lichsten Personen ihres Geschlechts. Aber die schöne Bußfertige, wie sie heißt, stirbt durch ihre eigne Hand: und da sie ihrer begangenen Laster wegen schon auf kein rühmliches Mitleiden An- spruch machen konnte, verscherzt sie hierdurch auch alles Recht wahrhaftig bußfertig genannt zu werden, und nach der höchsten Wahrscheinlichkeit alles Recht, in jener Welt Barmherzigkeit zu erlangen.
Hingegen hier ist Fräulein Harlowe, eine tugendhaste, edelmüthige, weise, gottselige Person, die unglücklicher Weise durch die Gelübde und Eidschwüre eines schändlichen und liederlichen Kerls, den sie für einen ehrliebenden Mann an- siehet, verstricket wird. Weil ihr um seinet wil- len übel von ihren Freunden begegnet wird: ist sie gewissermaßen gezwungen, sich in seinen Schutz zu begeben. Er macht sich niemals über die höch- sten und feuerlichsten Betheurungen der Ehre ein Bedenken, damit er sie zu einem Vertrauen zu ihm bewegen möge. Nach einer Reihe von Rän- ken und Erfindungen, die alle durch ihre Tugend und Wachsamkeit zu schanden gemacht sind, nimmt er auf eine niederträchtige Art seine Zu- flucht zu den schändlichsten Künsten, und ist ge- nöthigt, damit er ihr die Ehre rauben könne, sie erst ihrer Sinne zu berauben. Nichts desto we- niger kann er sie nicht zu seinen unedlen Absichten der Vertraulichkeit außer der Ehe bewegen. Sie hält ihn durch eingeflößte Ehrfurcht gegen sie von einer neuen Unternehmung eines vorsetzlichen
Ver-
lichſten Perſonen ihres Geſchlechts. Aber die ſchoͤne Bußfertige, wie ſie heißt, ſtirbt durch ihre eigne Hand: und da ſie ihrer begangenen Laſter wegen ſchon auf kein ruͤhmliches Mitleiden An- ſpruch machen konnte, verſcherzt ſie hierdurch auch alles Recht wahrhaftig bußfertig genannt zu werden, und nach der hoͤchſten Wahrſcheinlichkeit alles Recht, in jener Welt Barmherzigkeit zu erlangen.
Hingegen hier iſt Fraͤulein Harlowe, eine tugendhaſte, edelmuͤthige, weiſe, gottſelige Perſon, die ungluͤcklicher Weiſe durch die Geluͤbde und Eidſchwuͤre eines ſchaͤndlichen und liederlichen Kerls, den ſie fuͤr einen ehrliebenden Mann an- ſiehet, verſtricket wird. Weil ihr um ſeinet wil- len uͤbel von ihren Freunden begegnet wird: iſt ſie gewiſſermaßen gezwungen, ſich in ſeinen Schutz zu begeben. Er macht ſich niemals uͤber die hoͤch- ſten und feuerlichſten Betheurungen der Ehre ein Bedenken, damit er ſie zu einem Vertrauen zu ihm bewegen moͤge. Nach einer Reihe von Raͤn- ken und Erfindungen, die alle durch ihre Tugend und Wachſamkeit zu ſchanden gemacht ſind, nimmt er auf eine niedertraͤchtige Art ſeine Zu- flucht zu den ſchaͤndlichſten Kuͤnſten, und iſt ge- noͤthigt, damit er ihr die Ehre rauben koͤnne, ſie erſt ihrer Sinne zu berauben. Nichts deſto we- niger kann er ſie nicht zu ſeinen unedlen Abſichten der Vertraulichkeit außer der Ehe bewegen. Sie haͤlt ihn durch eingefloͤßte Ehrfurcht gegen ſie von einer neuen Unternehmung eines vorſetzlichen
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lichſten Perſonen ihres Geſchlechts. Aber die
ſchoͤne Bußfertige, wie ſie heißt, ſtirbt durch ihre
eigne Hand: und da ſie ihrer begangenen Laſter
wegen ſchon auf kein ruͤhmliches Mitleiden An-
ſpruch machen konnte, verſcherzt ſie hierdurch auch
alles Recht wahrhaftig bußfertig genannt zu
werden, und nach der hoͤchſten Wahrſcheinlichkeit
alles Recht, in jener Welt Barmherzigkeit zu
erlangen.
Hingegen hier iſt Fraͤulein Harlowe, eine
tugendhaſte, edelmuͤthige, weiſe, gottſelige Perſon,
die ungluͤcklicher Weiſe durch die Geluͤbde und
Eidſchwuͤre eines ſchaͤndlichen und liederlichen
Kerls, den ſie fuͤr einen ehrliebenden Mann an-
ſiehet, verſtricket wird. Weil ihr um ſeinet wil-
len uͤbel von ihren Freunden begegnet wird: iſt
ſie gewiſſermaßen gezwungen, ſich in ſeinen Schutz
zu begeben. Er macht ſich niemals uͤber die hoͤch-
ſten und feuerlichſten Betheurungen der Ehre ein
Bedenken, damit er ſie zu einem Vertrauen zu
ihm bewegen moͤge. Nach einer Reihe von Raͤn-
ken und Erfindungen, die alle durch ihre Tugend
und Wachſamkeit zu ſchanden gemacht ſind,
nimmt er auf eine niedertraͤchtige Art ſeine Zu-
flucht zu den ſchaͤndlichſten Kuͤnſten, und iſt ge-
noͤthigt, damit er ihr die Ehre rauben koͤnne, ſie
erſt ihrer Sinne zu berauben. Nichts deſto we-
niger kann er ſie nicht zu ſeinen unedlen Abſichten
der Vertraulichkeit außer der Ehe bewegen. Sie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 782. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/788>, abgerufen am 23.11.2024.
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