Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



ihrem guten Namen leiden können, weil sie in ih-
rer Gesellschaft gesehen werden.

Was den Herrn Brand betrifft, setzte sie hin-
zu, so muß man Mitleiden mit ihm haben: und
erlauben sie mir, Herr Belford, ihnen auf das
nachdrücklichste zu empfehlen, daß sie keinen Wi-
derwillen gegen ihn fassen, der seiner Person oder
seinen Gütern nachtheilig seyn möchte. Lassen
sie sein Amt und seine gute Meynung für ihn
sprechen. Er wird Kummer genug haben, wenn
er findet, daß ein jeder, dessen Unwillen mich itzo
drücket, mein Angedenken von aller verkehrten
Schuld losspricht, und sich mit den andern zu ei-
nem allgemeinen Mittleiden mit mir vereiniget.

Dieß, Lovelace, ist die Fräulein, deren Leben
du in ihrer Blüte verkürzet hast! - - Wie viele
Gelegenheiten mußt du gehabt haben, ihren un-
schätzbaren Werth zu bewundern! Und dennoch
konntest du deine Sinne durch das Frauenzim-
mer
in ihrer reizenden Person so betäuben lassen,
daß du gegen den Engel, der in so vollkommener
Pracht aus ihrem Gemüthe hervorblicket, blind
warest? Jn der That, mir ist es allezeit, so oft
ich das Glück gehabt, mit ihr umzugehen, nicht
anders vorgekommen, als wenn ich mit einem
wirklichen Engel in Gesellschaft wäre: und ich
bin versichert, daß es für mich unmöglich seyn
würde, wenn sie auch noch eben so schön und von
einer eben so blühenden Gesundheit wäre, als ich
sie gesehen habe, den geringsten Gedanken von ei-

ner



ihrem guten Namen leiden koͤnnen, weil ſie in ih-
rer Geſellſchaft geſehen werden.

Was den Herrn Brand betrifft, ſetzte ſie hin-
zu, ſo muß man Mitleiden mit ihm haben: und
erlauben ſie mir, Herr Belford, ihnen auf das
nachdruͤcklichſte zu empfehlen, daß ſie keinen Wi-
derwillen gegen ihn faſſen, der ſeiner Perſon oder
ſeinen Guͤtern nachtheilig ſeyn moͤchte. Laſſen
ſie ſein Amt und ſeine gute Meynung fuͤr ihn
ſprechen. Er wird Kummer genug haben, wenn
er findet, daß ein jeder, deſſen Unwillen mich itzo
druͤcket, mein Angedenken von aller verkehrten
Schuld losſpricht, und ſich mit den andern zu ei-
nem allgemeinen Mittleiden mit mir vereiniget.

Dieß, Lovelace, iſt die Fraͤulein, deren Leben
du in ihrer Bluͤte verkuͤrzet haſt! ‒ ‒ Wie viele
Gelegenheiten mußt du gehabt haben, ihren un-
ſchaͤtzbaren Werth zu bewundern! Und dennoch
konnteſt du deine Sinne durch das Frauenzim-
mer
in ihrer reizenden Perſon ſo betaͤuben laſſen,
daß du gegen den Engel, der in ſo vollkommener
Pracht aus ihrem Gemuͤthe hervorblicket, blind
wareſt? Jn der That, mir iſt es allezeit, ſo oft
ich das Gluͤck gehabt, mit ihr umzugehen, nicht
anders vorgekommen, als wenn ich mit einem
wirklichen Engel in Geſellſchaft waͤre: und ich
bin verſichert, daß es fuͤr mich unmoͤglich ſeyn
wuͤrde, wenn ſie auch noch eben ſo ſchoͤn und von
einer eben ſo bluͤhenden Geſundheit waͤre, als ich
ſie geſehen habe, den geringſten Gedanken von ei-

ner
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0257" n="251"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ihrem guten Namen leiden ko&#x0364;nnen, weil &#x017F;ie in ih-<lb/>
rer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ge&#x017F;ehen werden.</p><lb/>
            <p>Was den Herrn Brand betrifft, &#x017F;etzte &#x017F;ie hin-<lb/>
zu, &#x017F;o muß man Mitleiden mit ihm haben: und<lb/>
erlauben &#x017F;ie mir, Herr Belford, ihnen auf das<lb/>
nachdru&#x0364;cklich&#x017F;te zu empfehlen, daß &#x017F;ie keinen Wi-<lb/>
derwillen gegen ihn fa&#x017F;&#x017F;en, der &#x017F;einer Per&#x017F;on oder<lb/>
&#x017F;einen Gu&#x0364;tern nachtheilig &#x017F;eyn mo&#x0364;chte. La&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ein Amt und &#x017F;eine gute Meynung fu&#x0364;r ihn<lb/>
&#x017F;prechen. Er wird Kummer genug haben, wenn<lb/>
er findet, daß ein jeder, de&#x017F;&#x017F;en Unwillen mich itzo<lb/>
dru&#x0364;cket, mein Angedenken von aller verkehrten<lb/>
Schuld los&#x017F;pricht, und &#x017F;ich mit den andern zu ei-<lb/>
nem allgemeinen Mittleiden mit mir vereiniget.</p><lb/>
            <p>Dieß, Lovelace, i&#x017F;t die Fra&#x0364;ulein, deren Leben<lb/>
du in ihrer Blu&#x0364;te verku&#x0364;rzet ha&#x017F;t! &#x2012; &#x2012; Wie viele<lb/>
Gelegenheiten mußt du gehabt haben, ihren un-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzbaren Werth zu bewundern! Und dennoch<lb/>
konnte&#x017F;t du deine Sinne durch das <hi rendition="#fr">Frauenzim-<lb/>
mer</hi> in ihrer reizenden Per&#x017F;on &#x017F;o beta&#x0364;uben la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß du gegen den <hi rendition="#fr">Engel,</hi> der in &#x017F;o vollkommener<lb/>
Pracht aus ihrem Gemu&#x0364;the hervorblicket, blind<lb/>
ware&#x017F;t? Jn der That, mir i&#x017F;t es allezeit, &#x017F;o oft<lb/>
ich das Glu&#x0364;ck gehabt, mit ihr umzugehen, nicht<lb/>
anders vorgekommen, als wenn ich mit einem<lb/>
wirklichen Engel in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft wa&#x0364;re: und ich<lb/>
bin ver&#x017F;ichert, daß es fu&#x0364;r mich unmo&#x0364;glich &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie auch noch eben &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n und von<lb/>
einer eben &#x017F;o blu&#x0364;henden Ge&#x017F;undheit wa&#x0364;re, als ich<lb/>
&#x017F;ie ge&#x017F;ehen habe, den gering&#x017F;ten Gedanken von ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ner</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0257] ihrem guten Namen leiden koͤnnen, weil ſie in ih- rer Geſellſchaft geſehen werden. Was den Herrn Brand betrifft, ſetzte ſie hin- zu, ſo muß man Mitleiden mit ihm haben: und erlauben ſie mir, Herr Belford, ihnen auf das nachdruͤcklichſte zu empfehlen, daß ſie keinen Wi- derwillen gegen ihn faſſen, der ſeiner Perſon oder ſeinen Guͤtern nachtheilig ſeyn moͤchte. Laſſen ſie ſein Amt und ſeine gute Meynung fuͤr ihn ſprechen. Er wird Kummer genug haben, wenn er findet, daß ein jeder, deſſen Unwillen mich itzo druͤcket, mein Angedenken von aller verkehrten Schuld losſpricht, und ſich mit den andern zu ei- nem allgemeinen Mittleiden mit mir vereiniget. Dieß, Lovelace, iſt die Fraͤulein, deren Leben du in ihrer Bluͤte verkuͤrzet haſt! ‒ ‒ Wie viele Gelegenheiten mußt du gehabt haben, ihren un- ſchaͤtzbaren Werth zu bewundern! Und dennoch konnteſt du deine Sinne durch das Frauenzim- mer in ihrer reizenden Perſon ſo betaͤuben laſſen, daß du gegen den Engel, der in ſo vollkommener Pracht aus ihrem Gemuͤthe hervorblicket, blind wareſt? Jn der That, mir iſt es allezeit, ſo oft ich das Gluͤck gehabt, mit ihr umzugehen, nicht anders vorgekommen, als wenn ich mit einem wirklichen Engel in Geſellſchaft waͤre: und ich bin verſichert, daß es fuͤr mich unmoͤglich ſeyn wuͤrde, wenn ſie auch noch eben ſo ſchoͤn und von einer eben ſo bluͤhenden Geſundheit waͤre, als ich ſie geſehen habe, den geringſten Gedanken von ei- ner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/257
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/257>, abgerufen am 12.05.2024.