Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



horsam ist. Denn ihr Gehorsam gegen ihre
Eltern ist ein überzeugender Beweis für mich,
daß sie ihrem Ehegatten eben so gehorsam seyn
werde: indem eine Pflicht, die auf gute Grund-
sätze gebauet ist, sich selbst allemal ähnlich
bleibet.

Allein auf diese Art, Bruder, erlaube mir,
bin ich nicht so sehr zu tadeln gewesen, als du den-
kest. Denn wenn ich nicht gewesen wäre, und
sie nicht in so viele Widerwärtigkeit gebracht hät-
te: so hätte sie die Freude, welche sie nun alle
überschwemmen wird, weder selbst haben, noch
jenen machen können. Also wird hier ein kur-
zes und vorübergehendes Uebel die Quelle eines
großen und dauerhaften Gutes.

Jch wußte wohl, jene liebten sie, als die Eh-
re und den Ruhm ihrer Familie, viel zu sehr, daß
sie es lange aushalten sollten.

Jch wünschte, daß ich den Brief von der
Fräulein Arabelle hätte lesen können. Sie ist
allezeit durch ihre Schwester so verdunkelt wor-
den, daß sie, aller Vermuthung nach, ihr diese
Aussöhnung nicht ohne eine vergällte Gleichgül-
tigkeit angezeiget hat: und ihre Einladung muß
gewiß ganz in das Kaltsinnige fallen.

Mich wird verlangen, den versprochenen
Brief zu sehen, wenn sie bey ihren Eltern ange-
kommen ist. Jch hoffe dadurch eine Nachricht
von der Aufnahme, welche sie finden wird, zu er-
halten.

Die



horſam iſt. Denn ihr Gehorſam gegen ihre
Eltern iſt ein uͤberzeugender Beweis fuͤr mich,
daß ſie ihrem Ehegatten eben ſo gehorſam ſeyn
werde: indem eine Pflicht, die auf gute Grund-
ſaͤtze gebauet iſt, ſich ſelbſt allemal aͤhnlich
bleibet.

Allein auf dieſe Art, Bruder, erlaube mir,
bin ich nicht ſo ſehr zu tadeln geweſen, als du den-
keſt. Denn wenn ich nicht geweſen waͤre, und
ſie nicht in ſo viele Widerwaͤrtigkeit gebracht haͤt-
te: ſo haͤtte ſie die Freude, welche ſie nun alle
uͤberſchwemmen wird, weder ſelbſt haben, noch
jenen machen koͤnnen. Alſo wird hier ein kur-
zes und voruͤbergehendes Uebel die Quelle eines
großen und dauerhaften Gutes.

Jch wußte wohl, jene liebten ſie, als die Eh-
re und den Ruhm ihrer Familie, viel zu ſehr, daß
ſie es lange aushalten ſollten.

Jch wuͤnſchte, daß ich den Brief von der
Fraͤulein Arabelle haͤtte leſen koͤnnen. Sie iſt
allezeit durch ihre Schweſter ſo verdunkelt wor-
den, daß ſie, aller Vermuthung nach, ihr dieſe
Ausſoͤhnung nicht ohne eine vergaͤllte Gleichguͤl-
tigkeit angezeiget hat: und ihre Einladung muß
gewiß ganz in das Kaltſinnige fallen.

Mich wird verlangen, den verſprochenen
Brief zu ſehen, wenn ſie bey ihren Eltern ange-
kommen iſt. Jch hoffe dadurch eine Nachricht
von der Aufnahme, welche ſie finden wird, zu er-
halten.

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="40"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
hor&#x017F;am i&#x017F;t. Denn ihr Gehor&#x017F;am gegen ihre<lb/>
Eltern i&#x017F;t ein u&#x0364;berzeugender Beweis fu&#x0364;r mich,<lb/>
daß &#x017F;ie ihrem Ehegatten <hi rendition="#fr">eben &#x017F;o</hi> gehor&#x017F;am &#x017F;eyn<lb/>
werde: indem eine Pflicht, die auf gute Grund-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tze gebauet i&#x017F;t, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t allemal a&#x0364;hnlich<lb/>
bleibet.</p><lb/>
          <p>Allein auf die&#x017F;e Art, Bruder, erlaube mir,<lb/>
bin ich nicht &#x017F;o &#x017F;ehr zu tadeln gewe&#x017F;en, als du den-<lb/>
ke&#x017F;t. Denn wenn ich nicht gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, und<lb/>
&#x017F;ie nicht in &#x017F;o viele Widerwa&#x0364;rtigkeit gebracht ha&#x0364;t-<lb/>
te: &#x017F;o ha&#x0364;tte &#x017F;ie die Freude, welche &#x017F;ie nun alle<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;chwemmen wird, weder <hi rendition="#fr">&#x017F;elb&#x017F;t haben,</hi> noch<lb/>
jenen <hi rendition="#fr">machen</hi> ko&#x0364;nnen. Al&#x017F;o wird hier ein kur-<lb/>
zes und voru&#x0364;bergehendes Uebel die Quelle eines<lb/>
großen und dauerhaften Gutes.</p><lb/>
          <p>Jch wußte wohl, jene liebten &#x017F;ie, als die Eh-<lb/>
re und den Ruhm ihrer Familie, viel zu &#x017F;ehr, daß<lb/>
&#x017F;ie es lange aushalten &#x017F;ollten.</p><lb/>
          <p>Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß ich den Brief von der<lb/>
Fra&#x0364;ulein Arabelle ha&#x0364;tte le&#x017F;en ko&#x0364;nnen. Sie i&#x017F;t<lb/>
allezeit durch ihre Schwe&#x017F;ter &#x017F;o verdunkelt wor-<lb/>
den, daß &#x017F;ie, aller Vermuthung nach, ihr die&#x017F;e<lb/>
Aus&#x017F;o&#x0364;hnung nicht ohne eine verga&#x0364;llte Gleichgu&#x0364;l-<lb/>
tigkeit angezeiget hat: und ihre Einladung muß<lb/>
gewiß ganz in das Kalt&#x017F;innige fallen.</p><lb/>
          <p>Mich wird verlangen, den ver&#x017F;prochenen<lb/>
Brief zu &#x017F;ehen, wenn &#x017F;ie bey ihren Eltern ange-<lb/>
kommen i&#x017F;t. Jch hoffe dadurch eine Nachricht<lb/>
von der Aufnahme, welche &#x017F;ie finden wird, zu er-<lb/>
halten.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0046] horſam iſt. Denn ihr Gehorſam gegen ihre Eltern iſt ein uͤberzeugender Beweis fuͤr mich, daß ſie ihrem Ehegatten eben ſo gehorſam ſeyn werde: indem eine Pflicht, die auf gute Grund- ſaͤtze gebauet iſt, ſich ſelbſt allemal aͤhnlich bleibet. Allein auf dieſe Art, Bruder, erlaube mir, bin ich nicht ſo ſehr zu tadeln geweſen, als du den- keſt. Denn wenn ich nicht geweſen waͤre, und ſie nicht in ſo viele Widerwaͤrtigkeit gebracht haͤt- te: ſo haͤtte ſie die Freude, welche ſie nun alle uͤberſchwemmen wird, weder ſelbſt haben, noch jenen machen koͤnnen. Alſo wird hier ein kur- zes und voruͤbergehendes Uebel die Quelle eines großen und dauerhaften Gutes. Jch wußte wohl, jene liebten ſie, als die Eh- re und den Ruhm ihrer Familie, viel zu ſehr, daß ſie es lange aushalten ſollten. Jch wuͤnſchte, daß ich den Brief von der Fraͤulein Arabelle haͤtte leſen koͤnnen. Sie iſt allezeit durch ihre Schweſter ſo verdunkelt wor- den, daß ſie, aller Vermuthung nach, ihr dieſe Ausſoͤhnung nicht ohne eine vergaͤllte Gleichguͤl- tigkeit angezeiget hat: und ihre Einladung muß gewiß ganz in das Kaltſinnige fallen. Mich wird verlangen, den verſprochenen Brief zu ſehen, wenn ſie bey ihren Eltern ange- kommen iſt. Jch hoffe dadurch eine Nachricht von der Aufnahme, welche ſie finden wird, zu er- halten. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/46
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/46>, abgerufen am 27.04.2024.