Scheuslichste unter allen Bösewichtern, Sie die Unbefleckteste unter allen Unschuldigen wären.
Dieß ergriff er, und schwur, wenn er finden könnte, daß irgend etwas außerordentliches oder grausames in der Verführung wäre, wie aller- dings einer von ihren Briefen zu verrathen ge- schienen hätte; das heißt, meine Wertheste, wenn etwas ärgers dabey wäre, als Meineid, Treulo- sigkeit und Misbrauch eines edelmüthigen Ver- trauens! - - Die jämmerlichen Leute! - - so wollte er seine Base bis auf das äußerste rächen.
Jch stellte Jhre Furcht, die Sie eben davor hätten, aus ihrem letzten Briefe an mich nach- drücklich vor. Allein er schien im Stande zu seyn, dasjenige, was nach meiner Ueberzeugung wahre und erhabene Großmuth ist, in einem unanständi- gen Sinne zu nehmen. Denn er gedachte un- mittelbar darauf der Erwartung, in welcher Jhre Freunde stünden, daß Sie, ehe noch eine Aussöh- nung mit ihnen vorginge, vor Gericht gegen den schändlichen Kerl erscheinen sollten - - wofern Sie es mit so vielem Vortheil für sich selbst thun könnten, als ich zu verstehen gäbe.
Und in Wahrheit, wenn ich ihn hätte hören wollen, so war die Zärtlichkeit des Gemüths bey ihm geringe genug, daß er sich in die eigentliche Beschaffenheit des Beweises, von dem Verbre- chen, über welches sie Lovelacen gerichtlich belan- get wissen wollten, eingelassen hätte: und dennoch ist dieß ein Cavallier, der sich durch Reisen und Gelehrsamkeit verbessert hat! - - Auf mein
Wort,
Scheuslichſte unter allen Boͤſewichtern, Sie die Unbefleckteſte unter allen Unſchuldigen waͤren.
Dieß ergriff er, und ſchwur, wenn er finden koͤnnte, daß irgend etwas außerordentliches oder grauſames in der Verfuͤhrung waͤre, wie aller- dings einer von ihren Briefen zu verrathen ge- ſchienen haͤtte; das heißt, meine Wertheſte, wenn etwas aͤrgers dabey waͤre, als Meineid, Treulo- ſigkeit und Misbrauch eines edelmuͤthigen Ver- trauens! ‒ ‒ Die jaͤmmerlichen Leute! ‒ ‒ ſo wollte er ſeine Baſe bis auf das aͤußerſte raͤchen.
Jch ſtellte Jhre Furcht, die Sie eben davor haͤtten, aus ihrem letzten Briefe an mich nach- druͤcklich vor. Allein er ſchien im Stande zu ſeyn, dasjenige, was nach meiner Ueberzeugung wahre und erhabene Großmuth iſt, in einem unanſtaͤndi- gen Sinne zu nehmen. Denn er gedachte un- mittelbar darauf der Erwartung, in welcher Jhre Freunde ſtuͤnden, daß Sie, ehe noch eine Ausſoͤh- nung mit ihnen vorginge, vor Gericht gegen den ſchaͤndlichen Kerl erſcheinen ſollten ‒ ‒ wofern Sie es mit ſo vielem Vortheil fuͤr ſich ſelbſt thun koͤnnten, als ich zu verſtehen gaͤbe.
Und in Wahrheit, wenn ich ihn haͤtte hoͤren wollen, ſo war die Zaͤrtlichkeit des Gemuͤths bey ihm geringe genug, daß er ſich in die eigentliche Beſchaffenheit des Beweiſes, von dem Verbre- chen, uͤber welches ſie Lovelacen gerichtlich belan- get wiſſen wollten, eingelaſſen haͤtte: und dennoch iſt dieß ein Cavallier, der ſich durch Reiſen und Gelehrſamkeit verbeſſert hat! ‒ ‒ Auf mein
Wort,
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Scheuslichſte unter allen Boͤſewichtern, Sie die
Unbefleckteſte unter allen Unſchuldigen waͤren.
Dieß ergriff er, und ſchwur, wenn er finden
koͤnnte, daß irgend etwas außerordentliches oder
grauſames in der Verfuͤhrung waͤre, wie aller-
dings einer von ihren Briefen zu verrathen ge-
ſchienen haͤtte; das heißt, meine Wertheſte, wenn
etwas aͤrgers dabey waͤre, als Meineid, Treulo-
ſigkeit und Misbrauch eines edelmuͤthigen Ver-
trauens! ‒ ‒ Die jaͤmmerlichen Leute! ‒ ‒ ſo
wollte er ſeine Baſe bis auf das aͤußerſte raͤchen.
Jch ſtellte Jhre Furcht, die Sie eben davor
haͤtten, aus ihrem letzten Briefe an mich nach-
druͤcklich vor. Allein er ſchien im Stande zu ſeyn,
dasjenige, was nach meiner Ueberzeugung wahre
und erhabene Großmuth iſt, in einem unanſtaͤndi-
gen Sinne zu nehmen. Denn er gedachte un-
mittelbar darauf der Erwartung, in welcher Jhre
Freunde ſtuͤnden, daß Sie, ehe noch eine Ausſoͤh-
nung mit ihnen vorginge, vor Gericht gegen den
ſchaͤndlichen Kerl erſcheinen ſollten ‒ ‒ wofern
Sie es mit ſo vielem Vortheil fuͤr ſich ſelbſt thun
koͤnnten, als ich zu verſtehen gaͤbe.
Und in Wahrheit, wenn ich ihn haͤtte hoͤren
wollen, ſo war die Zaͤrtlichkeit des Gemuͤths bey
ihm geringe genug, daß er ſich in die eigentliche
Beſchaffenheit des Beweiſes, von dem Verbre-
chen, uͤber welches ſie Lovelacen gerichtlich belan-
get wiſſen wollten, eingelaſſen haͤtte: und dennoch
iſt dieß ein Cavallier, der ſich durch Reiſen und
Gelehrſamkeit verbeſſert hat! ‒ ‒ Auf mein
Wort,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/308>, abgerufen am 23.11.2024.
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