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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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Die Schreibart in ihrem Briefe ist inzwi-
schen, wie es mir vorkommt, mit einer feyerlichen
Ernsthaftigkeit verbunden, welche mich zu glei-
cher Zeit vergnüget und unruhig machet. Da
sich aber augenscheinlich zeiget, daß sie mich noch
liebet und in ihres Vaters Hause zu sehen hoffet:
so hat sie nicht anders als mit feyerlicher Ernst-
haftigkeit und halb verschämt; die liebe scham-
haftige, artige und schelmische Seele! ihre Liebe
zu mir gestehen können, nachdem ich so mit ihr
umgegangen bin.

Und was denkst du von ihrer Unterschrift:
Bis auf die Zeit bin ich Clarissa Harlowe?
Das heißt ja so viel: Nach der Zeit, wofern
sie es nicht durch ihre eigne Schuld hindern,
werde ich Clarissa Lovelacinn seyn.

O meine Allerliebste! Meine beständig edel-
müthige und anbetenswürdige Fräulein! Wie
sehr erhebet diese deine versöhnliche Güte uns
beyde! - - Mich, weil ich dir dazu die Gelegen-
heit gegeben habe! Dich, weil du sie so rühmlich
zu deinem Vortheil, und zu unserer beyder Ehre
anwendest!

Und wenn du, mein liebstes Leben, nur die
Mängel deines Anbeters übersehen, und nicht als
eine herrschsüchtige Frau über mich regieren
willst, wofern ich etwa, so lange die Reizungen
von dem, was neu ist, noch ihre Gewalt über
mich haben, mich durch die Verstrickungen in li-
stige Anschläge und Ränke, welche meine Seele
gar zu gern schmiedet und verfolget, auf die Seite

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Die Schreibart in ihrem Briefe iſt inzwi-
ſchen, wie es mir vorkommt, mit einer feyerlichen
Ernſthaftigkeit verbunden, welche mich zu glei-
cher Zeit vergnuͤget und unruhig machet. Da
ſich aber augenſcheinlich zeiget, daß ſie mich noch
liebet und in ihres Vaters Hauſe zu ſehen hoffet:
ſo hat ſie nicht anders als mit feyerlicher Ernſt-
haftigkeit und halb verſchaͤmt; die liebe ſcham-
haftige, artige und ſchelmiſche Seele! ihre Liebe
zu mir geſtehen koͤnnen, nachdem ich ſo mit ihr
umgegangen bin.

Und was denkſt du von ihrer Unterſchrift:
Bis auf die Zeit bin ich Clariſſa Harlowe?
Das heißt ja ſo viel: Nach der Zeit, wofern
ſie es nicht durch ihre eigne Schuld hindern,
werde ich Clariſſa Lovelacinn ſeyn.

O meine Allerliebſte! Meine beſtaͤndig edel-
muͤthige und anbetenswuͤrdige Fraͤulein! Wie
ſehr erhebet dieſe deine verſoͤhnliche Guͤte uns
beyde! ‒ ‒ Mich, weil ich dir dazu die Gelegen-
heit gegeben habe! Dich, weil du ſie ſo ruͤhmlich
zu deinem Vortheil, und zu unſerer beyder Ehre
anwendeſt!

Und wenn du, mein liebſtes Leben, nur die
Maͤngel deines Anbeters uͤberſehen, und nicht als
eine herrſchſuͤchtige Frau uͤber mich regieren
willſt, wofern ich etwa, ſo lange die Reizungen
von dem, was neu iſt, noch ihre Gewalt uͤber
mich haben, mich durch die Verſtrickungen in li-
ſtige Anſchlaͤge und Raͤnke, welche meine Seele
gar zu gern ſchmiedet und verfolget, auf die Seite

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[41/0047] Die Schreibart in ihrem Briefe iſt inzwi- ſchen, wie es mir vorkommt, mit einer feyerlichen Ernſthaftigkeit verbunden, welche mich zu glei- cher Zeit vergnuͤget und unruhig machet. Da ſich aber augenſcheinlich zeiget, daß ſie mich noch liebet und in ihres Vaters Hauſe zu ſehen hoffet: ſo hat ſie nicht anders als mit feyerlicher Ernſt- haftigkeit und halb verſchaͤmt; die liebe ſcham- haftige, artige und ſchelmiſche Seele! ihre Liebe zu mir geſtehen koͤnnen, nachdem ich ſo mit ihr umgegangen bin. Und was denkſt du von ihrer Unterſchrift: Bis auf die Zeit bin ich Clariſſa Harlowe? Das heißt ja ſo viel: Nach der Zeit, wofern ſie es nicht durch ihre eigne Schuld hindern, werde ich Clariſſa Lovelacinn ſeyn. O meine Allerliebſte! Meine beſtaͤndig edel- muͤthige und anbetenswuͤrdige Fraͤulein! Wie ſehr erhebet dieſe deine verſoͤhnliche Guͤte uns beyde! ‒ ‒ Mich, weil ich dir dazu die Gelegen- heit gegeben habe! Dich, weil du ſie ſo ruͤhmlich zu deinem Vortheil, und zu unſerer beyder Ehre anwendeſt! Und wenn du, mein liebſtes Leben, nur die Maͤngel deines Anbeters uͤberſehen, und nicht als eine herrſchſuͤchtige Frau uͤber mich regieren willſt, wofern ich etwa, ſo lange die Reizungen von dem, was neu iſt, noch ihre Gewalt uͤber mich haben, mich durch die Verſtrickungen in li- ſtige Anſchlaͤge und Raͤnke, welche meine Seele gar zu gern ſchmiedet und verfolget, auf die Seite ziehen C 5

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/47>, abgerufen am 29.03.2024.