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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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kommen und wandte sich zu mir - - Verzelhen
sie, verzeihen sie, Herr Morden, diesen wilden Un-
sinn! - - Jch bin nicht bey mir selbst! - - Jch
werde es niemals seyn. - - Sie kennen das vor-
treffliche Muster der Vollkommenheiten nicht,
nein, sie kennen das vortreffliche Muster der
Vollkommenheiten nicht halb, das so zu Grunde
gerichtet ist! - - Sie sagte noch einmal: Ge-
wiß dieß kann nicht alles von meiner Clarissa
Geschichte seyn!

Sie hielte wieder inne - - Eine Thräne,
meine geliebte Freundinn, hast du mir erlaubet!
- - Allein dieser stumme Schmerz! - - O hät-
te ich nur eine Thräne, mein ganz geschwollnes
Herz zu erleichtern, das eben brechen will! - -

Allein, warum, mein Herr, warum, Herr
Morden, ist sie hierher geschickt? Warum nicht
zu mir? - - Sie hat keinen Vater, keine Mut-
ter, keine Verwandten: nein, nicht einen! - -
Sie hatten sich ihrer alle entsagt. Jch war ihre
Freundinn, die in allen mit ihr gleiche Regungen
empfand - - Hatte ich nicht das beste Recht zu
dem Ueberrest von meiner lieben Freundinn? -
Müssen bloße Namen, ohne ein wirkliches We-
sen, einer solchen Liebe, als die meinige ist, vorge-
zogen werden?

Wiederum küßte sie ihre Lippen, beyde Wan-
gen, ihre Stirn - - und seufzete, als wenn ihr
das Herz brechen wollte - -

Allein, warum, warum, sagte sie, ward ich
abgehalten, meine liebste werthe Freundinn zu se-

hen,



kommen und wandte ſich zu mir ‒ ‒ Verzelhen
ſie, verzeihen ſie, Herr Morden, dieſen wilden Un-
ſinn! ‒ ‒ Jch bin nicht bey mir ſelbſt! ‒ ‒ Jch
werde es niemals ſeyn. ‒ ‒ Sie kennen das vor-
treffliche Muſter der Vollkommenheiten nicht,
nein, ſie kennen das vortreffliche Muſter der
Vollkommenheiten nicht halb, das ſo zu Grunde
gerichtet iſt! ‒ ‒ Sie ſagte noch einmal: Ge-
wiß dieß kann nicht alles von meiner Clariſſa
Geſchichte ſeyn!

Sie hielte wieder inne ‒ ‒ Eine Thraͤne,
meine geliebte Freundinn, haſt du mir erlaubet!
‒ ‒ Allein dieſer ſtumme Schmerz! ‒ ‒ O haͤt-
te ich nur eine Thraͤne, mein ganz geſchwollnes
Herz zu erleichtern, das eben brechen will! ‒ ‒

Allein, warum, mein Herr, warum, Herr
Morden, iſt ſie hierher geſchickt? Warum nicht
zu mir? ‒ ‒ Sie hat keinen Vater, keine Mut-
ter, keine Verwandten: nein, nicht einen! ‒ ‒
Sie hatten ſich ihrer alle entſagt. Jch war ihre
Freundinn, die in allen mit ihr gleiche Regungen
empfand ‒ ‒ Hatte ich nicht das beſte Recht zu
dem Ueberreſt von meiner lieben Freundinn? ‒
Muͤſſen bloße Namen, ohne ein wirkliches We-
ſen, einer ſolchen Liebe, als die meinige iſt, vorge-
zogen werden?

Wiederum kuͤßte ſie ihre Lippen, beyde Wan-
gen, ihre Stirn ‒ ‒ und ſeufzete, als wenn ihr
das Herz brechen wollte ‒ ‒

Allein, warum, warum, ſagte ſie, ward ich
abgehalten, meine liebſte werthe Freundinn zu ſe-

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[592/0598] kommen und wandte ſich zu mir ‒ ‒ Verzelhen ſie, verzeihen ſie, Herr Morden, dieſen wilden Un- ſinn! ‒ ‒ Jch bin nicht bey mir ſelbſt! ‒ ‒ Jch werde es niemals ſeyn. ‒ ‒ Sie kennen das vor- treffliche Muſter der Vollkommenheiten nicht, nein, ſie kennen das vortreffliche Muſter der Vollkommenheiten nicht halb, das ſo zu Grunde gerichtet iſt! ‒ ‒ Sie ſagte noch einmal: Ge- wiß dieß kann nicht alles von meiner Clariſſa Geſchichte ſeyn! Sie hielte wieder inne ‒ ‒ Eine Thraͤne, meine geliebte Freundinn, haſt du mir erlaubet! ‒ ‒ Allein dieſer ſtumme Schmerz! ‒ ‒ O haͤt- te ich nur eine Thraͤne, mein ganz geſchwollnes Herz zu erleichtern, das eben brechen will! ‒ ‒ Allein, warum, mein Herr, warum, Herr Morden, iſt ſie hierher geſchickt? Warum nicht zu mir? ‒ ‒ Sie hat keinen Vater, keine Mut- ter, keine Verwandten: nein, nicht einen! ‒ ‒ Sie hatten ſich ihrer alle entſagt. Jch war ihre Freundinn, die in allen mit ihr gleiche Regungen empfand ‒ ‒ Hatte ich nicht das beſte Recht zu dem Ueberreſt von meiner lieben Freundinn? ‒ Muͤſſen bloße Namen, ohne ein wirkliches We- ſen, einer ſolchen Liebe, als die meinige iſt, vorge- zogen werden? Wiederum kuͤßte ſie ihre Lippen, beyde Wan- gen, ihre Stirn ‒ ‒ und ſeufzete, als wenn ihr das Herz brechen wollte ‒ ‒ Allein, warum, warum, ſagte ſie, ward ich abgehalten, meine liebſte werthe Freundinn zu ſe- hen,

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/598>, abgerufen am 22.11.2024.