lichkeit sind so weit geschehen und besorget, daß ich zu Dingen von geringerer Wichtigkeit Muße ge- gehabt habe. Kleinigkeiten darf man wohl beob- achten, wo nur beträchtlichere Stücke nicht ihret- wegen versäumet werden. Jch hätte dieß vielleicht zu veranstalten gehabt, wenn es sich weniger für mich geschickt, es zu veranstalten. Jch habe keine Mutter, keine Schwester, keine Fr. Norton, kei- ne Fräulein Howe, um mich. Einige von ihnen hätten dieß doch binnen wenigen Tagen, wo nicht itzo, sehen: vielleicht auch gar aus Freundschaft die Mühe, es zu veranstalten, haben müssen. Was ist denn in Ansehung ihrer der Unterschied von einigen wenigen Tagen: da ich vielmehr dadurch befriediget, als beunruhiget werde? - - Jch werde um einer solchen Zubereitung willen nicht eher ster- ben - - Sollte nicht ein jeder, der etwas verlässet, sein Testament machen? Und wer unter denen, die ein Testament machen, sollte vor einem Sarge erschrecken? - - Meine liebe Freundinnen, sprach sie zu den Frauenspersonen, ich habe diese Dinge überleget: geben sie mir nicht Ursache zu gedenken, daß sie, bey einem solchen Gegenstande, als sie, gan- ze Wochen her, an mir vor sich gehabt, es nicht ge- than haben?
Wie vernünnftig war dieß alles! - - Es zeigte in der That, daß sie es selbst wohl überlegt hatte. Dennoch aber konnten wir uns bey den Gedanken von dem Sarge, der so hereingebracht wurde, nicht der Verwirrung entschlagen: da wir die liebenswürdige Person, welche ihn nach aller
Wahr-
lichkeit ſind ſo weit geſchehen und beſorget, daß ich zu Dingen von geringerer Wichtigkeit Muße ge- gehabt habe. Kleinigkeiten darf man wohl beob- achten, wo nur betraͤchtlichere Stuͤcke nicht ihret- wegen verſaͤumet werden. Jch haͤtte dieß vielleicht zu veranſtalten gehabt, wenn es ſich weniger fuͤr mich geſchickt, es zu veranſtalten. Jch habe keine Mutter, keine Schweſter, keine Fr. Norton, kei- ne Fraͤulein Howe, um mich. Einige von ihnen haͤtten dieß doch binnen wenigen Tagen, wo nicht itzo, ſehen: vielleicht auch gar aus Freundſchaft die Muͤhe, es zu veranſtalten, haben muͤſſen. Was iſt denn in Anſehung ihrer der Unterſchied von einigen wenigen Tagen: da ich vielmehr dadurch befriediget, als beunruhiget werde? ‒ ‒ Jch werde um einer ſolchen Zubereitung willen nicht eher ſter- ben ‒ ‒ Sollte nicht ein jeder, der etwas verlaͤſſet, ſein Teſtament machen? Und wer unter denen, die ein Teſtament machen, ſollte vor einem Sarge erſchrecken? ‒ ‒ Meine liebe Freundinnen, ſprach ſie zu den Frauensperſonen, ich habe dieſe Dinge uͤberleget: geben ſie mir nicht Urſache zu gedenken, daß ſie, bey einem ſolchen Gegenſtande, als ſie, gan- ze Wochen her, an mir vor ſich gehabt, es nicht ge- than haben?
Wie vernuͤnnftig war dieß alles! ‒ ‒ Es zeigte in der That, daß ſie es ſelbſt wohl uͤberlegt hatte. Dennoch aber konnten wir uns bey den Gedanken von dem Sarge, der ſo hereingebracht wurde, nicht der Verwirrung entſchlagen: da wir die liebenswuͤrdige Perſon, welche ihn nach aller
Wahr-
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lichkeit ſind ſo weit geſchehen und beſorget, daß ich
zu Dingen von geringerer Wichtigkeit Muße ge-
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achten, wo nur betraͤchtlichere Stuͤcke nicht ihret-
wegen verſaͤumet werden. Jch haͤtte dieß vielleicht
zu veranſtalten gehabt, wenn es ſich weniger fuͤr
mich geſchickt, es zu veranſtalten. Jch habe keine
Mutter, keine Schweſter, keine Fr. Norton, kei-
ne Fraͤulein Howe, um mich. Einige von ihnen
haͤtten dieß doch binnen wenigen Tagen, wo nicht
itzo, ſehen: vielleicht auch gar aus Freundſchaft
die Muͤhe, es zu veranſtalten, haben muͤſſen.
Was iſt denn in Anſehung ihrer der Unterſchied von
einigen wenigen Tagen: da ich vielmehr dadurch
befriediget, als beunruhiget werde? ‒ ‒ Jch werde
um einer ſolchen Zubereitung willen nicht eher ſter-
ben ‒ ‒ Sollte nicht ein jeder, der etwas verlaͤſſet,
ſein Teſtament machen? Und wer unter denen,
die ein Teſtament machen, ſollte vor einem Sarge
erſchrecken? ‒ ‒ Meine liebe Freundinnen, ſprach
ſie zu den Frauensperſonen, ich habe dieſe Dinge
uͤberleget: geben ſie mir nicht Urſache zu gedenken,
daß ſie, bey einem ſolchen Gegenſtande, als ſie, gan-
ze Wochen her, an mir vor ſich gehabt, es nicht ge-
than haben?
Wie vernuͤnnftig war dieß alles! ‒ ‒ Es
zeigte in der That, daß ſie es ſelbſt wohl uͤberlegt
hatte. Dennoch aber konnten wir uns bey den
Gedanken von dem Sarge, der ſo hereingebracht
wurde, nicht der Verwirrung entſchlagen: da wir
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/276>, abgerufen am 25.11.2024.
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