Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



scheinen werden. Hat sie ihnen dann eine Ant-
wort auf diesen Brief geschickt, mein Herr?

Ja: allein mit Widerstreben, ich gestehe
es; und nicht eher, als bis ich mich durch mei-
nen Freund erkläret hatte, daß, wo ich keine Ant-
wort erlangen könnte, ich selbst nach London kom-
men und mich zu ihren Füßen werfen wollte.

Jch wünschte, daß es mir erlaubt seyn möch-
te, die Antwort zu sehen, mein Herr, oder dieje-
nigen Stellen davon, welche sie für gut befinden
werden, vorlesen zu hören.

Jch suchte meine Papiere durch. Hier ist
sie, mein Herr (*). Jch will mir kein Beden-
ken machen, sie ihnen in ihre Hände zu geben.

Dieß ist sehr höflich, Herr Lovelace.

Er las sie. Meine reizende Base! - -
Wie stark ist ihr Unwillen! - - Wie liebreich
sind dennoch zugleich ihre Wünsche! Lieber Gott!
daß ein so vortreffliches Frauenzimmer - - Al-
lein, sie, Herr Lovelace, werden es eben so sehr be-
dauren als ich selbst, ich zweifle nicht daran - -

Jch fiel ihm in die Rede, und schwur, daß ich
es thäte.

Es muß billig so seyn, versetzte er. Jch wun-
dere mich auch nicht, daß es so seyn sollte. Jch
werde ihnen alsobald erzählen, fuhr er fort, wie
viel sie durch falsche und betrügerische Nachrich-
ten bey ihren Freunden leidet. Wollen sie mir
aber erlauben, mein Herr, diese beyden Briefe

mit
(*) Man sehe den VI Theil, S. 733.



ſcheinen werden. Hat ſie ihnen dann eine Ant-
wort auf dieſen Brief geſchickt, mein Herr?

Ja: allein mit Widerſtreben, ich geſtehe
es; und nicht eher, als bis ich mich durch mei-
nen Freund erklaͤret hatte, daß, wo ich keine Ant-
wort erlangen koͤnnte, ich ſelbſt nach London kom-
men und mich zu ihren Fuͤßen werfen wollte.

Jch wuͤnſchte, daß es mir erlaubt ſeyn moͤch-
te, die Antwort zu ſehen, mein Herr, oder dieje-
nigen Stellen davon, welche ſie fuͤr gut befinden
werden, vorleſen zu hoͤren.

Jch ſuchte meine Papiere durch. Hier iſt
ſie, mein Herr (*). Jch will mir kein Beden-
ken machen, ſie ihnen in ihre Haͤnde zu geben.

Dieß iſt ſehr hoͤflich, Herr Lovelace.

Er las ſie. Meine reizende Baſe! ‒ ‒
Wie ſtark iſt ihr Unwillen! ‒ ‒ Wie liebreich
ſind dennoch zugleich ihre Wuͤnſche! Lieber Gott!
daß ein ſo vortreffliches Frauenzimmer ‒ ‒ Al-
lein, ſie, Herr Lovelace, werden es eben ſo ſehr be-
dauren als ich ſelbſt, ich zweifle nicht daran ‒ ‒

Jch fiel ihm in die Rede, und ſchwur, daß ich
es thaͤte.

Es muß billig ſo ſeyn, verſetzte er. Jch wun-
dere mich auch nicht, daß es ſo ſeyn ſollte. Jch
werde ihnen alſobald erzaͤhlen, fuhr er fort, wie
viel ſie durch falſche und betruͤgeriſche Nachrich-
ten bey ihren Freunden leidet. Wollen ſie mir
aber erlauben, mein Herr, dieſe beyden Briefe

mit
(*) Man ſehe den VI Theil, S. 733.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0222" n="216"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;cheinen werden. Hat &#x017F;ie ihnen dann eine Ant-<lb/>
wort auf die&#x017F;en Brief ge&#x017F;chickt, mein Herr?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Ja:</hi> allein mit <hi rendition="#fr">Wider&#x017F;treben,</hi> ich ge&#x017F;tehe<lb/>
es; und nicht eher, als bis ich mich durch mei-<lb/>
nen Freund erkla&#x0364;ret hatte, daß, wo ich keine Ant-<lb/>
wort erlangen ko&#x0364;nnte, ich &#x017F;elb&#x017F;t nach London kom-<lb/>
men und mich zu ihren Fu&#x0364;ßen werfen wollte.</p><lb/>
          <p>Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß es mir erlaubt &#x017F;eyn mo&#x0364;ch-<lb/>
te, die Antwort zu &#x017F;ehen, mein Herr, oder dieje-<lb/>
nigen Stellen davon, welche &#x017F;ie fu&#x0364;r gut befinden<lb/>
werden, vorle&#x017F;en zu ho&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;uchte meine Papiere durch. Hier i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie, mein Herr <note place="foot" n="(*)">Man &#x017F;ehe den <hi rendition="#aq">VI</hi> Theil, S. 733.</note>. Jch will mir kein Beden-<lb/>
ken machen, &#x017F;ie ihnen in ihre Ha&#x0364;nde zu geben.</p><lb/>
          <p>Dieß i&#x017F;t &#x017F;ehr ho&#x0364;flich, Herr Lovelace.</p><lb/>
          <p>Er las &#x017F;ie. Meine reizende Ba&#x017F;e! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Wie &#x017F;tark i&#x017F;t ihr Unwillen! &#x2012; &#x2012; Wie liebreich<lb/>
&#x017F;ind dennoch zugleich ihre Wu&#x0364;n&#x017F;che! Lieber Gott!<lb/>
daß ein &#x017F;o vortreffliches Frauenzimmer &#x2012; &#x2012; Al-<lb/>
lein, &#x017F;ie, Herr Lovelace, werden es eben &#x017F;o &#x017F;ehr be-<lb/>
dauren als ich &#x017F;elb&#x017F;t, ich zweifle nicht daran &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Jch fiel ihm in die Rede, und &#x017F;chwur, daß ich<lb/>
es tha&#x0364;te.</p><lb/>
          <p>Es muß billig &#x017F;o &#x017F;eyn, ver&#x017F;etzte er. Jch wun-<lb/>
dere mich auch nicht, daß es &#x017F;o &#x017F;eyn &#x017F;ollte. Jch<lb/>
werde ihnen al&#x017F;obald erza&#x0364;hlen, fuhr er fort, wie<lb/>
viel &#x017F;ie durch fal&#x017F;che und betru&#x0364;geri&#x017F;che Nachrich-<lb/>
ten bey ihren Freunden leidet. Wollen &#x017F;ie mir<lb/>
aber erlauben, mein Herr, die&#x017F;e beyden Briefe<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0222] ſcheinen werden. Hat ſie ihnen dann eine Ant- wort auf dieſen Brief geſchickt, mein Herr? Ja: allein mit Widerſtreben, ich geſtehe es; und nicht eher, als bis ich mich durch mei- nen Freund erklaͤret hatte, daß, wo ich keine Ant- wort erlangen koͤnnte, ich ſelbſt nach London kom- men und mich zu ihren Fuͤßen werfen wollte. Jch wuͤnſchte, daß es mir erlaubt ſeyn moͤch- te, die Antwort zu ſehen, mein Herr, oder dieje- nigen Stellen davon, welche ſie fuͤr gut befinden werden, vorleſen zu hoͤren. Jch ſuchte meine Papiere durch. Hier iſt ſie, mein Herr (*). Jch will mir kein Beden- ken machen, ſie ihnen in ihre Haͤnde zu geben. Dieß iſt ſehr hoͤflich, Herr Lovelace. Er las ſie. Meine reizende Baſe! ‒ ‒ Wie ſtark iſt ihr Unwillen! ‒ ‒ Wie liebreich ſind dennoch zugleich ihre Wuͤnſche! Lieber Gott! daß ein ſo vortreffliches Frauenzimmer ‒ ‒ Al- lein, ſie, Herr Lovelace, werden es eben ſo ſehr be- dauren als ich ſelbſt, ich zweifle nicht daran ‒ ‒ Jch fiel ihm in die Rede, und ſchwur, daß ich es thaͤte. Es muß billig ſo ſeyn, verſetzte er. Jch wun- dere mich auch nicht, daß es ſo ſeyn ſollte. Jch werde ihnen alſobald erzaͤhlen, fuhr er fort, wie viel ſie durch falſche und betruͤgeriſche Nachrich- ten bey ihren Freunden leidet. Wollen ſie mir aber erlauben, mein Herr, dieſe beyden Briefe mit (*) Man ſehe den VI Theil, S. 733.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/222
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/222>, abgerufen am 03.05.2024.