legen, und jene ihn in der ihrigen aufwarten lassen.
Ein jeder tadelt ihn dieser Fräulein wegen. Allein ich sehe nicht, warum. Sie war eigen- sinnig in ihrer Tugend. Und ihre Verwandten sind zehnmal mehr zu tadeln, als er. Das will ich ihnen allen unter die Augen sagen und behaup- ten. Konnten sie ihr übel begegnen: warum sollten sie von ihm erwarten, daß er ihr wohl be- gegnete. - - Jhr, oder ich, oder Tourville wür- den es eben so gemacht haben, wenn wir an seiner Stelle gewesen wären. Werden nicht alle Mägd- chen zum voraus gewarnet? - - "Hat er es so "mit ihr gemacht, wie es der Galgenschwengel "Miles mit eines Pachters Tochter machte, die "er unter dem Vorwand, daß sie einer Fräulein "aufwarten sollte, hinterlistiger Weise nach London "hinauf brachte: und es war auch ein artiges "Mägdchen, eben so, wie Roberts Rosenknöspchen! "- - Er machte ihr eine Nase, und gab vor, "die Fräulein wäre nicht zu Hause; trank ihr zu, "daß sie lustig ward; nahm sie hernach mit zu ei- "ner Comödie; darauf war es zu spät, wie ihr "wisset, die vorgegebene Fräulein zu sehen; dann "brachte er sie zu einem Bade und machte sie un- "glücklich, wie die Leute sagen; und das alles an "eben demselben Tage. Nachher hielte er sie "vierzehn Tage oder drey Wochen zu seinem Ge- "fallen; noch dazu ein garstiger Hund! und als- "denn überließ er sie den Leuten von dem Bade "in ihrer Gewalt, ohne jemals etwas zu bezahlen,
"welche
legen, und jene ihn in der ihrigen aufwarten laſſen.
Ein jeder tadelt ihn dieſer Fraͤulein wegen. Allein ich ſehe nicht, warum. Sie war eigen- ſinnig in ihrer Tugend. Und ihre Verwandten ſind zehnmal mehr zu tadeln, als er. Das will ich ihnen allen unter die Augen ſagen und behaup- ten. Konnten ſie ihr uͤbel begegnen: warum ſollten ſie von ihm erwarten, daß er ihr wohl be- gegnete. ‒ ‒ Jhr, oder ich, oder Tourville wuͤr- den es eben ſo gemacht haben, wenn wir an ſeiner Stelle geweſen waͤren. Werden nicht alle Maͤgd- chen zum voraus gewarnet? ‒ ‒ „Hat er es ſo „mit ihr gemacht, wie es der Galgenſchwengel „Miles mit eines Pachters Tochter machte, die „er unter dem Vorwand, daß ſie einer Fraͤulein „aufwarten ſollte, hinterliſtiger Weiſe nach London „hinauf brachte: und es war auch ein artiges „Maͤgdchen, eben ſo, wie Roberts Roſenknoͤspchen! „‒ ‒ Er machte ihr eine Naſe, und gab vor, „die Fraͤulein waͤre nicht zu Hauſe; trank ihr zu, „daß ſie luſtig ward; nahm ſie hernach mit zu ei- „ner Comoͤdie; darauf war es zu ſpaͤt, wie ihr „wiſſet, die vorgegebene Fraͤulein zu ſehen; dann „brachte er ſie zu einem Bade und machte ſie un- „gluͤcklich, wie die Leute ſagen; und das alles an „eben demſelben Tage. Nachher hielte er ſie „vierzehn Tage oder drey Wochen zu ſeinem Ge- „fallen; noch dazu ein garſtiger Hund! und als- „denn uͤberließ er ſie den Leuten von dem Bade „in ihrer Gewalt, ohne jemals etwas zu bezahlen,
„welche
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legen, und jene ihn in der ihrigen aufwarten
laſſen.
Ein jeder tadelt ihn dieſer Fraͤulein wegen.
Allein ich ſehe nicht, warum. Sie war eigen-
ſinnig in ihrer Tugend. Und ihre Verwandten
ſind zehnmal mehr zu tadeln, als er. Das will
ich ihnen allen unter die Augen ſagen und behaup-
ten. Konnten ſie ihr uͤbel begegnen: warum
ſollten ſie von ihm erwarten, daß er ihr wohl be-
gegnete. ‒ ‒ Jhr, oder ich, oder Tourville wuͤr-
den es eben ſo gemacht haben, wenn wir an ſeiner
Stelle geweſen waͤren. Werden nicht alle Maͤgd-
chen zum voraus gewarnet? ‒ ‒ „Hat er es ſo
„mit ihr gemacht, wie es der Galgenſchwengel
„Miles mit eines Pachters Tochter machte, die
„er unter dem Vorwand, daß ſie einer Fraͤulein
„aufwarten ſollte, hinterliſtiger Weiſe nach London
„hinauf brachte: und es war auch ein artiges
„Maͤgdchen, eben ſo, wie Roberts Roſenknoͤspchen!
„‒ ‒ Er machte ihr eine Naſe, und gab vor,
„die Fraͤulein waͤre nicht zu Hauſe; trank ihr zu,
„daß ſie luſtig ward; nahm ſie hernach mit zu ei-
„ner Comoͤdie; darauf war es zu ſpaͤt, wie ihr
„wiſſet, die vorgegebene Fraͤulein zu ſehen; dann
„brachte er ſie zu einem Bade und machte ſie un-
„gluͤcklich, wie die Leute ſagen; und das alles an
„eben demſelben Tage. Nachher hielte er ſie
„vierzehn Tage oder drey Wochen zu ſeinem Ge-
„fallen; noch dazu ein garſtiger Hund! und als-
„denn uͤberließ er ſie den Leuten von dem Bade
„in ihrer Gewalt, ohne jemals etwas zu bezahlen,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/531>, abgerufen am 22.11.2024.
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