Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



gen wollten, und, weil sie sie für strafwürdiger
hielten, als sie wäre, sie ungehört strafeten.

O Himmel! - - Jch war im Begriff,
dich zu verfluchen, Lovelace! Wie ver-
dammet dich eine jede Probe von der aus-
nehmenden Vortreff lichkeit dieser ganz vor-
treff lichen Fräulein! - - Du wirst Ursa-
che haben, dich für den verfluchtesten un-
rer allen Menschen zu halten, wo sie stir-
bet.

Hierauf bat ich sie, weil sie so ruhmwürdige
Proben der Großmuth und Vergebung abzule-
gen vermögend wäre, ihre Güte auch über einen
Menschen gehen zu lassen, dessen Herz, in allen
Adern an demselben, wegen der an ihr verübten
Beleidigungen blutete, und der sich in seinem
ganzen Leben bemühen wollte, sie wieder gut zu
machen.

Die Weibsleute wollten abtreten: da die
Unterredung auf so besondere Umstände fiel. Al-
lein sie wollte es nicht zulassen. Sie vermeldete
mir, daß meine Besuche ein Ende haben müß-
ten: wo ich nach diesem wieder eine Sache, die
ihr so sehr unangenehm wäre, so ernstlich berüh-
ren wollte. Es wäre auch nicht nöthig, fügte sie
hinzu, daß ich in diesem Stücke mich als ein
Freund zu eurem Besten bemühete: weil sie
schon den Anfang gemacht hätte, ihre ganze Ge-
sinnung bey der Sache an Fräulein Howe zu
schreiben; zur Antwort auf die Briefe, in wel-
chen Fräulein Howe, um sich den Wünschen eu-

rer



gen wollten, und, weil ſie ſie fuͤr ſtrafwuͤrdiger
hielten, als ſie waͤre, ſie ungehoͤrt ſtrafeten.

O Himmel! ‒ ‒ Jch war im Begriff,
dich zu verfluchen, Lovelace! Wie ver-
dammet dich eine jede Probe von der aus-
nehmenden Vortreff lichkeit dieſer ganz vor-
treff lichen Fraͤulein! ‒ ‒ Du wirſt Urſa-
che haben, dich fuͤr den verfluchteſten un-
rer allen Menſchen zu halten, wo ſie ſtir-
bet.

Hierauf bat ich ſie, weil ſie ſo ruhmwuͤrdige
Proben der Großmuth und Vergebung abzule-
gen vermoͤgend waͤre, ihre Guͤte auch uͤber einen
Menſchen gehen zu laſſen, deſſen Herz, in allen
Adern an demſelben, wegen der an ihr veruͤbten
Beleidigungen blutete, und der ſich in ſeinem
ganzen Leben bemuͤhen wollte, ſie wieder gut zu
machen.

Die Weibsleute wollten abtreten: da die
Unterredung auf ſo beſondere Umſtaͤnde fiel. Al-
lein ſie wollte es nicht zulaſſen. Sie vermeldete
mir, daß meine Beſuche ein Ende haben muͤß-
ten: wo ich nach dieſem wieder eine Sache, die
ihr ſo ſehr unangenehm waͤre, ſo ernſtlich beruͤh-
ren wollte. Es waͤre auch nicht noͤthig, fuͤgte ſie
hinzu, daß ich in dieſem Stuͤcke mich als ein
Freund zu eurem Beſten bemuͤhete: weil ſie
ſchon den Anfang gemacht haͤtte, ihre ganze Ge-
ſinnung bey der Sache an Fraͤulein Howe zu
ſchreiben; zur Antwort auf die Briefe, in wel-
chen Fraͤulein Howe, um ſich den Wuͤnſchen eu-

rer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0442" n="436"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gen wollten, und, weil &#x017F;ie &#x017F;ie fu&#x0364;r &#x017F;trafwu&#x0364;rdiger<lb/>
hielten, als &#x017F;ie wa&#x0364;re, &#x017F;ie ungeho&#x0364;rt &#x017F;trafeten.</p><lb/>
          <p>O Himmel! &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#fr">Jch war im Begriff,<lb/>
dich zu verfluchen, Lovelace! Wie ver-<lb/>
dammet dich eine jede Probe von der aus-<lb/>
nehmenden Vortreff lichkeit die&#x017F;er ganz vor-<lb/>
treff lichen Fra&#x0364;ulein! &#x2012; &#x2012; Du wir&#x017F;t Ur&#x017F;a-<lb/>
che haben, dich fu&#x0364;r den verfluchte&#x017F;ten un-<lb/>
rer allen Men&#x017F;chen zu halten, wo &#x017F;ie &#x017F;tir-<lb/>
bet.</hi></p><lb/>
          <p>Hierauf bat ich &#x017F;ie, weil &#x017F;ie &#x017F;o ruhmwu&#x0364;rdige<lb/>
Proben der Großmuth und Vergebung abzule-<lb/>
gen vermo&#x0364;gend wa&#x0364;re, ihre Gu&#x0364;te auch u&#x0364;ber einen<lb/>
Men&#x017F;chen gehen zu la&#x017F;&#x017F;en, de&#x017F;&#x017F;en Herz, in allen<lb/>
Adern an dem&#x017F;elben, wegen der an ihr veru&#x0364;bten<lb/>
Beleidigungen blutete, und der &#x017F;ich in &#x017F;einem<lb/>
ganzen Leben bemu&#x0364;hen wollte, &#x017F;ie wieder gut zu<lb/>
machen.</p><lb/>
          <p>Die Weibsleute wollten abtreten: da die<lb/>
Unterredung auf &#x017F;o be&#x017F;ondere Um&#x017F;ta&#x0364;nde fiel. Al-<lb/>
lein &#x017F;ie wollte es nicht zula&#x017F;&#x017F;en. Sie vermeldete<lb/>
mir, daß meine Be&#x017F;uche ein Ende haben mu&#x0364;ß-<lb/>
ten: wo ich nach die&#x017F;em wieder eine Sache, die<lb/><hi rendition="#fr">ihr</hi> &#x017F;o &#x017F;ehr unangenehm wa&#x0364;re, &#x017F;o ern&#x017F;tlich beru&#x0364;h-<lb/>
ren wollte. Es wa&#x0364;re auch nicht no&#x0364;thig, fu&#x0364;gte &#x017F;ie<lb/>
hinzu, daß ich in die&#x017F;em Stu&#x0364;cke mich als ein<lb/>
Freund zu eurem Be&#x017F;ten bemu&#x0364;hete: weil &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon den Anfang gemacht ha&#x0364;tte, ihre ganze Ge-<lb/>
&#x017F;innung bey der Sache an Fra&#x0364;ulein Howe zu<lb/>
&#x017F;chreiben; zur Antwort auf die Briefe, in wel-<lb/>
chen Fra&#x0364;ulein Howe, um &#x017F;ich den Wu&#x0364;n&#x017F;chen eu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[436/0442] gen wollten, und, weil ſie ſie fuͤr ſtrafwuͤrdiger hielten, als ſie waͤre, ſie ungehoͤrt ſtrafeten. O Himmel! ‒ ‒ Jch war im Begriff, dich zu verfluchen, Lovelace! Wie ver- dammet dich eine jede Probe von der aus- nehmenden Vortreff lichkeit dieſer ganz vor- treff lichen Fraͤulein! ‒ ‒ Du wirſt Urſa- che haben, dich fuͤr den verfluchteſten un- rer allen Menſchen zu halten, wo ſie ſtir- bet. Hierauf bat ich ſie, weil ſie ſo ruhmwuͤrdige Proben der Großmuth und Vergebung abzule- gen vermoͤgend waͤre, ihre Guͤte auch uͤber einen Menſchen gehen zu laſſen, deſſen Herz, in allen Adern an demſelben, wegen der an ihr veruͤbten Beleidigungen blutete, und der ſich in ſeinem ganzen Leben bemuͤhen wollte, ſie wieder gut zu machen. Die Weibsleute wollten abtreten: da die Unterredung auf ſo beſondere Umſtaͤnde fiel. Al- lein ſie wollte es nicht zulaſſen. Sie vermeldete mir, daß meine Beſuche ein Ende haben muͤß- ten: wo ich nach dieſem wieder eine Sache, die ihr ſo ſehr unangenehm waͤre, ſo ernſtlich beruͤh- ren wollte. Es waͤre auch nicht noͤthig, fuͤgte ſie hinzu, daß ich in dieſem Stuͤcke mich als ein Freund zu eurem Beſten bemuͤhete: weil ſie ſchon den Anfang gemacht haͤtte, ihre ganze Ge- ſinnung bey der Sache an Fraͤulein Howe zu ſchreiben; zur Antwort auf die Briefe, in wel- chen Fraͤulein Howe, um ſich den Wuͤnſchen eu- rer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/442
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/442>, abgerufen am 16.06.2024.