mir so nahe kam, mit dem Fecher ins Gesicht, daß der Puder aus seiner Perucke flog.
Jedermann schien so vergnügt, als ich ver- drieslich war.
Weil es ihn verdroß, daß der Puder von ihm stäubte, und die Gesellschaft über ihn lachte: so wandte er sich zu Herrn Hickmann. Sie wer- den einer der glücklichsten Männer in der Welt seyn, Herr Hickmann: weil sie ein guter Mann sind, und nichts thun werden, diese hitzige Fräu- lein zu reizen; sie aber zu viel Verstand hat, oh- ne Ursache gereizet zu werden. Sonst sey ihnen der Himmel gnädig!
Dieser Mann, dieser Herr Hickmann, meine Wertheste, ist allzu sanftmüthig für eine Manns- person. - - Jn der That es ist wahr - - Allein meine gedultige Mutter rückt mir vor, daß ihre hitzige Tochter sich ihn desto lieber seyn lassen sollte. Aber sanftmüthige Männer außerhalb Hauses sind nicht allemal sanftmüthige Männer zu Hause. Jch habe das in mehr als einem Falle bemerket. Und wenn sie es auch wären: so würden sie mir, ich denke es in Wahrheit, des- wegen doch nicht besser gefallen.
Hierauf wandte er sich zu meiner Mutter, mit dem Vorsatze, sich auch an ihr zu erholen. Woher, gnädige Frau, hat die Fräulein alle diese Heftigkeit?
Die ganze Gesellschaft um uns lachte: denn ich darf Jhnen nicht sagen, daß die heftige Ge- müthsart meiner Mutter gar wohl bekannt ist.
Sie
M m 5
mir ſo nahe kam, mit dem Fecher ins Geſicht, daß der Puder aus ſeiner Perucke flog.
Jedermann ſchien ſo vergnuͤgt, als ich ver- drieslich war.
Weil es ihn verdroß, daß der Puder von ihm ſtaͤubte, und die Geſellſchaft uͤber ihn lachte: ſo wandte er ſich zu Herrn Hickmann. Sie wer- den einer der gluͤcklichſten Maͤnner in der Welt ſeyn, Herr Hickmann: weil ſie ein guter Mann ſind, und nichts thun werden, dieſe hitzige Fraͤu- lein zu reizen; ſie aber zu viel Verſtand hat, oh- ne Urſache gereizet zu werden. Sonſt ſey ihnen der Himmel gnaͤdig!
Dieſer Mann, dieſer Herr Hickmann, meine Wertheſte, iſt allzu ſanftmuͤthig fuͤr eine Manns- perſon. ‒ ‒ Jn der That es iſt wahr ‒ ‒ Allein meine gedultige Mutter ruͤckt mir vor, daß ihre hitzige Tochter ſich ihn deſto lieber ſeyn laſſen ſollte. Aber ſanftmuͤthige Maͤnner außerhalb Hauſes ſind nicht allemal ſanftmuͤthige Maͤnner zu Hauſe. Jch habe das in mehr als einem Falle bemerket. Und wenn ſie es auch waͤren: ſo wuͤrden ſie mir, ich denke es in Wahrheit, des- wegen doch nicht beſſer gefallen.
Hierauf wandte er ſich zu meiner Mutter, mit dem Vorſatze, ſich auch an ihr zu erholen. Woher, gnaͤdige Frau, hat die Fraͤulein alle dieſe Heftigkeit?
Die ganze Geſellſchaft um uns lachte: denn ich darf Jhnen nicht ſagen, daß die heftige Ge- muͤthsart meiner Mutter gar wohl bekannt iſt.
Sie
M m 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0559"n="553"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
mir ſo nahe kam, mit dem Fecher ins Geſicht,<lb/>
daß der Puder aus ſeiner Perucke flog.</p><lb/><p>Jedermann ſchien ſo vergnuͤgt, als ich ver-<lb/>
drieslich war.</p><lb/><p>Weil es ihn verdroß, daß der Puder von ihm<lb/>ſtaͤubte, und die Geſellſchaft uͤber ihn lachte: ſo<lb/>
wandte er ſich zu Herrn Hickmann. Sie wer-<lb/>
den einer der gluͤcklichſten Maͤnner in der Welt<lb/>ſeyn, Herr Hickmann: weil ſie ein <hirendition="#fr">guter</hi> Mann<lb/>ſind, und nichts thun werden, dieſe hitzige Fraͤu-<lb/>
lein zu reizen; ſie aber zu viel Verſtand hat, oh-<lb/>
ne Urſache gereizet zu werden. Sonſt ſey ihnen<lb/>
der Himmel gnaͤdig!</p><lb/><p>Dieſer Mann, dieſer Herr Hickmann, meine<lb/>
Wertheſte, iſt allzu ſanftmuͤthig fuͤr eine Manns-<lb/>
perſon. ‒‒ Jn der That es iſt wahr ‒‒ Allein<lb/>
meine gedultige Mutter ruͤckt mir vor, daß ihre<lb/>
hitzige Tochter ſich ihn <hirendition="#fr">deſto lieber</hi>ſeyn laſſen<lb/>ſollte. Aber ſanftmuͤthige Maͤnner außerhalb<lb/>
Hauſes ſind nicht allemal ſanftmuͤthige Maͤnner<lb/>
zu Hauſe. Jch habe das in mehr als einem<lb/>
Falle bemerket. Und wenn ſie es auch <hirendition="#fr">waͤren:</hi><lb/>ſo wuͤrden ſie mir, ich denke es in Wahrheit, des-<lb/>
wegen doch nicht beſſer gefallen.</p><lb/><p>Hierauf wandte er ſich zu meiner Mutter,<lb/>
mit dem Vorſatze, ſich auch an <hirendition="#fr">ihr</hi> zu erholen.<lb/>
Woher, gnaͤdige Frau, hat die Fraͤulein alle dieſe<lb/>
Heftigkeit?</p><lb/><p>Die ganze Geſellſchaft um uns lachte: denn<lb/>
ich darf Jhnen nicht ſagen, daß die heftige Ge-<lb/>
muͤthsart meiner Mutter gar wohl bekannt iſt.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M m 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Sie</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[553/0559]
mir ſo nahe kam, mit dem Fecher ins Geſicht,
daß der Puder aus ſeiner Perucke flog.
Jedermann ſchien ſo vergnuͤgt, als ich ver-
drieslich war.
Weil es ihn verdroß, daß der Puder von ihm
ſtaͤubte, und die Geſellſchaft uͤber ihn lachte: ſo
wandte er ſich zu Herrn Hickmann. Sie wer-
den einer der gluͤcklichſten Maͤnner in der Welt
ſeyn, Herr Hickmann: weil ſie ein guter Mann
ſind, und nichts thun werden, dieſe hitzige Fraͤu-
lein zu reizen; ſie aber zu viel Verſtand hat, oh-
ne Urſache gereizet zu werden. Sonſt ſey ihnen
der Himmel gnaͤdig!
Dieſer Mann, dieſer Herr Hickmann, meine
Wertheſte, iſt allzu ſanftmuͤthig fuͤr eine Manns-
perſon. ‒ ‒ Jn der That es iſt wahr ‒ ‒ Allein
meine gedultige Mutter ruͤckt mir vor, daß ihre
hitzige Tochter ſich ihn deſto lieber ſeyn laſſen
ſollte. Aber ſanftmuͤthige Maͤnner außerhalb
Hauſes ſind nicht allemal ſanftmuͤthige Maͤnner
zu Hauſe. Jch habe das in mehr als einem
Falle bemerket. Und wenn ſie es auch waͤren:
ſo wuͤrden ſie mir, ich denke es in Wahrheit, des-
wegen doch nicht beſſer gefallen.
Hierauf wandte er ſich zu meiner Mutter,
mit dem Vorſatze, ſich auch an ihr zu erholen.
Woher, gnaͤdige Frau, hat die Fraͤulein alle dieſe
Heftigkeit?
Die ganze Geſellſchaft um uns lachte: denn
ich darf Jhnen nicht ſagen, daß die heftige Ge-
muͤthsart meiner Mutter gar wohl bekannt iſt.
Sie
M m 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/559>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.