Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



gen mag, zerschneiden und viertheilen lassen, und,
ohne irgend einige Hoffnung, von der Operation
einen Nutzen zu haben, die Wundärzte dafür be-
zahlen, daß sie sie quälten!

Jch muß gestehen, ich hahe eine schlechte
Meynung von diesen Herren, die zwar in ihrer Le-
bensart ein Aufsehen machen, und sich nicht allein
mit einer französischen Geburth, sondern auch mit
einer parisischen Erziehung groß wissen, aber in
der Ausübung ihrer Kunst niemals ein Aufsehen
machen werden.

Wie unähnlich ist diesen mein ehrlicher eng-
lischer Freund, Tomkins, ein ehrlicher, ernsthaf-
ter, verständiger Mann, bey dem die Kunst wei-
ter geht, als auf Worte: ein Mann, der allezeit
ein prahlerisches Ansehen und unverständliches
Gewäsche vermeidet, und jedermann in den Stand
zu setzen suchet, von demjenigen, womit er zu thun
hat, eben so gut zu urtheilen, als er selbst davon
zu urtheilen weiß.

Alle die Zeit über, da die Wundärzte mit ih-
ren Vorstellungen aus der Zergliederungskunst zu
thun hatten, brüllte und blöckte das unglückliche
Weib auf die schrecklichste Weise. Die Herren
zeigten, daß sie von der Art Leuten wären, die von
solchen Uebeln, welche sie nicht fühlen, nicht ge-
rühret werden. Sie achteten das nicht weiter,
als daß sie ihre Stimmen nur mehr erhuben, um
gehört zu werden, nach dem jene die ihrige er-
hob. - - Sie waren augenscheinlich mehr bemü-
het, ihre Bekanntschaft zu vermehren und die

Mey-
M m 5



gen mag, zerſchneiden und viertheilen laſſen, und,
ohne irgend einige Hoffnung, von der Operation
einen Nutzen zu haben, die Wundaͤrzte dafuͤr be-
zahlen, daß ſie ſie quaͤlten!

Jch muß geſtehen, ich hahe eine ſchlechte
Meynung von dieſen Herren, die zwar in ihrer Le-
bensart ein Aufſehen machen, und ſich nicht allein
mit einer franzoͤſiſchen Geburth, ſondern auch mit
einer pariſiſchen Erziehung groß wiſſen, aber in
der Ausuͤbung ihrer Kunſt niemals ein Aufſehen
machen werden.

Wie unaͤhnlich iſt dieſen mein ehrlicher eng-
liſcher Freund, Tomkins, ein ehrlicher, ernſthaf-
ter, verſtaͤndiger Mann, bey dem die Kunſt wei-
ter geht, als auf Worte: ein Mann, der allezeit
ein prahleriſches Anſehen und unverſtaͤndliches
Gewaͤſche vermeidet, und jedermann in den Stand
zu ſetzen ſuchet, von demjenigen, womit er zu thun
hat, eben ſo gut zu urtheilen, als er ſelbſt davon
zu urtheilen weiß.

Alle die Zeit uͤber, da die Wundaͤrzte mit ih-
ren Vorſtellungen aus der Zergliederungskunſt zu
thun hatten, bruͤllte und bloͤckte das ungluͤckliche
Weib auf die ſchrecklichſte Weiſe. Die Herren
zeigten, daß ſie von der Art Leuten waͤren, die von
ſolchen Uebeln, welche ſie nicht fuͤhlen, nicht ge-
ruͤhret werden. Sie achteten das nicht weiter,
als daß ſie ihre Stimmen nur mehr erhuben, um
gehoͤrt zu werden, nach dem jene die ihrige er-
hob. ‒ ‒ Sie waren augenſcheinlich mehr bemuͤ-
het, ihre Bekanntſchaft zu vermehren und die

Mey-
M m 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0559" n="553"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gen mag, zer&#x017F;chneiden und viertheilen la&#x017F;&#x017F;en, und,<lb/>
ohne irgend einige Hoffnung, von der Operation<lb/>
einen Nutzen zu haben, die Wunda&#x0364;rzte dafu&#x0364;r be-<lb/>
zahlen, daß &#x017F;ie &#x017F;ie qua&#x0364;lten!</p><lb/>
          <p>Jch muß ge&#x017F;tehen, ich hahe eine &#x017F;chlechte<lb/>
Meynung von die&#x017F;en Herren, die zwar in ihrer Le-<lb/>
bensart ein Auf&#x017F;ehen machen, und &#x017F;ich nicht allein<lb/>
mit einer franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Geburth, &#x017F;ondern auch mit<lb/>
einer pari&#x017F;i&#x017F;chen Erziehung groß wi&#x017F;&#x017F;en, aber in<lb/>
der Ausu&#x0364;bung ihrer Kun&#x017F;t niemals ein Auf&#x017F;ehen<lb/>
machen werden.</p><lb/>
          <p>Wie una&#x0364;hnlich i&#x017F;t die&#x017F;en mein ehrlicher eng-<lb/>
li&#x017F;cher Freund, Tomkins, ein ehrlicher, ern&#x017F;thaf-<lb/>
ter, ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger Mann, bey dem die Kun&#x017F;t wei-<lb/>
ter geht, als auf Worte: ein Mann, der allezeit<lb/>
ein prahleri&#x017F;ches An&#x017F;ehen und unver&#x017F;ta&#x0364;ndliches<lb/>
Gewa&#x0364;&#x017F;che vermeidet, und jedermann in den Stand<lb/>
zu &#x017F;etzen &#x017F;uchet, von demjenigen, womit er zu thun<lb/>
hat, eben &#x017F;o gut zu urtheilen, als er &#x017F;elb&#x017F;t davon<lb/>
zu urtheilen weiß.</p><lb/>
          <p>Alle die Zeit u&#x0364;ber, da die Wunda&#x0364;rzte mit ih-<lb/>
ren Vor&#x017F;tellungen aus der Zergliederungskun&#x017F;t zu<lb/>
thun hatten, bru&#x0364;llte und blo&#x0364;ckte das unglu&#x0364;ckliche<lb/>
Weib auf die &#x017F;chrecklich&#x017F;te Wei&#x017F;e. Die Herren<lb/>
zeigten, daß &#x017F;ie von der Art Leuten wa&#x0364;ren, die von<lb/>
&#x017F;olchen Uebeln, welche &#x017F;ie nicht <hi rendition="#fr">fu&#x0364;hlen,</hi> nicht ge-<lb/>
ru&#x0364;hret werden. Sie achteten das nicht weiter,<lb/>
als daß &#x017F;ie <hi rendition="#fr">ihre</hi> Stimmen nur mehr erhuben, um<lb/><hi rendition="#fr">geho&#x0364;rt</hi> zu werden, nach dem jene die <hi rendition="#fr">ihrige</hi> er-<lb/>
hob. &#x2012; &#x2012; Sie waren augen&#x017F;cheinlich mehr bemu&#x0364;-<lb/>
het, ihre Bekannt&#x017F;chaft zu vermehren und die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M m 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Mey-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[553/0559] gen mag, zerſchneiden und viertheilen laſſen, und, ohne irgend einige Hoffnung, von der Operation einen Nutzen zu haben, die Wundaͤrzte dafuͤr be- zahlen, daß ſie ſie quaͤlten! Jch muß geſtehen, ich hahe eine ſchlechte Meynung von dieſen Herren, die zwar in ihrer Le- bensart ein Aufſehen machen, und ſich nicht allein mit einer franzoͤſiſchen Geburth, ſondern auch mit einer pariſiſchen Erziehung groß wiſſen, aber in der Ausuͤbung ihrer Kunſt niemals ein Aufſehen machen werden. Wie unaͤhnlich iſt dieſen mein ehrlicher eng- liſcher Freund, Tomkins, ein ehrlicher, ernſthaf- ter, verſtaͤndiger Mann, bey dem die Kunſt wei- ter geht, als auf Worte: ein Mann, der allezeit ein prahleriſches Anſehen und unverſtaͤndliches Gewaͤſche vermeidet, und jedermann in den Stand zu ſetzen ſuchet, von demjenigen, womit er zu thun hat, eben ſo gut zu urtheilen, als er ſelbſt davon zu urtheilen weiß. Alle die Zeit uͤber, da die Wundaͤrzte mit ih- ren Vorſtellungen aus der Zergliederungskunſt zu thun hatten, bruͤllte und bloͤckte das ungluͤckliche Weib auf die ſchrecklichſte Weiſe. Die Herren zeigten, daß ſie von der Art Leuten waͤren, die von ſolchen Uebeln, welche ſie nicht fuͤhlen, nicht ge- ruͤhret werden. Sie achteten das nicht weiter, als daß ſie ihre Stimmen nur mehr erhuben, um gehoͤrt zu werden, nach dem jene die ihrige er- hob. ‒ ‒ Sie waren augenſcheinlich mehr bemuͤ- het, ihre Bekanntſchaft zu vermehren und die Mey- M m 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/559
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/559>, abgerufen am 22.11.2024.