Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



arten der Fräulein ausdrücke; die ich niemals
vergeben kann, niemals vergeben will.

Was aber deine Gedanken und die Meynung
der beyden Frauensleute in Smithens Hause be-
trifft, daß ihr Herz gebrochen sey: so ist das die
rechte Weibersprache. Jch wundere mich, wie
du dazu gekommen bist: da du doch so manches
Sterben und Wiederaufleben der Weibs-
leute
gesehen und gehöret hast.

Jch will dir sagen, was wider diese Vorstel-
lungen, die sie sich machen, streitet.

Jhre Lebenszeit, und vortreffliche Natur;
das Gute, welches sie allemal zu thun Vergnü-
gen gefunden, wozu sie sich eingebildet hat, geboh-
ren zu seyn, und welches sie noch ferner in einem
eben so hohen Grade, als jemals, thun kann, ja
noch in einem größern Maaße, weil ich, wie du
weißt, kein Knicker bin; ihre Neigung zu der Re-
ligion, eine Neigung, die sie allezeit lehren wird,
unvermeidliche Uebel mit Gedult zu ertragen;
die Betrachtung ihres letzten herrlichen Sieges
über mich und die ganze Rotte; die Betrachtung
ihrer glücklich ausgefallenen Flucht von uns al-
len; ihr unbefleckter Wille; und der stolze
Ruhm, den sie in sich empfindet, die Begegnung,
welche ihr widerfahren ist, nicht verdient zu ha-
ben.

Wie ist es möglich, sich einzubilden, daß eine
Weibsperson, die alle diese Trostgründe zu über-
legen hat, an einem gebrochenen Herzen sterben
werde?

Jm



arten der Fraͤulein ausdruͤcke; die ich niemals
vergeben kann, niemals vergeben will.

Was aber deine Gedanken und die Meynung
der beyden Frauensleute in Smithens Hauſe be-
trifft, daß ihr Herz gebrochen ſey: ſo iſt das die
rechte Weiberſprache. Jch wundere mich, wie
du dazu gekommen biſt: da du doch ſo manches
Sterben und Wiederaufleben der Weibs-
leute
geſehen und gehoͤret haſt.

Jch will dir ſagen, was wider dieſe Vorſtel-
lungen, die ſie ſich machen, ſtreitet.

Jhre Lebenszeit, und vortreffliche Natur;
das Gute, welches ſie allemal zu thun Vergnuͤ-
gen gefunden, wozu ſie ſich eingebildet hat, geboh-
ren zu ſeyn, und welches ſie noch ferner in einem
eben ſo hohen Grade, als jemals, thun kann, ja
noch in einem groͤßern Maaße, weil ich, wie du
weißt, kein Knicker bin; ihre Neigung zu der Re-
ligion, eine Neigung, die ſie allezeit lehren wird,
unvermeidliche Uebel mit Gedult zu ertragen;
die Betrachtung ihres letzten herrlichen Sieges
uͤber mich und die ganze Rotte; die Betrachtung
ihrer gluͤcklich ausgefallenen Flucht von uns al-
len; ihr unbefleckter Wille; und der ſtolze
Ruhm, den ſie in ſich empfindet, die Begegnung,
welche ihr widerfahren iſt, nicht verdient zu ha-
ben.

Wie iſt es moͤglich, ſich einzubilden, daß eine
Weibsperſon, die alle dieſe Troſtgruͤnde zu uͤber-
legen hat, an einem gebrochenen Herzen ſterben
werde?

Jm
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0385" n="379"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
arten der Fra&#x0364;ulein ausdru&#x0364;cke; die ich niemals<lb/>
vergeben <hi rendition="#fr">kann,</hi> niemals vergeben <hi rendition="#fr">will.</hi></p><lb/>
          <p>Was aber deine Gedanken und die Meynung<lb/>
der beyden Frauensleute in Smithens Hau&#x017F;e be-<lb/>
trifft, daß ihr Herz gebrochen &#x017F;ey: &#x017F;o i&#x017F;t das die<lb/>
rechte Weiber&#x017F;prache. Jch wundere mich, wie<lb/>
du dazu gekommen bi&#x017F;t: da du doch &#x017F;o manches<lb/><hi rendition="#fr">Sterben</hi> und <hi rendition="#fr">Wiederaufleben der Weibs-<lb/>
leute</hi> ge&#x017F;ehen und geho&#x0364;ret ha&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jch will dir &#x017F;agen, was <hi rendition="#fr">wider</hi> die&#x017F;e Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen, die &#x017F;ie &#x017F;ich machen, &#x017F;treitet.</p><lb/>
          <p>Jhre Lebenszeit, und vortreffliche Natur;<lb/>
das Gute, welches &#x017F;ie allemal zu thun Vergnu&#x0364;-<lb/>
gen gefunden, wozu &#x017F;ie &#x017F;ich eingebildet hat, geboh-<lb/>
ren zu &#x017F;eyn, und welches &#x017F;ie noch ferner in einem<lb/>
eben &#x017F;o hohen Grade, als jemals, thun kann, ja<lb/>
noch in einem gro&#x0364;ßern Maaße, weil ich, wie du<lb/>
weißt, kein Knicker bin; ihre Neigung zu der Re-<lb/>
ligion, eine Neigung, die &#x017F;ie allezeit lehren wird,<lb/><hi rendition="#fr">unvermeidliche</hi> Uebel mit Gedult zu ertragen;<lb/>
die Betrachtung ihres letzten herrlichen Sieges<lb/>
u&#x0364;ber mich und die ganze Rotte; die Betrachtung<lb/>
ihrer glu&#x0364;cklich ausgefallenen Flucht von uns al-<lb/>
len; ihr unbefleckter Wille; und der &#x017F;tolze<lb/>
Ruhm, den &#x017F;ie in &#x017F;ich empfindet, die Begegnung,<lb/>
welche ihr widerfahren i&#x017F;t, nicht verdient zu ha-<lb/>
ben.</p><lb/>
          <p>Wie i&#x017F;t es mo&#x0364;glich, &#x017F;ich einzubilden, daß eine<lb/>
Weibsper&#x017F;on, die alle die&#x017F;e <hi rendition="#fr">Tro&#x017F;tgru&#x0364;nde</hi> zu u&#x0364;ber-<lb/>
legen hat, an einem gebrochenen Herzen &#x017F;terben<lb/>
werde?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jm</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0385] arten der Fraͤulein ausdruͤcke; die ich niemals vergeben kann, niemals vergeben will. Was aber deine Gedanken und die Meynung der beyden Frauensleute in Smithens Hauſe be- trifft, daß ihr Herz gebrochen ſey: ſo iſt das die rechte Weiberſprache. Jch wundere mich, wie du dazu gekommen biſt: da du doch ſo manches Sterben und Wiederaufleben der Weibs- leute geſehen und gehoͤret haſt. Jch will dir ſagen, was wider dieſe Vorſtel- lungen, die ſie ſich machen, ſtreitet. Jhre Lebenszeit, und vortreffliche Natur; das Gute, welches ſie allemal zu thun Vergnuͤ- gen gefunden, wozu ſie ſich eingebildet hat, geboh- ren zu ſeyn, und welches ſie noch ferner in einem eben ſo hohen Grade, als jemals, thun kann, ja noch in einem groͤßern Maaße, weil ich, wie du weißt, kein Knicker bin; ihre Neigung zu der Re- ligion, eine Neigung, die ſie allezeit lehren wird, unvermeidliche Uebel mit Gedult zu ertragen; die Betrachtung ihres letzten herrlichen Sieges uͤber mich und die ganze Rotte; die Betrachtung ihrer gluͤcklich ausgefallenen Flucht von uns al- len; ihr unbefleckter Wille; und der ſtolze Ruhm, den ſie in ſich empfindet, die Begegnung, welche ihr widerfahren iſt, nicht verdient zu ha- ben. Wie iſt es moͤglich, ſich einzubilden, daß eine Weibsperſon, die alle dieſe Troſtgruͤnde zu uͤber- legen hat, an einem gebrochenen Herzen ſterben werde? Jm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/385
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/385>, abgerufen am 27.11.2024.