liebe Schweſter in einem ſo reuevollen Zuſtan-
de geweſen waͤre?
Herr Johann und Herr Anton Harlowe wur-
den durch die Artikel, welche ihnen vortheilhaft
waren, und ohne das geringſte Wort oder Zeichen
eines Vorwurfs und Gegenverweiſes Vermaͤcht-
niſſe fuͤr ſie beſtimmeten, ſo ſehr geruͤhret, daß ſie
anfingen, ſich ſelbſt anzuklagen, und bedaurten,
daß ihre angenehme Baſe zu weit erhoben waͤre,
irgend eine dankbare Erkenntlichkeit und einige
Wiedervergeltungen anzunehmen.
Jn der That unterbrachen mich die Vorwuͤr-
fe, die man ſich unter einander machte, und die
Betruͤbniß aller Gegenwaͤrtigen bey denen Stel-
len, wo eines jeden zum beſten gedacht war, ſo
oft, daß die Vorleſung uͤber ſechs Stunden weg-
nahm. Die Fluͤche uͤber den verfluchten Men-
ſchen aber waren eine Zuflucht, zu der ſie ſich oft
wandten, um ſich zu erleichtern.
Wie ſchmerzlich, Herr Belford, wie ſchmerz-
lich verwundet eine edelmuͤthige und außerordent-
liche
(*) Man ſehe den III. Th. S. 383.
T t 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/665>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.