gen, wofern es eben das seyn wird, was ich itzt fühle, daß die Uebel, welche vor und bey dir sind, etwas mehr sind, als die Wirkungen der Einbildungskraft.
Jn der Nacht vom Sonntage auf den Mon- tag ward ich zweymal zu ihm gerufen. Denn der arme Mann fürchtet sich, wenn die Vorstel- lungen von seinem vergangenen Leben ihn am meisten beunruhigen, mit den Weibsleuten allein zu seyn, und seine Augen, sagen sie mir, gehen ihm in dem Kopfe herum, und suchen mich. Wo ist Herr Belford? - - Aber ich werde ihn verdrieslich machen, schreyet er - - Jedoch bit- tet ihn zu mir zu kommen - - Doch nein, thut es nicht - - Doch thut es nur. So zweifelhaft und veränderlich war er einmal in seinen Befeh- len: und sie riefen mich, denselben zu Folge, hin- auf zu kommen.
Aber ach! was konnte ihm Belford helfen? Belford, der nur gar zu oft in den strafwürdigen Stunden sein Mitgeselle gewesen, der eben so viel Barmherzigkeit nöthig hat, als er, und nicht im Stande ist sich selbst einmal dieselbe zu verspre- chen, ob sie gleich das einzige ist, worauf er sei- nen armen Freund sich zu verlassen ermahnen kann.
Was für Missethäter sind wir! Was für Personen werden wir in diesen schrecklichen Stun- den spielen.
Wo das herrliche Beyspiel der Fräulein Harlowe an einer, und das Schrecken dieses
armen
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gen, wofern es eben das ſeyn wird, was ich itzt fuͤhle, daß die Uebel, welche vor und bey dir ſind, etwas mehr ſind, als die Wirkungen der Einbildungskraft.
Jn der Nacht vom Sonntage auf den Mon- tag ward ich zweymal zu ihm gerufen. Denn der arme Mann fuͤrchtet ſich, wenn die Vorſtel- lungen von ſeinem vergangenen Leben ihn am meiſten beunruhigen, mit den Weibsleuten allein zu ſeyn, und ſeine Augen, ſagen ſie mir, gehen ihm in dem Kopfe herum, und ſuchen mich. Wo iſt Herr Belford? ‒ ‒ Aber ich werde ihn verdrieslich machen, ſchreyet er ‒ ‒ Jedoch bit- tet ihn zu mir zu kommen ‒ ‒ Doch nein, thut es nicht ‒ ‒ Doch thut es nur. So zweifelhaft und veraͤnderlich war er einmal in ſeinen Befeh- len: und ſie riefen mich, denſelben zu Folge, hin- auf zu kommen.
Aber ach! was konnte ihm Belford helfen? Belford, der nur gar zu oft in den ſtrafwuͤrdigen Stunden ſein Mitgeſelle geweſen, der eben ſo viel Barmherzigkeit noͤthig hat, als er, und nicht im Stande iſt ſich ſelbſt einmal dieſelbe zu verſpre- chen, ob ſie gleich das einzige iſt, worauf er ſei- nen armen Freund ſich zu verlaſſen ermahnen kann.
Was fuͤr Miſſethaͤter ſind wir! Was fuͤr Perſonen werden wir in dieſen ſchrecklichen Stun- den ſpielen.
Wo das herrliche Beyſpiel der Fraͤulein Harlowe an einer, und das Schrecken dieſes
armen
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gen, wofern es eben das ſeyn wird, was ich itzt
fuͤhle, daß die Uebel, welche vor und bey dir
ſind, etwas mehr ſind, als die Wirkungen der
Einbildungskraft.
Jn der Nacht vom Sonntage auf den Mon-
tag ward ich zweymal zu ihm gerufen. Denn
der arme Mann fuͤrchtet ſich, wenn die Vorſtel-
lungen von ſeinem vergangenen Leben ihn am
meiſten beunruhigen, mit den Weibsleuten allein
zu ſeyn, und ſeine Augen, ſagen ſie mir, gehen
ihm in dem Kopfe herum, und ſuchen mich.
Wo iſt Herr Belford? ‒ ‒ Aber ich werde ihn
verdrieslich machen, ſchreyet er ‒ ‒ Jedoch bit-
tet ihn zu mir zu kommen ‒ ‒ Doch nein, thut
es nicht ‒ ‒ Doch thut es nur. So zweifelhaft
und veraͤnderlich war er einmal in ſeinen Befeh-
len: und ſie riefen mich, denſelben zu Folge, hin-
auf zu kommen.
Aber ach! was konnte ihm Belford helfen?
Belford, der nur gar zu oft in den ſtrafwuͤrdigen
Stunden ſein Mitgeſelle geweſen, der eben ſo viel
Barmherzigkeit noͤthig hat, als er, und nicht im
Stande iſt ſich ſelbſt einmal dieſelbe zu verſpre-
chen, ob ſie gleich das einzige iſt, worauf er ſei-
nen armen Freund ſich zu verlaſſen ermahnen
kann.
Was fuͤr Miſſethaͤter ſind wir! Was fuͤr
Perſonen werden wir in dieſen ſchrecklichen Stun-
den ſpielen.
Wo das herrliche Beyſpiel der Fraͤulein
Harlowe an einer, und das Schrecken dieſes
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/25>, abgerufen am 23.11.2024.
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