armen Mannes an der andern Seite mich nicht rühren: so muß ich dem Verderben übergeben seyn; wie ich fürchte, daß du seyn wirst, wo du dir nicht beydes zu Nutze machest.
Unter denen Trostgründen, welche ich ihm nachdrücklich vorhielte, als ich das letzte mal, in der Nacht vom Sonntage auf den Montag, zu ihm gerufen war, stellte ich ihm vor, daß er sich nicht ganz der Verzweifelung überlassen müßte, und daß manche Furcht, durch die er beunruhiget würde, auch die gottseligsten Leute, wegen der schrecklichen Ungewißheit des künftigen Zustandes nach diesem Leben, überfallen müßte. Ein Dich- ter und Gottesgelehrter, sagte ich, welcher ein vortrefflicher Christ war (*), hat sehr wohl be- merket:
Kein Aufzug für den Tod kann trauriger ent- zücken, Als Krankheit vor ihm her, und Finsterniß im Rücken.
Gestern, am Montage, frühe um acht Uhr, fand ich ihn ein wenig geruhiger. Er fragte mich, wer der Verfasser von den zwoen Zeilen wäre, die ich ihm angezogen hatte, und ließ mich dieselben noch einmal hersagen. Ein trauriger Aufzug in Wahrheit! sprach der arme Mann, und erklärte sich, daß er gar keine Hoffnung hät- te länger zu leben. Er bezeugte, daß es ihm er- schrecklich wäre, an den Tod zu gedenken, und
zog
(*) Der ehrwürdige Herr Norris von Bemerton.
armen Mannes an der andern Seite mich nicht ruͤhren: ſo muß ich dem Verderben uͤbergeben ſeyn; wie ich fuͤrchte, daß du ſeyn wirſt, wo du dir nicht beydes zu Nutze macheſt.
Unter denen Troſtgruͤnden, welche ich ihm nachdruͤcklich vorhielte, als ich das letzte mal, in der Nacht vom Sonntage auf den Montag, zu ihm gerufen war, ſtellte ich ihm vor, daß er ſich nicht ganz der Verzweifelung uͤberlaſſen muͤßte, und daß manche Furcht, durch die er beunruhiget wuͤrde, auch die gottſeligſten Leute, wegen der ſchrecklichen Ungewißheit des kuͤnftigen Zuſtandes nach dieſem Leben, uͤberfallen muͤßte. Ein Dich- ter und Gottesgelehrter, ſagte ich, welcher ein vortrefflicher Chriſt war (*), hat ſehr wohl be- merket:
Kein Aufzug fuͤr den Tod kann trauriger ent- zuͤcken, Als Krankheit vor ihm her, und Finſterniß im Ruͤcken.
Geſtern, am Montage, fruͤhe um acht Uhr, fand ich ihn ein wenig geruhiger. Er fragte mich, wer der Verfaſſer von den zwoen Zeilen waͤre, die ich ihm angezogen hatte, und ließ mich dieſelben noch einmal herſagen. Ein trauriger Aufzug in Wahrheit! ſprach der arme Mann, und erklaͤrte ſich, daß er gar keine Hoffnung haͤt- te laͤnger zu leben. Er bezeugte, daß es ihm er- ſchrecklich waͤre, an den Tod zu gedenken, und
zog
(*) Der ehrwuͤrdige Herr Norris von Bemerton.
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armen Mannes an der andern Seite mich nicht
ruͤhren: ſo muß ich dem Verderben uͤbergeben
ſeyn; wie ich fuͤrchte, daß du ſeyn wirſt, wo du
dir nicht beydes zu Nutze macheſt.
Unter denen Troſtgruͤnden, welche ich ihm
nachdruͤcklich vorhielte, als ich das letzte mal, in
der Nacht vom Sonntage auf den Montag, zu
ihm gerufen war, ſtellte ich ihm vor, daß er ſich
nicht ganz der Verzweifelung uͤberlaſſen muͤßte,
und daß manche Furcht, durch die er beunruhiget
wuͤrde, auch die gottſeligſten Leute, wegen der
ſchrecklichen Ungewißheit des kuͤnftigen Zuſtandes
nach dieſem Leben, uͤberfallen muͤßte. Ein Dich-
ter und Gottesgelehrter, ſagte ich, welcher ein
vortrefflicher Chriſt war (*), hat ſehr wohl be-
merket:
Kein Aufzug fuͤr den Tod kann trauriger ent-
zuͤcken,
Als Krankheit vor ihm her, und Finſterniß im
Ruͤcken.
Geſtern, am Montage, fruͤhe um acht Uhr,
fand ich ihn ein wenig geruhiger. Er fragte
mich, wer der Verfaſſer von den zwoen Zeilen
waͤre, die ich ihm angezogen hatte, und ließ mich
dieſelben noch einmal herſagen. Ein trauriger
Aufzug in Wahrheit! ſprach der arme Mann,
und erklaͤrte ſich, daß er gar keine Hoffnung haͤt-
te laͤnger zu leben. Er bezeugte, daß es ihm er-
ſchrecklich waͤre, an den Tod zu gedenken, und
zog
(*) Der ehrwuͤrdige Herr Norris von Bemerton.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/26>, abgerufen am 23.11.2024.
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