von ihren artigen Gesichtern ein Lachen zu erre- gen gewußt, ehe noch an der andern das Wei- nen vorüber gehen konnte. Warum sollte ich dich denn nicht in einem und eben demselben Augenblick verfluchen und loben können? Nimm also beydes auf einmal hin: und das folgende so, wie es mir aus der Feder kommen wird.
Wie oft habe ich meine Sünden gegen diese unvergleichliche Fräulein, aufrichtig bekannt? - - Dennoch schonst du meiner niemals, ob du gleich ein eben so böser Kerl bist, als ich. Weil ich denn so wenig durch meine Bekenntnisse gewinne: so wäre ich nicht übel geneigt, einen Versuch zu thun, mich zu vertheidigen; und das nicht allein aus der ältern und neuern Geschichte, sondern auch aus dem ordentlichen Lauf der Welt; je- doch so, daß ich nichts wiederhole, was ich schon vorher zu meinem Behuf angebracht habe.
Jch habe Lust mit meiner Feder zu spielen. So höre denn kürzlich zuerst aus der alten Histo- rie. - - Meynst du nicht, daß ich eben so viel Recht habe auf Vergebung Anspruch zu machen, in Betrachtung der Fräulein Harlowe, als Vir- gils Held, in Betrachtung der Königinn Dido? Denn was für ein undankbarer Bube war der Flüchtling gegen die gastfreye Prinzeßinn, die ihm gutwillig die letzte Gunst zugestanden hat- te? - - Da er sich wie ein Dieb davon schlich? woher vermuthlich noch heut zu Tage die Redens- art, ein getreuer Trojaner, spottweise gebraucht wird. Es ist wahr, er gab vor, daß es auf
Befehl
von ihren artigen Geſichtern ein Lachen zu erre- gen gewußt, ehe noch an der andern das Wei- nen voruͤber gehen konnte. Warum ſollte ich dich denn nicht in einem und eben demſelben Augenblick verfluchen und loben koͤnnen? Nimm alſo beydes auf einmal hin: und das folgende ſo, wie es mir aus der Feder kommen wird.
Wie oft habe ich meine Suͤnden gegen dieſe unvergleichliche Fraͤulein, aufrichtig bekannt? ‒ ‒ Dennoch ſchonſt du meiner niemals, ob du gleich ein eben ſo boͤſer Kerl biſt, als ich. Weil ich denn ſo wenig durch meine Bekenntniſſe gewinne: ſo waͤre ich nicht uͤbel geneigt, einen Verſuch zu thun, mich zu vertheidigen; und das nicht allein aus der aͤltern und neuern Geſchichte, ſondern auch aus dem ordentlichen Lauf der Welt; je- doch ſo, daß ich nichts wiederhole, was ich ſchon vorher zu meinem Behuf angebracht habe.
Jch habe Luſt mit meiner Feder zu ſpielen. So hoͤre denn kuͤrzlich zuerſt aus der alten Hiſto- rie. ‒ ‒ Meynſt du nicht, daß ich eben ſo viel Recht habe auf Vergebung Anſpruch zu machen, in Betrachtung der Fraͤulein Harlowe, als Vir- gils Held, in Betrachtung der Koͤniginn Dido? Denn was fuͤr ein undankbarer Bube war der Fluͤchtling gegen die gaſtfreye Prinzeßinn, die ihm gutwillig die letzte Gunſt zugeſtanden hat- te? ‒ ‒ Da er ſich wie ein Dieb davon ſchlich? woher vermuthlich noch heut zu Tage die Redens- art, ein getreuer Trojaner, ſpottweiſe gebraucht wird. Es iſt wahr, er gab vor, daß es auf
Befehl
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von ihren artigen Geſichtern ein Lachen zu erre-
gen gewußt, ehe noch an der andern das Wei-
nen voruͤber gehen konnte. Warum ſollte ich
dich denn nicht in einem und eben demſelben
Augenblick verfluchen und loben koͤnnen? Nimm
alſo beydes auf einmal hin: und das folgende
ſo, wie es mir aus der Feder kommen wird.
Wie oft habe ich meine Suͤnden gegen dieſe
unvergleichliche Fraͤulein, aufrichtig bekannt? ‒ ‒
Dennoch ſchonſt du meiner niemals, ob du gleich
ein eben ſo boͤſer Kerl biſt, als ich. Weil ich
denn ſo wenig durch meine Bekenntniſſe gewinne:
ſo waͤre ich nicht uͤbel geneigt, einen Verſuch zu
thun, mich zu vertheidigen; und das nicht allein
aus der aͤltern und neuern Geſchichte, ſondern
auch aus dem ordentlichen Lauf der Welt; je-
doch ſo, daß ich nichts wiederhole, was ich ſchon
vorher zu meinem Behuf angebracht habe.
Jch habe Luſt mit meiner Feder zu ſpielen.
So hoͤre denn kuͤrzlich zuerſt aus der alten Hiſto-
rie. ‒ ‒ Meynſt du nicht, daß ich eben ſo viel
Recht habe auf Vergebung Anſpruch zu machen,
in Betrachtung der Fraͤulein Harlowe, als Vir-
gils Held, in Betrachtung der Koͤniginn Dido?
Denn was fuͤr ein undankbarer Bube war der
Fluͤchtling gegen die gaſtfreye Prinzeßinn, die
ihm gutwillig die letzte Gunſt zugeſtanden hat-
te? ‒ ‒ Da er ſich wie ein Dieb davon ſchlich?
woher vermuthlich noch heut zu Tage die Redens-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/578>, abgerufen am 21.11.2024.
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