Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



einen, von dem sie wußte, daß er ein liederli-
cher Kerl war.

Ey wahrlich, sie hoffete nur, sich ein Verdienst
zu machen und ihn auf bessere Wege zu bringen.
Sie hatte sich artige Vorstellungen gemacht, wie
schön es lassen würde, wenn sie einen Bekehrten
hätte, der ihr eignes Machwerk wäre, der zu
ihrer Seiten durch die Nachbarschaft unter all-
gemeinem Beyfall zur Kirche schländerte, und,
wie ihre Familie anwüchse, an der Spitze ihrer
Bübchen und Mägdchen, nicht anders als in ei-
nem feyerlichen Zuge durch die Gassen, mit ihr
dahin gienge, so daß sich beyde mit den Früchten
ihres löblichen Verlangens; mit meinem gü-
tigen Lord Bischoff in seinem Trauschein zu re-
den; groß machten. Und was würde es ferner
für ein artiger Anblick seyn: wenn alle mit ein-
ander in einem Kirchenstuhl nach dem Alter kniee-
ten! wie wir im Gemählde auf einem alten
Denkmal eine ganze Familie gesehen haben, wo
der ehrliche Ritter in seiner Rüstung mit aufge-
habenen Händen knieend vorgestellt wird, und
hinter ihm ein halb Dutzend großköpfichter und
kurzöhrichter Jungen, die stuffen- oder trup-
penweise
nach ihrem Alter und ihrer Größe ge-
ordnet sind, alle in eben der Stellung - - Mit
seinem Gesichte gegen seine gottselige Gattinn ge-
kehrt, die einen großen Halskragen, und eben so
viele Mägdchen mit molkenhaften Gesichtern, als
er Bübchen, auf den Knien hinter sich hat - -
Mit einem Altar zwischen beyden, und einem

offenen
A 2



einen, von dem ſie wußte, daß er ein liederli-
cher Kerl war.

Ey wahrlich, ſie hoffete nur, ſich ein Verdienſt
zu machen und ihn auf beſſere Wege zu bringen.
Sie hatte ſich artige Vorſtellungen gemacht, wie
ſchoͤn es laſſen wuͤrde, wenn ſie einen Bekehrten
haͤtte, der ihr eignes Machwerk waͤre, der zu
ihrer Seiten durch die Nachbarſchaft unter all-
gemeinem Beyfall zur Kirche ſchlaͤnderte, und,
wie ihre Familie anwuͤchſe, an der Spitze ihrer
Buͤbchen und Maͤgdchen, nicht anders als in ei-
nem feyerlichen Zuge durch die Gaſſen, mit ihr
dahin gienge, ſo daß ſich beyde mit den Fruͤchten
ihres loͤblichen Verlangens; mit meinem guͤ-
tigen Lord Biſchoff in ſeinem Trauſchein zu re-
den; groß machten. Und was wuͤrde es ferner
fuͤr ein artiger Anblick ſeyn: wenn alle mit ein-
ander in einem Kirchenſtuhl nach dem Alter kniee-
ten! wie wir im Gemaͤhlde auf einem alten
Denkmal eine ganze Familie geſehen haben, wo
der ehrliche Ritter in ſeiner Ruͤſtung mit aufge-
habenen Haͤnden knieend vorgeſtellt wird, und
hinter ihm ein halb Dutzend großkoͤpfichter und
kurzoͤhrichter Jungen, die ſtuffen- oder trup-
penweiſe
nach ihrem Alter und ihrer Groͤße ge-
ordnet ſind, alle in eben der Stellung ‒ ‒ Mit
ſeinem Geſichte gegen ſeine gottſelige Gattinn ge-
kehrt, die einen großen Halskragen, und eben ſo
viele Maͤgdchen mit molkenhaften Geſichtern, als
er Buͤbchen, auf den Knien hinter ſich hat ‒ ‒
Mit einem Altar zwiſchen beyden, und einem

offenen
A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0009" n="3"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
einen, von dem &#x017F;ie <hi rendition="#fr">wußte,</hi> daß er ein liederli-<lb/>
cher Kerl war.</p><lb/>
          <p>Ey wahrlich, &#x017F;ie hoffete nur, &#x017F;ich ein Verdien&#x017F;t<lb/>
zu machen und ihn auf be&#x017F;&#x017F;ere Wege zu bringen.<lb/>
Sie hatte &#x017F;ich artige Vor&#x017F;tellungen gemacht, wie<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n es la&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie einen Bekehrten<lb/>
ha&#x0364;tte, der ihr eignes Machwerk wa&#x0364;re, der zu<lb/>
ihrer Seiten durch die Nachbar&#x017F;chaft unter all-<lb/>
gemeinem Beyfall zur Kirche &#x017F;chla&#x0364;nderte, und,<lb/>
wie ihre Familie anwu&#x0364;ch&#x017F;e, an der Spitze ihrer<lb/>
Bu&#x0364;bchen und Ma&#x0364;gdchen, nicht anders als in ei-<lb/>
nem feyerlichen Zuge durch die Ga&#x017F;&#x017F;en, mit ihr<lb/>
dahin gienge, &#x017F;o daß &#x017F;ich beyde mit den Fru&#x0364;chten<lb/>
ihres <hi rendition="#fr">lo&#x0364;blichen Verlangens;</hi> mit meinem gu&#x0364;-<lb/>
tigen Lord Bi&#x017F;choff in &#x017F;einem Trau&#x017F;chein zu re-<lb/>
den; groß machten. Und was wu&#x0364;rde es ferner<lb/>
fu&#x0364;r ein artiger Anblick &#x017F;eyn: wenn alle mit ein-<lb/>
ander in einem Kirchen&#x017F;tuhl nach dem Alter kniee-<lb/>
ten! wie wir im Gema&#x0364;hlde auf einem alten<lb/>
Denkmal eine ganze Familie ge&#x017F;ehen haben, wo<lb/>
der ehrliche Ritter in &#x017F;einer Ru&#x0364;&#x017F;tung mit aufge-<lb/>
habenen Ha&#x0364;nden knieend vorge&#x017F;tellt wird, und<lb/>
hinter ihm ein halb Dutzend großko&#x0364;pfichter und<lb/>
kurzo&#x0364;hrichter Jungen, die <hi rendition="#fr">&#x017F;tuffen</hi>- oder <hi rendition="#fr">trup-<lb/>
penwei&#x017F;e</hi> nach ihrem Alter und ihrer Gro&#x0364;ße ge-<lb/>
ordnet &#x017F;ind, alle in eben der Stellung &#x2012; &#x2012; Mit<lb/>
&#x017F;einem Ge&#x017F;ichte gegen &#x017F;eine gott&#x017F;elige Gattinn ge-<lb/>
kehrt, die einen großen Halskragen, und eben &#x017F;o<lb/>
viele Ma&#x0364;gdchen mit molkenhaften Ge&#x017F;ichtern, als<lb/>
er Bu&#x0364;bchen, auf den Knien hinter &#x017F;ich hat &#x2012; &#x2012;<lb/>
Mit einem Altar zwi&#x017F;chen beyden, und einem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><fw place="bottom" type="catch">offenen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0009] einen, von dem ſie wußte, daß er ein liederli- cher Kerl war. Ey wahrlich, ſie hoffete nur, ſich ein Verdienſt zu machen und ihn auf beſſere Wege zu bringen. Sie hatte ſich artige Vorſtellungen gemacht, wie ſchoͤn es laſſen wuͤrde, wenn ſie einen Bekehrten haͤtte, der ihr eignes Machwerk waͤre, der zu ihrer Seiten durch die Nachbarſchaft unter all- gemeinem Beyfall zur Kirche ſchlaͤnderte, und, wie ihre Familie anwuͤchſe, an der Spitze ihrer Buͤbchen und Maͤgdchen, nicht anders als in ei- nem feyerlichen Zuge durch die Gaſſen, mit ihr dahin gienge, ſo daß ſich beyde mit den Fruͤchten ihres loͤblichen Verlangens; mit meinem guͤ- tigen Lord Biſchoff in ſeinem Trauſchein zu re- den; groß machten. Und was wuͤrde es ferner fuͤr ein artiger Anblick ſeyn: wenn alle mit ein- ander in einem Kirchenſtuhl nach dem Alter kniee- ten! wie wir im Gemaͤhlde auf einem alten Denkmal eine ganze Familie geſehen haben, wo der ehrliche Ritter in ſeiner Ruͤſtung mit aufge- habenen Haͤnden knieend vorgeſtellt wird, und hinter ihm ein halb Dutzend großkoͤpfichter und kurzoͤhrichter Jungen, die ſtuffen- oder trup- penweiſe nach ihrem Alter und ihrer Groͤße ge- ordnet ſind, alle in eben der Stellung ‒ ‒ Mit ſeinem Geſichte gegen ſeine gottſelige Gattinn ge- kehrt, die einen großen Halskragen, und eben ſo viele Maͤgdchen mit molkenhaften Geſichtern, als er Buͤbchen, auf den Knien hinter ſich hat ‒ ‒ Mit einem Altar zwiſchen beyden, und einem offenen A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/9
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/9>, abgerufen am 04.05.2024.