Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



the herrsche; ob sie gleich so gebührlich zürnen
kann?

Dieß ist ein anderer unvergleichlicher Vorzug
an dieser bewundernswürdigen Fräulein. Denn
haben wir wohl vorher jemand unter dem ganzen
weiblichen Geschlechte, oder auch dem unfrigen
angetroffen, der gewußt hätte, wie man im Werk
und in der Ausübung
zwischen Rache und
Unwillen über niederträchtige und undankbare
Begegnung einen Unterscheid machen müßte?

Bey dem allen ist es ein verfluchtes Ding,
daß einem solchen Frauenzimmer, als dieß ist,
so hat begegnet werden sollen, wie ihr begegnet
ist. Wärest du ein König gewesen, und hättest
gegen eine so wohlverdiente und unschuldige Per-
son so gehandelt, als du gehandelt hast: so, glau-
be ich nach meinem Gewissen, würde es dem
ganzen Volk zur Sünde zugerechnet seyn, und
müßte durch Schwerdt, Pest oder Hunger seyn
gebüßet worden! - - Aber da du keine öffentli-
che Person bist: so wirst du gewiß, außer dem,
was du von der Gerechtigkeit deines Landes, und
der Rache ihrer Freunde, erwarten magst, nach
diesem
deine Strafe, wie sie ihre Belohnung,
finden.

Es muß nothwendig so seyn: wo wirklich
eine künftige Belohnung vorhanden ist. Jch
werde aber nun immer mehr und mehr überzeu-
get, daß sie statt haben muß - - Wie hart ist
sonst ihr Schicksal: da ihre Strafe, allem Anse-
hen nach, so viel zu groß für ihren Fehltritt ist?

Und
Y 3



the herrſche; ob ſie gleich ſo gebuͤhrlich zuͤrnen
kann?

Dieß iſt ein anderer unvergleichlicher Vorzug
an dieſer bewundernswuͤrdigen Fraͤulein. Denn
haben wir wohl vorher jemand unter dem ganzen
weiblichen Geſchlechte, oder auch dem unfrigen
angetroffen, der gewußt haͤtte, wie man im Werk
und in der Ausuͤbung
zwiſchen Rache und
Unwillen uͤber niedertraͤchtige und undankbare
Begegnung einen Unterſcheid machen muͤßte?

Bey dem allen iſt es ein verfluchtes Ding,
daß einem ſolchen Frauenzimmer, als dieß iſt,
ſo hat begegnet werden ſollen, wie ihr begegnet
iſt. Waͤreſt du ein Koͤnig geweſen, und haͤtteſt
gegen eine ſo wohlverdiente und unſchuldige Per-
ſon ſo gehandelt, als du gehandelt haſt: ſo, glau-
be ich nach meinem Gewiſſen, wuͤrde es dem
ganzen Volk zur Suͤnde zugerechnet ſeyn, und
muͤßte durch Schwerdt, Peſt oder Hunger ſeyn
gebuͤßet worden! ‒ ‒ Aber da du keine oͤffentli-
che Perſon biſt: ſo wirſt du gewiß, außer dem,
was du von der Gerechtigkeit deines Landes, und
der Rache ihrer Freunde, erwarten magſt, nach
dieſem
deine Strafe, wie ſie ihre Belohnung,
finden.

Es muß nothwendig ſo ſeyn: wo wirklich
eine kuͤnftige Belohnung vorhanden iſt. Jch
werde aber nun immer mehr und mehr uͤberzeu-
get, daß ſie ſtatt haben muß ‒ ‒ Wie hart iſt
ſonſt ihr Schickſal: da ihre Strafe, allem Anſe-
hen nach, ſo viel zu groß fuͤr ihren Fehltritt iſt?

Und
Y 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0347" n="341"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
the herr&#x017F;che; ob &#x017F;ie gleich &#x017F;o gebu&#x0364;hrlich zu&#x0364;rnen<lb/>
kann?</p><lb/>
          <p>Dieß i&#x017F;t ein anderer unvergleichlicher Vorzug<lb/>
an die&#x017F;er bewundernswu&#x0364;rdigen Fra&#x0364;ulein. Denn<lb/>
haben wir wohl vorher jemand unter dem ganzen<lb/>
weiblichen Ge&#x017F;chlechte, oder auch dem unfrigen<lb/>
angetroffen, der gewußt ha&#x0364;tte, wie man <hi rendition="#fr">im Werk<lb/>
und in der Ausu&#x0364;bung</hi> zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Rache</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Unwillen</hi> u&#x0364;ber niedertra&#x0364;chtige und undankbare<lb/>
Begegnung einen Unter&#x017F;cheid machen mu&#x0364;ßte?</p><lb/>
          <p>Bey dem allen i&#x017F;t es ein verfluchtes Ding,<lb/>
daß einem &#x017F;olchen Frauenzimmer, als dieß i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o hat begegnet werden &#x017F;ollen, wie ihr begegnet<lb/>
i&#x017F;t. Wa&#x0364;re&#x017F;t du ein Ko&#x0364;nig gewe&#x017F;en, und ha&#x0364;tte&#x017F;t<lb/>
gegen eine &#x017F;o wohlverdiente und un&#x017F;chuldige Per-<lb/>
&#x017F;on &#x017F;o gehandelt, als du gehandelt <hi rendition="#fr">ha&#x017F;t:</hi> &#x017F;o, glau-<lb/>
be ich nach meinem Gewi&#x017F;&#x017F;en, wu&#x0364;rde es dem<lb/>
ganzen Volk zur Su&#x0364;nde zugerechnet &#x017F;eyn, und<lb/>
mu&#x0364;ßte durch Schwerdt, Pe&#x017F;t oder Hunger &#x017F;eyn<lb/>
gebu&#x0364;ßet worden! &#x2012; &#x2012; Aber da du keine o&#x0364;ffentli-<lb/>
che Per&#x017F;on bi&#x017F;t: &#x017F;o wir&#x017F;t du gewiß, außer dem,<lb/>
was du von der Gerechtigkeit deines Landes, und<lb/>
der Rache ihrer Freunde, erwarten mag&#x017F;t, <hi rendition="#fr">nach<lb/>
die&#x017F;em</hi> deine Strafe, wie &#x017F;ie ihre Belohnung,<lb/>
finden.</p><lb/>
          <p>Es muß nothwendig &#x017F;o &#x017F;eyn: wo wirklich<lb/>
eine <hi rendition="#fr">ku&#x0364;nftige Belohnung</hi> vorhanden i&#x017F;t. Jch<lb/>
werde aber nun immer mehr und mehr u&#x0364;berzeu-<lb/>
get, daß &#x017F;ie &#x017F;tatt haben muß &#x2012; &#x2012; Wie hart i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t ihr Schick&#x017F;al: da ihre Strafe, allem An&#x017F;e-<lb/>
hen nach, &#x017F;o viel zu groß fu&#x0364;r ihren Fehltritt i&#x017F;t?<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0347] the herrſche; ob ſie gleich ſo gebuͤhrlich zuͤrnen kann? Dieß iſt ein anderer unvergleichlicher Vorzug an dieſer bewundernswuͤrdigen Fraͤulein. Denn haben wir wohl vorher jemand unter dem ganzen weiblichen Geſchlechte, oder auch dem unfrigen angetroffen, der gewußt haͤtte, wie man im Werk und in der Ausuͤbung zwiſchen Rache und Unwillen uͤber niedertraͤchtige und undankbare Begegnung einen Unterſcheid machen muͤßte? Bey dem allen iſt es ein verfluchtes Ding, daß einem ſolchen Frauenzimmer, als dieß iſt, ſo hat begegnet werden ſollen, wie ihr begegnet iſt. Waͤreſt du ein Koͤnig geweſen, und haͤtteſt gegen eine ſo wohlverdiente und unſchuldige Per- ſon ſo gehandelt, als du gehandelt haſt: ſo, glau- be ich nach meinem Gewiſſen, wuͤrde es dem ganzen Volk zur Suͤnde zugerechnet ſeyn, und muͤßte durch Schwerdt, Peſt oder Hunger ſeyn gebuͤßet worden! ‒ ‒ Aber da du keine oͤffentli- che Perſon biſt: ſo wirſt du gewiß, außer dem, was du von der Gerechtigkeit deines Landes, und der Rache ihrer Freunde, erwarten magſt, nach dieſem deine Strafe, wie ſie ihre Belohnung, finden. Es muß nothwendig ſo ſeyn: wo wirklich eine kuͤnftige Belohnung vorhanden iſt. Jch werde aber nun immer mehr und mehr uͤberzeu- get, daß ſie ſtatt haben muß ‒ ‒ Wie hart iſt ſonſt ihr Schickſal: da ihre Strafe, allem Anſe- hen nach, ſo viel zu groß fuͤr ihren Fehltritt iſt? Und Y 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/347
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/347>, abgerufen am 17.09.2024.