Jch antwortete, daß ich es glaubte; und sie sagte: Wir müssen es so gut machen, als möglich ist, Fr. Lovick und Fr. Smithinn. Sonst wer- de ich meinem armen Vetter das betrübteste Schre- cken verursachen. Denn er hat mich vormals herzlich geliebt. Seyn sie so gut, und geben mir ein wenig von den letzten Tropfen, die mir der Arzt verordnet hat, damit ich nur noch zu dieser einzigen Zusammenkunft meine Lebensgeister auf- geweckt erhalte: das ist alles, glaube ich, warum ich mich nunmehr bekümmern kann.
Der Obrist, welcher dieß alles anhörte, schick- te in seinem Namen herauf, und ich that, als wenn ich zu ihm hinunter ginge. Jch führte den betrübten Cavallier herein: nachdem sie vorher die spanische Wand so nahe, als möglich, an das Fenster zu setzen befohlen hatte, damit er nicht se- hen möchte, was hinter derselben wäre. Weil er unterdessen gehört, was sie davon gesagt hatte: so war er schon entschlossen, nichts davon zu er- wähnen.
Er faßte den Engel in seine Arme, wie sie auf dem Stuhl saß, und fiel auf ein Knie. Denn sie stützte sich auf die beyden Arme des Stuhls und versuchte aufzustehen, konnte aber nicht. Entschuldigen sie mich, mein werthester Hr. Vet- ter, sprach sie, entschuldigen sie mich, daß ich nicht aufstehen kann - - Jch erwartete diese Gewo- genheit itzo nicht. Jch freue mich inzwischen, daß ich diese bequeme Gelegenheit habe, ihnen
für
Jch antwortete, daß ich es glaubte; und ſie ſagte: Wir muͤſſen es ſo gut machen, als moͤglich iſt, Fr. Lovick und Fr. Smithinn. Sonſt wer- de ich meinem armen Vetter das betruͤbteſte Schre- cken verurſachen. Denn er hat mich vormals herzlich geliebt. Seyn ſie ſo gut, und geben mir ein wenig von den letzten Tropfen, die mir der Arzt verordnet hat, damit ich nur noch zu dieſer einzigen Zuſammenkunft meine Lebensgeiſter auf- geweckt erhalte: das iſt alles, glaube ich, warum ich mich nunmehr bekuͤmmern kann.
Der Obriſt, welcher dieß alles anhoͤrte, ſchick- te in ſeinem Namen herauf, und ich that, als wenn ich zu ihm hinunter ginge. Jch fuͤhrte den betruͤbten Cavallier herein: nachdem ſie vorher die ſpaniſche Wand ſo nahe, als moͤglich, an das Fenſter zu ſetzen befohlen hatte, damit er nicht ſe- hen moͤchte, was hinter derſelben waͤre. Weil er unterdeſſen gehoͤrt, was ſie davon geſagt hatte: ſo war er ſchon entſchloſſen, nichts davon zu er- waͤhnen.
Er faßte den Engel in ſeine Arme, wie ſie auf dem Stuhl ſaß, und fiel auf ein Knie. Denn ſie ſtuͤtzte ſich auf die beyden Arme des Stuhls und verſuchte aufzuſtehen, konnte aber nicht. Entſchuldigen ſie mich, mein wertheſter Hr. Vet- ter, ſprach ſie, entſchuldigen ſie mich, daß ich nicht aufſtehen kann ‒ ‒ Jch erwartete dieſe Gewo- genheit itzo nicht. Jch freue mich inzwiſchen, daß ich dieſe bequeme Gelegenheit habe, ihnen
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Jch antwortete, daß ich es glaubte; und ſie
ſagte: Wir muͤſſen es ſo gut machen, als moͤglich
iſt, Fr. Lovick und Fr. Smithinn. Sonſt wer-
de ich meinem armen Vetter das betruͤbteſte Schre-
cken verurſachen. Denn er hat mich vormals
herzlich geliebt. Seyn ſie ſo gut, und geben mir
ein wenig von den letzten Tropfen, die mir der
Arzt verordnet hat, damit ich nur noch zu dieſer
einzigen Zuſammenkunft meine Lebensgeiſter auf-
geweckt erhalte: das iſt alles, glaube ich, warum
ich mich nunmehr bekuͤmmern kann.
Der Obriſt, welcher dieß alles anhoͤrte, ſchick-
te in ſeinem Namen herauf, und ich that, als
wenn ich zu ihm hinunter ginge. Jch fuͤhrte den
betruͤbten Cavallier herein: nachdem ſie vorher
die ſpaniſche Wand ſo nahe, als moͤglich, an das
Fenſter zu ſetzen befohlen hatte, damit er nicht ſe-
hen moͤchte, was hinter derſelben waͤre. Weil
er unterdeſſen gehoͤrt, was ſie davon geſagt hatte:
ſo war er ſchon entſchloſſen, nichts davon zu er-
waͤhnen.
Er faßte den Engel in ſeine Arme, wie ſie
auf dem Stuhl ſaß, und fiel auf ein Knie. Denn
ſie ſtuͤtzte ſich auf die beyden Arme des Stuhls
und verſuchte aufzuſtehen, konnte aber nicht.
Entſchuldigen ſie mich, mein wertheſter Hr. Vet-
ter, ſprach ſie, entſchuldigen ſie mich, daß ich nicht
aufſtehen kann ‒ ‒ Jch erwartete dieſe Gewo-
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daß ich dieſe bequeme Gelegenheit habe, ihnen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/438>, abgerufen am 22.11.2024.
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