getreue Nachricht von denen Umständen zu geben, in welchen Sie wären. Allein ich bekam dafür einen Verweis von Jhrem Bruder: und dieß gab zu einigen zornigen Worten zwischen ihm und dem Herrn Morden Gelegenheit.
Jch glaube, gnädiger Herr, ich glaube, gnä- dige Frau; waren die Worte Jhrer Schwester zu ihren Eltern; daß wir meinen Herrn Vetter nicht weiter bemühen dürfen, noch mehr zu lesen. Es macht ihnen nur Unruhe und Kummer. Meine Schwester, Clärchen, scheinet sich schlecht zu befinden: ich denke, es würde nicht unrecht seyn, wenn Fr. Norton die Erlaubniß bekäme, zu ihr hinaufzureisen. So gottlos sie auch ge- handelt hat: so würde es doch, wofern sie wahr- haftig Reue empfindet - -
Hier hielte sie inne: und da ein jeder stille schwieg; so stand ich noch einmal auf, und bat sie, mich reisen zu lassen. Jch erbot mich auch da- bey, eine oder zwo Stellen aus Jhrem Briefe an mich vom 24ten vorzulesen: aber Jhr Bruder fuhr mich wieder an; und dieß veranlassete einen noch heftigern Wortwechsel zwischen dem Obristen und ihm.
Jhre Fr. Mutter hatte noch Hoffnung, Jh- ren unbeweglichen Bruder zu gewinnen, und die erbitterten Gemüther der beyden Cavalliers aus einander zu bringen. Deswegen schlug sie vor, daß der Obrist fortfahren möchte, den Auszug aus Jhrem Briefe zu lesen.
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getreue Nachricht von denen Umſtaͤnden zu geben, in welchen Sie waͤren. Allein ich bekam dafuͤr einen Verweis von Jhrem Bruder: und dieß gab zu einigen zornigen Worten zwiſchen ihm und dem Herrn Morden Gelegenheit.
Jch glaube, gnaͤdiger Herr, ich glaube, gnaͤ- dige Frau; waren die Worte Jhrer Schweſter zu ihren Eltern; daß wir meinen Herrn Vetter nicht weiter bemuͤhen duͤrfen, noch mehr zu leſen. Es macht ihnen nur Unruhe und Kummer. Meine Schweſter, Claͤrchen, ſcheinet ſich ſchlecht zu befinden: ich denke, es wuͤrde nicht unrecht ſeyn, wenn Fr. Norton die Erlaubniß bekaͤme, zu ihr hinaufzureiſen. So gottlos ſie auch ge- handelt hat: ſo wuͤrde es doch, wofern ſie wahr- haftig Reue empfindet ‒ ‒
Hier hielte ſie inne: und da ein jeder ſtille ſchwieg; ſo ſtand ich noch einmal auf, und bat ſie, mich reiſen zu laſſen. Jch erbot mich auch da- bey, eine oder zwo Stellen aus Jhrem Briefe an mich vom 24ten vorzuleſen: aber Jhr Bruder fuhr mich wieder an; und dieß veranlaſſete einen noch heftigern Wortwechſel zwiſchen dem Obriſten und ihm.
Jhre Fr. Mutter hatte noch Hoffnung, Jh- ren unbeweglichen Bruder zu gewinnen, und die erbitterten Gemuͤther der beyden Cavalliers aus einander zu bringen. Deswegen ſchlug ſie vor, daß der Obriſt fortfahren moͤchte, den Auszug aus Jhrem Briefe zu leſen.
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getreue Nachricht von denen Umſtaͤnden zu geben,
in welchen Sie waͤren. Allein ich bekam dafuͤr
einen Verweis von Jhrem Bruder: und dieß
gab zu einigen zornigen Worten zwiſchen ihm und
dem Herrn Morden Gelegenheit.
Jch glaube, gnaͤdiger Herr, ich glaube, gnaͤ-
dige Frau; waren die Worte Jhrer Schweſter
zu ihren Eltern; daß wir meinen Herrn Vetter
nicht weiter bemuͤhen duͤrfen, noch mehr zu leſen.
Es macht ihnen nur Unruhe und Kummer.
Meine Schweſter, Claͤrchen, ſcheinet ſich ſchlecht
zu befinden: ich denke, es wuͤrde nicht unrecht
ſeyn, wenn Fr. Norton die Erlaubniß bekaͤme,
zu ihr hinaufzureiſen. So gottlos ſie auch ge-
handelt hat: ſo wuͤrde es doch, wofern ſie wahr-
haftig Reue empfindet ‒ ‒
Hier hielte ſie inne: und da ein jeder ſtille
ſchwieg; ſo ſtand ich noch einmal auf, und bat ſie,
mich reiſen zu laſſen. Jch erbot mich auch da-
bey, eine oder zwo Stellen aus Jhrem Briefe an
mich vom 24ten vorzuleſen: aber Jhr Bruder
fuhr mich wieder an; und dieß veranlaſſete einen
noch heftigern Wortwechſel zwiſchen dem Obriſten
und ihm.
Jhre Fr. Mutter hatte noch Hoffnung, Jh-
ren unbeweglichen Bruder zu gewinnen, und die
erbitterten Gemuͤther der beyden Cavalliers aus
einander zu bringen. Deswegen ſchlug ſie vor,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/335>, abgerufen am 22.11.2024.
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