Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Sauersehen und deinen Verbürgungen für mich
zu dem Gegentheil, sie selbst zu sehen.

Jn Person, weiß ich, ist mancher Streit ab-
gethan worden, den Entfernung unterhalten
und weitläuftiger gemacht haben würde. Wo
du dich dieser Zusammenkunft thätlich widerse-
tzest: so wirst du ein alberner Kerl seyn, als der
in dem Märchen von der Tonne.

Kurz, ich kann nicht leiden, daß ein Frauen-
zimmer, welches ich mir ehedem durch zarte
Fesseln der Liebe verbunden hatte, mir aus den
Händen entwischen, und im Stande seyn sollte,
da mein Herz vor heftiger Liebe gegen sie in hel-
len Flammen brennet, mich zu verachten, und
so wohl der Liebe als mir Trotz zu bieten. Du
kannst dir nicht einbilden, wie sehr ich dich, ih-
ren Arzt, ihren Apotheker und einen jeden,
von dessen Zutritt zu ihr oder Unterredung mit
ihr ich nur etwas höre, beneide, und in den einen
oder den andern verwandelt zu seyn wünsche.

Daher, wo sonst nichts helfen will, will
ich sie sehen. Jch will dir ein unvergleichliches
Mittel sagen, das mir eben eingefallen ist, dein
und mein eignes Versprechen zu retten.

Frau Lovick, sagt ihr, ist eine fromme Frau.
Wo es mit der Fräulein schlimmer wird, so soll
sie ihr rathen, nach einem Geistlichen zu schicken,
der bey ihr bete. Ohne ihr Wissen, ohne der
Fräulein Wissen, ohne dein Wissen; denn das
kann man vorgeben; will ich es so anstellen, daß
ich, in einem langen Rock und Priesterkleide, der

Mann
O o 2



Sauerſehen und deinen Verbuͤrgungen fuͤr mich
zu dem Gegentheil, ſie ſelbſt zu ſehen.

Jn Perſon, weiß ich, iſt mancher Streit ab-
gethan worden, den Entfernung unterhalten
und weitlaͤuftiger gemacht haben wuͤrde. Wo
du dich dieſer Zuſammenkunft thaͤtlich widerſe-
tzeſt: ſo wirſt du ein alberner Kerl ſeyn, als der
in dem Maͤrchen von der Tonne.

Kurz, ich kann nicht leiden, daß ein Frauen-
zimmer, welches ich mir ehedem durch zarte
Feſſeln der Liebe verbunden hatte, mir aus den
Haͤnden entwiſchen, und im Stande ſeyn ſollte,
da mein Herz vor heftiger Liebe gegen ſie in hel-
len Flammen brennet, mich zu verachten, und
ſo wohl der Liebe als mir Trotz zu bieten. Du
kannſt dir nicht einbilden, wie ſehr ich dich, ih-
ren Arzt, ihren Apotheker und einen jeden,
von deſſen Zutritt zu ihr oder Unterredung mit
ihr ich nur etwas hoͤre, beneide, und in den einen
oder den andern verwandelt zu ſeyn wuͤnſche.

Daher, wo ſonſt nichts helfen will, will
ich ſie ſehen. Jch will dir ein unvergleichliches
Mittel ſagen, das mir eben eingefallen iſt, dein
und mein eignes Verſprechen zu retten.

Frau Lovick, ſagt ihr, iſt eine fromme Frau.
Wo es mit der Fraͤulein ſchlimmer wird, ſo ſoll
ſie ihr rathen, nach einem Geiſtlichen zu ſchicken,
der bey ihr bete. Ohne ihr Wiſſen, ohne der
Fraͤulein Wiſſen, ohne dein Wiſſen; denn das
kann man vorgeben; will ich es ſo anſtellen, daß
ich, in einem langen Rock und Prieſterkleide, der

Mann
O o 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0585" n="579"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Sauer&#x017F;ehen und deinen Verbu&#x0364;rgungen fu&#x0364;r mich<lb/>
zu dem Gegentheil, &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Jn Per&#x017F;on, weiß ich, i&#x017F;t mancher Streit ab-<lb/>
gethan worden, den Entfernung unterhalten<lb/>
und weitla&#x0364;uftiger gemacht haben wu&#x0364;rde. Wo<lb/>
du dich die&#x017F;er Zu&#x017F;ammenkunft tha&#x0364;tlich wider&#x017F;e-<lb/>
tze&#x017F;t: &#x017F;o wir&#x017F;t du ein alberner Kerl &#x017F;eyn, als der<lb/>
in dem Ma&#x0364;rchen von der Tonne.</p><lb/>
          <p>Kurz, ich kann nicht leiden, daß ein Frauen-<lb/>
zimmer, welches ich mir ehedem durch zarte<lb/>
Fe&#x017F;&#x017F;eln der Liebe verbunden hatte, mir aus den<lb/>
Ha&#x0364;nden entwi&#x017F;chen, und im Stande &#x017F;eyn &#x017F;ollte,<lb/>
da mein Herz vor heftiger Liebe gegen &#x017F;ie in hel-<lb/>
len Flammen brennet, mich zu verachten, und<lb/>
&#x017F;o wohl der Liebe als mir Trotz zu bieten. Du<lb/>
kann&#x017F;t dir nicht einbilden, wie &#x017F;ehr ich <hi rendition="#fr">dich,</hi> ih-<lb/>
ren <hi rendition="#fr">Arzt,</hi> ihren <hi rendition="#fr">Apotheker</hi> und einen jeden,<lb/>
von de&#x017F;&#x017F;en Zutritt zu ihr oder Unterredung mit<lb/>
ihr ich nur etwas ho&#x0364;re, beneide, und in den <hi rendition="#fr">einen</hi><lb/>
oder den <hi rendition="#fr">andern</hi> verwandelt zu &#x017F;eyn wu&#x0364;n&#x017F;che.</p><lb/>
          <p>Daher, wo &#x017F;on&#x017F;t nichts helfen will, <hi rendition="#fr">will</hi><lb/>
ich &#x017F;ie &#x017F;ehen. Jch will dir ein unvergleichliches<lb/>
Mittel &#x017F;agen, das mir eben eingefallen i&#x017F;t, <hi rendition="#fr">dein</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">mein eignes</hi> Ver&#x017F;prechen zu retten.</p><lb/>
          <p>Frau Lovick, &#x017F;agt ihr, i&#x017F;t eine fromme Frau.<lb/>
Wo es mit der Fra&#x0364;ulein &#x017F;chlimmer wird, &#x017F;o &#x017F;oll<lb/>
&#x017F;ie ihr rathen, nach einem Gei&#x017F;tlichen zu &#x017F;chicken,<lb/>
der bey ihr bete. Ohne ihr Wi&#x017F;&#x017F;en, ohne der<lb/>
Fra&#x0364;ulein Wi&#x017F;&#x017F;en, ohne <hi rendition="#fr">dein</hi> Wi&#x017F;&#x017F;en; denn das<lb/>
kann man vorgeben; will ich es &#x017F;o an&#x017F;tellen, daß<lb/>
ich, in einem langen Rock und Prie&#x017F;terkleide, der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O o 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Mann</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[579/0585] Sauerſehen und deinen Verbuͤrgungen fuͤr mich zu dem Gegentheil, ſie ſelbſt zu ſehen. Jn Perſon, weiß ich, iſt mancher Streit ab- gethan worden, den Entfernung unterhalten und weitlaͤuftiger gemacht haben wuͤrde. Wo du dich dieſer Zuſammenkunft thaͤtlich widerſe- tzeſt: ſo wirſt du ein alberner Kerl ſeyn, als der in dem Maͤrchen von der Tonne. Kurz, ich kann nicht leiden, daß ein Frauen- zimmer, welches ich mir ehedem durch zarte Feſſeln der Liebe verbunden hatte, mir aus den Haͤnden entwiſchen, und im Stande ſeyn ſollte, da mein Herz vor heftiger Liebe gegen ſie in hel- len Flammen brennet, mich zu verachten, und ſo wohl der Liebe als mir Trotz zu bieten. Du kannſt dir nicht einbilden, wie ſehr ich dich, ih- ren Arzt, ihren Apotheker und einen jeden, von deſſen Zutritt zu ihr oder Unterredung mit ihr ich nur etwas hoͤre, beneide, und in den einen oder den andern verwandelt zu ſeyn wuͤnſche. Daher, wo ſonſt nichts helfen will, will ich ſie ſehen. Jch will dir ein unvergleichliches Mittel ſagen, das mir eben eingefallen iſt, dein und mein eignes Verſprechen zu retten. Frau Lovick, ſagt ihr, iſt eine fromme Frau. Wo es mit der Fraͤulein ſchlimmer wird, ſo ſoll ſie ihr rathen, nach einem Geiſtlichen zu ſchicken, der bey ihr bete. Ohne ihr Wiſſen, ohne der Fraͤulein Wiſſen, ohne dein Wiſſen; denn das kann man vorgeben; will ich es ſo anſtellen, daß ich, in einem langen Rock und Prieſterkleide, der Mann O o 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/585
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/585>, abgerufen am 22.11.2024.