Es ist nicht zu besorgen, daß der allerkühnste; zween Lovelacen können nicht in der Welt seyn; gegen eine Gemüthsart, die der Tugend wegen so verehret wird, und mit einer so reizenden Lebhaf- tigkeit des Verstandes verbunden ist, als die Ge- müthsart der Fräulein Howe, Versuche unter- nehmen könnte: jedoch, wenn jemand zur Ver- achtung eines Ehegatten durch das Beyspiel einer Person, der am meisten daran gelegen ist, ihn zu ehren, gereizet wird; was, meine werthe Freun- dinn, denken Sie davon? - - Es ist nur allzu natürlich für neidische Leute; und wer, der die Fräulein Howe kennet, wird Herrn Hickmann nicht beneiden? ihr Gespötte und Spiel mit de- nen zu treiben, welche von einem Frauenzimmer mit Verachtung angesehen werden oder Verach- tung von demselben leiden. Wofern eine Manns- person eine wahre und feurige Liebe gegen das Frauenzimmer heget, um welches er sich bewirbt: so wird er leicht durch ihr Misvergnügen furcht- sam gemacht werden; und das wird ihn zu de- müthigen Handlungen bringen, die den Namen der Niederträchtigkeit bekommen werden. Welchem wahrhaftig verständigen Frauenzimmer aber würde es gefallen, wenn man von ihr sagte, daß sie einem Manne, von dem sie dereinst Schutz und Vertheidigung erwartete, etwas auflegen wollte, das sich als eine Niederträchtigkeit oder einem Manne unanständige Erniedrigung in sei-
nem
Frauen Gewalt angethan wird, ausdeuten laſſen.
Es iſt nicht zu beſorgen, daß der allerkuͤhnſte; zween Lovelacen koͤnnen nicht in der Welt ſeyn; gegen eine Gemuͤthsart, die der Tugend wegen ſo verehret wird, und mit einer ſo reizenden Lebhaf- tigkeit des Verſtandes verbunden iſt, als die Ge- muͤthsart der Fraͤulein Howe, Verſuche unter- nehmen koͤnnte: jedoch, wenn jemand zur Ver- achtung eines Ehegatten durch das Beyſpiel einer Perſon, der am meiſten daran gelegen iſt, ihn zu ehren, gereizet wird; was, meine werthe Freun- dinn, denken Sie davon? ‒ ‒ Es iſt nur allzu natuͤrlich fuͤr neidiſche Leute; und wer, der die Fraͤulein Howe kennet, wird Herrn Hickmann nicht beneiden? ihr Geſpoͤtte und Spiel mit de- nen zu treiben, welche von einem Frauenzimmer mit Verachtung angeſehen werden oder Verach- tung von demſelben leiden. Wofern eine Manns- perſon eine wahre und feurige Liebe gegen das Frauenzimmer heget, um welches er ſich bewirbt: ſo wird er leicht durch ihr Misvergnuͤgen furcht- ſam gemacht werden; und das wird ihn zu de- muͤthigen Handlungen bringen, die den Namen der Niedertraͤchtigkeit bekommen werden. Welchem wahrhaftig verſtaͤndigen Frauenzimmer aber wuͤrde es gefallen, wenn man von ihr ſagte, daß ſie einem Manne, von dem ſie dereinſt Schutz und Vertheidigung erwartete, etwas auflegen wollte, das ſich als eine Niedertraͤchtigkeit oder einem Manne unanſtaͤndige Erniedrigung in ſei-
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Frauen Gewalt angethan wird, ausdeuten
laſſen.
Es iſt nicht zu beſorgen, daß der allerkuͤhnſte;
zween Lovelacen koͤnnen nicht in der Welt ſeyn;
gegen eine Gemuͤthsart, die der Tugend wegen ſo
verehret wird, und mit einer ſo reizenden Lebhaf-
tigkeit des Verſtandes verbunden iſt, als die Ge-
muͤthsart der Fraͤulein Howe, Verſuche unter-
nehmen koͤnnte: jedoch, wenn jemand zur Ver-
achtung eines Ehegatten durch das Beyſpiel einer
Perſon, der am meiſten daran gelegen iſt, ihn zu
ehren, gereizet wird; was, meine werthe Freun-
dinn, denken Sie davon? ‒ ‒ Es iſt nur allzu
natuͤrlich fuͤr neidiſche Leute; und wer, der die
Fraͤulein Howe kennet, wird Herrn Hickmann
nicht beneiden? ihr Geſpoͤtte und Spiel mit de-
nen zu treiben, welche von einem Frauenzimmer
mit Verachtung angeſehen werden oder Verach-
tung von demſelben leiden. Wofern eine Manns-
perſon eine wahre und feurige Liebe gegen das
Frauenzimmer heget, um welches er ſich bewirbt:
ſo wird er leicht durch ihr Misvergnuͤgen furcht-
ſam gemacht werden; und das wird ihn zu de-
muͤthigen Handlungen bringen, die den Namen
der Niedertraͤchtigkeit bekommen werden.
Welchem wahrhaftig verſtaͤndigen Frauenzimmer
aber wuͤrde es gefallen, wenn man von ihr ſagte,
daß ſie einem Manne, von dem ſie dereinſt Schutz
und Vertheidigung erwartete, etwas auflegen
wollte, das ſich als eine Niedertraͤchtigkeit oder
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/142>, abgerufen am 23.11.2024.
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