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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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Verbrechens zurück, da er schon im Begriff dazu
ist, in Gegenwart der verruchtesten Welbsbilder,
die zu dem Ende versammlet sind, daß sie ihm zu
seinem verfluchten Zweck behülflich seyn mögen.
Sie sieget über sie alle, bloß durch ihre Unschuld,
und entkommt aus den schändlichen Händen,
worein er sie gebracht hatte. Sie zürnet edelmü-
thig, nicht unsinnig. Sie will den Nichtswür-
digen nicht sehen, oder heyrathen, der sein Ver-
fahren mit einer so göttlichen Fräulein bereuet,
und sie gern bewegen wollte, ihm seine Schand-
that zu vergeben, und ihn zu ihrem Manne an-
zunehmen. Ob sie auch gleich von allen ihren
Freunden verfolget, der äußersten Noth überlassen
und von dem Besitz eines ansehnlichen Vermö-
gens so weit herunter gebracht ist, daß sie sich
gezwungen siehet, ihre Kleidung von der Hand zu
schlagen, damit sie ihren Unterhalt finde, da sie
mit lauter fremden Leuten umgeben, und genö-
thigt ist, aus dem Freunde ihres Betrügers, in
Ermangelung anderer, einen Freund für sich zu
machen; ob sie sich gleich nach dem Tode sehnet,
und aus Ueberzeugung, daß der Kummer und
das üble Verfahren mit ihr schon ihr edles Herz
gebrochen habe, alle Vorbereitungen zum Tode
machet: so verabscheuet sie doch den gottlosen
Gedanken, ihre gesetzte Lebenszeit selbst zu verkür-
zen. Sie weiß eben so wenig von Rache als von
Verzweifelung, und ist im Stande, dem Urheber
ihres Unglücks zu vergeben; wünschet ihm Buße,
und daß sie das letzte Opfer seiner unmenschlichen

Treu-



Verbrechens zuruͤck, da er ſchon im Begriff dazu
iſt, in Gegenwart der verruchteſten Welbsbilder,
die zu dem Ende verſammlet ſind, daß ſie ihm zu
ſeinem verfluchten Zweck behuͤlflich ſeyn moͤgen.
Sie ſieget uͤber ſie alle, bloß durch ihre Unſchuld,
und entkommt aus den ſchaͤndlichen Haͤnden,
worein er ſie gebracht hatte. Sie zuͤrnet edelmuͤ-
thig, nicht unſinnig. Sie will den Nichtswuͤr-
digen nicht ſehen, oder heyrathen, der ſein Ver-
fahren mit einer ſo goͤttlichen Fraͤulein bereuet,
und ſie gern bewegen wollte, ihm ſeine Schand-
that zu vergeben, und ihn zu ihrem Manne an-
zunehmen. Ob ſie auch gleich von allen ihren
Freunden verfolget, der aͤußerſten Noth uͤberlaſſen
und von dem Beſitz eines anſehnlichen Vermoͤ-
gens ſo weit herunter gebracht iſt, daß ſie ſich
gezwungen ſiehet, ihre Kleidung von der Hand zu
ſchlagen, damit ſie ihren Unterhalt finde, da ſie
mit lauter fremden Leuten umgeben, und genoͤ-
thigt iſt, aus dem Freunde ihres Betruͤgers, in
Ermangelung anderer, einen Freund fuͤr ſich zu
machen; ob ſie ſich gleich nach dem Tode ſehnet,
und aus Ueberzeugung, daß der Kummer und
das uͤble Verfahren mit ihr ſchon ihr edles Herz
gebrochen habe, alle Vorbereitungen zum Tode
machet: ſo verabſcheuet ſie doch den gottloſen
Gedanken, ihre geſetzte Lebenszeit ſelbſt zu verkuͤr-
zen. Sie weiß eben ſo wenig von Rache als von
Verzweifelung, und iſt im Stande, dem Urheber
ihres Ungluͤcks zu vergeben; wuͤnſchet ihm Buße,
und daß ſie das letzte Opfer ſeiner unmenſchlichen

Treu-
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[783/0789] Verbrechens zuruͤck, da er ſchon im Begriff dazu iſt, in Gegenwart der verruchteſten Welbsbilder, die zu dem Ende verſammlet ſind, daß ſie ihm zu ſeinem verfluchten Zweck behuͤlflich ſeyn moͤgen. Sie ſieget uͤber ſie alle, bloß durch ihre Unſchuld, und entkommt aus den ſchaͤndlichen Haͤnden, worein er ſie gebracht hatte. Sie zuͤrnet edelmuͤ- thig, nicht unſinnig. Sie will den Nichtswuͤr- digen nicht ſehen, oder heyrathen, der ſein Ver- fahren mit einer ſo goͤttlichen Fraͤulein bereuet, und ſie gern bewegen wollte, ihm ſeine Schand- that zu vergeben, und ihn zu ihrem Manne an- zunehmen. Ob ſie auch gleich von allen ihren Freunden verfolget, der aͤußerſten Noth uͤberlaſſen und von dem Beſitz eines anſehnlichen Vermoͤ- gens ſo weit herunter gebracht iſt, daß ſie ſich gezwungen ſiehet, ihre Kleidung von der Hand zu ſchlagen, damit ſie ihren Unterhalt finde, da ſie mit lauter fremden Leuten umgeben, und genoͤ- thigt iſt, aus dem Freunde ihres Betruͤgers, in Ermangelung anderer, einen Freund fuͤr ſich zu machen; ob ſie ſich gleich nach dem Tode ſehnet, und aus Ueberzeugung, daß der Kummer und das uͤble Verfahren mit ihr ſchon ihr edles Herz gebrochen habe, alle Vorbereitungen zum Tode machet: ſo verabſcheuet ſie doch den gottloſen Gedanken, ihre geſetzte Lebenszeit ſelbſt zu verkuͤr- zen. Sie weiß eben ſo wenig von Rache als von Verzweifelung, und iſt im Stande, dem Urheber ihres Ungluͤcks zu vergeben; wuͤnſchet ihm Buße, und daß ſie das letzte Opfer ſeiner unmenſchlichen Treu-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 783. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/789>, abgerufen am 23.11.2024.