Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



liebe unerfahrne Schülerinn selbst, auslachen,
daß alle ihr beschwerliches Elend auf ein junges
Knäblein hinauslaufen wird; welches ich lieber
haben werde, als alle die Cherubinen und Sera-
phinen, die hernach kommen mögen, wenn ihrer
auch so viele seyn sollten, als ich in meinem Traum
sahe, in welchem ein weiter Raum an der Decke
über mir mit ihnen so voll besetzet war, als er
seyn konnte.

Jch werde mich fürchten deinen nächsten Brief
zu erbrechen, damit er mir nicht die Nachricht
von dem Tode des armen Beltons bringe. Je-
doch, da keine Hoffnung zu seiner Genesung übrig
ist - - Allein was sollte ich sagen, es wäre denn,
daß der arme Kerl besser bereit wäre - - Aber
deine beschwerliche Predigt soll mich doch auch
nicht zu sehr beunruhigen.

Jch schließe deine Papiere hiebey ein. Schrei-
be du sie für mich ab, oder schicke sie mir wieder:
denn es kommt eines und das andere darinn vor,
dem ein sterblicher Mensch zu gehöriger Zeit
seine Aufmerksamkeit nicht versagen sollte; und
du scheinest tief in die verdriesliche Sache einge-
drungen zu seyn. - - Hier aber will ich schließen,
damit ich nicht zu ernsthaft werde.



Dein Bedienter fragte hier etwa vor einer
Stunde nach, ob ich etwas zu befehlen hätte. Jch
hoffe daher, daß du gegenwärtiges morgen frühe

bekom-



liebe unerfahrne Schuͤlerinn ſelbſt, auslachen,
daß alle ihr beſchwerliches Elend auf ein junges
Knaͤblein hinauslaufen wird; welches ich lieber
haben werde, als alle die Cherubinen und Sera-
phinen, die hernach kommen moͤgen, wenn ihrer
auch ſo viele ſeyn ſollten, als ich in meinem Traum
ſahe, in welchem ein weiter Raum an der Decke
uͤber mir mit ihnen ſo voll beſetzet war, als er
ſeyn konnte.

Jch werde mich fuͤrchten deinen naͤchſten Brief
zu erbrechen, damit er mir nicht die Nachricht
von dem Tode des armen Beltons bringe. Je-
doch, da keine Hoffnung zu ſeiner Geneſung uͤbrig
iſt ‒ ‒ Allein was ſollte ich ſagen, es waͤre denn,
daß der arme Kerl beſſer bereit waͤre ‒ ‒ Aber
deine beſchwerliche Predigt ſoll mich doch auch
nicht zu ſehr beunruhigen.

Jch ſchließe deine Papiere hiebey ein. Schrei-
be du ſie fuͤr mich ab, oder ſchicke ſie mir wieder:
denn es kommt eines und das andere darinn vor,
dem ein ſterblicher Menſch zu gehoͤriger Zeit
ſeine Aufmerkſamkeit nicht verſagen ſollte; und
du ſcheineſt tief in die verdriesliche Sache einge-
drungen zu ſeyn. ‒ ‒ Hier aber will ich ſchließen,
damit ich nicht zu ernſthaft werde.



Dein Bedienter fragte hier etwa vor einer
Stunde nach, ob ich etwas zu befehlen haͤtte. Jch
hoffe daher, daß du gegenwaͤrtiges morgen fruͤhe

bekom-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="54"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
liebe unerfahrne Schu&#x0364;lerinn <hi rendition="#fr">&#x017F;elb&#x017F;t,</hi> auslachen,<lb/>
daß alle ihr be&#x017F;chwerliches Elend auf ein junges<lb/>
Kna&#x0364;blein hinauslaufen wird; welches ich lieber<lb/>
haben werde, als alle die Cherubinen und Sera-<lb/>
phinen, die hernach kommen mo&#x0364;gen, wenn ihrer<lb/>
auch &#x017F;o viele &#x017F;eyn &#x017F;ollten, als ich in meinem Traum<lb/>
&#x017F;ahe, in welchem ein weiter Raum an der Decke<lb/>
u&#x0364;ber mir mit ihnen &#x017F;o voll be&#x017F;etzet war, als er<lb/>
&#x017F;eyn konnte.</p><lb/>
          <p>Jch werde mich fu&#x0364;rchten deinen na&#x0364;ch&#x017F;ten Brief<lb/>
zu erbrechen, damit er mir nicht die Nachricht<lb/>
von dem Tode des armen Beltons bringe. Je-<lb/>
doch, da keine Hoffnung zu &#x017F;einer Gene&#x017F;ung u&#x0364;brig<lb/>
i&#x017F;t &#x2012; &#x2012; Allein was &#x017F;ollte ich &#x017F;agen, es wa&#x0364;re denn,<lb/>
daß der arme Kerl be&#x017F;&#x017F;er bereit wa&#x0364;re &#x2012; &#x2012; Aber<lb/>
deine be&#x017F;chwerliche Predigt &#x017F;oll mich doch auch<lb/>
nicht zu &#x017F;ehr beunruhigen.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;chließe deine Papiere hiebey ein. Schrei-<lb/>
be du &#x017F;ie fu&#x0364;r mich ab, oder &#x017F;chicke &#x017F;ie mir wieder:<lb/>
denn es kommt eines und das andere darinn vor,<lb/>
dem ein <hi rendition="#fr">&#x017F;terblicher</hi> Men&#x017F;ch zu geho&#x0364;riger Zeit<lb/>
&#x017F;eine Aufmerk&#x017F;amkeit nicht ver&#x017F;agen &#x017F;ollte; und<lb/>
du &#x017F;cheine&#x017F;t tief in die verdriesliche Sache einge-<lb/>
drungen zu &#x017F;eyn. &#x2012; &#x2012; Hier aber will ich &#x017F;chließen,<lb/>
damit ich nicht zu ern&#x017F;thaft werde.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Dein Bedienter fragte hier etwa vor einer<lb/>
Stunde nach, ob ich etwas zu befehlen ha&#x0364;tte. Jch<lb/>
hoffe daher, daß du gegenwa&#x0364;rtiges morgen fru&#x0364;he<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bekom-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0060] liebe unerfahrne Schuͤlerinn ſelbſt, auslachen, daß alle ihr beſchwerliches Elend auf ein junges Knaͤblein hinauslaufen wird; welches ich lieber haben werde, als alle die Cherubinen und Sera- phinen, die hernach kommen moͤgen, wenn ihrer auch ſo viele ſeyn ſollten, als ich in meinem Traum ſahe, in welchem ein weiter Raum an der Decke uͤber mir mit ihnen ſo voll beſetzet war, als er ſeyn konnte. Jch werde mich fuͤrchten deinen naͤchſten Brief zu erbrechen, damit er mir nicht die Nachricht von dem Tode des armen Beltons bringe. Je- doch, da keine Hoffnung zu ſeiner Geneſung uͤbrig iſt ‒ ‒ Allein was ſollte ich ſagen, es waͤre denn, daß der arme Kerl beſſer bereit waͤre ‒ ‒ Aber deine beſchwerliche Predigt ſoll mich doch auch nicht zu ſehr beunruhigen. Jch ſchließe deine Papiere hiebey ein. Schrei- be du ſie fuͤr mich ab, oder ſchicke ſie mir wieder: denn es kommt eines und das andere darinn vor, dem ein ſterblicher Menſch zu gehoͤriger Zeit ſeine Aufmerkſamkeit nicht verſagen ſollte; und du ſcheineſt tief in die verdriesliche Sache einge- drungen zu ſeyn. ‒ ‒ Hier aber will ich ſchließen, damit ich nicht zu ernſthaft werde. Dein Bedienter fragte hier etwa vor einer Stunde nach, ob ich etwas zu befehlen haͤtte. Jch hoffe daher, daß du gegenwaͤrtiges morgen fruͤhe bekom-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/60
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/60>, abgerufen am 23.11.2024.