Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



wesen! - - Wegen Schulden, die ich nicht er-
kenne, in Verhaft gezogen! - - Aber Gott sey
Dank, daß ich wieder hier bin! - - Wollen sie
ihrem Mägdchen erlauben - - Jch habe ihren
Namen schon vergessen - -

Cathrine, Madame - -

Wollen sie Catharine mir zu Bette helfen
lassen? - - Jch habe meine Kleider seit Don-
nerstag Abends nicht vom Leibe gehabt.

Was sie weiter sagte, das hörte der Kerl nicht:
weil sie sich auf das Mägdchen stützte, und die
Treppen hinauf ging.

Allein bemerkest du nicht, was für eine wun-
derbare, was für eine außerordentliche Offenher-
zigkeit in dieser Fräulein herrschet. Sie wäre
in einem Gefängnisse gewesen,
sagte sie vor
einem Fremden in dem Laden und vor dem Mägd-
chen: und so würde sie, nach wahrscheinlicher
Vermuthung, gesagt haben, wenn auch zwanzig
Leute in der Bude gewesen wären.

Die Schande, welche sie vor sich selbst
nicht verbergen kann, wie sie in ihrem Briefe
an die Lady Elisabeth saget, bemüht sie sich nicht,
vor der Welt zu verheelen!

Aber dieß zeigt mir offenbar, daß sie sich
vorgenommen hat, deiner auf keine Art zu scho-
nen. Da sie dennoch im Stande ist, ein solches
Gebeth für dich abzulassen, als sie in ihrem Ge-
fängnisse that; ich will der Gefängnißkammer
oft erwähnen, dich zu quälen: zeiget denn das
nicht, daß die Rache sehr wenig in ihrem Gemü-

the



weſen! ‒ ‒ Wegen Schulden, die ich nicht er-
kenne, in Verhaft gezogen! ‒ ‒ Aber Gott ſey
Dank, daß ich wieder hier bin! ‒ ‒ Wollen ſie
ihrem Maͤgdchen erlauben ‒ ‒ Jch habe ihren
Namen ſchon vergeſſen ‒ ‒

Cathrine, Madame ‒ ‒

Wollen ſie Catharine mir zu Bette helfen
laſſen? ‒ ‒ Jch habe meine Kleider ſeit Don-
nerſtag Abends nicht vom Leibe gehabt.

Was ſie weiter ſagte, das hoͤrte der Kerl nicht:
weil ſie ſich auf das Maͤgdchen ſtuͤtzte, und die
Treppen hinauf ging.

Allein bemerkeſt du nicht, was fuͤr eine wun-
derbare, was fuͤr eine außerordentliche Offenher-
zigkeit in dieſer Fraͤulein herrſchet. Sie waͤre
in einem Gefaͤngniſſe geweſen,
ſagte ſie vor
einem Fremden in dem Laden und vor dem Maͤgd-
chen: und ſo wuͤrde ſie, nach wahrſcheinlicher
Vermuthung, geſagt haben, wenn auch zwanzig
Leute in der Bude geweſen waͤren.

Die Schande, welche ſie vor ſich ſelbſt
nicht verbergen kann, wie ſie in ihrem Briefe
an die Lady Eliſabeth ſaget, bemuͤht ſie ſich nicht,
vor der Welt zu verheelen!

Aber dieß zeigt mir offenbar, daß ſie ſich
vorgenommen hat, deiner auf keine Art zu ſcho-
nen. Da ſie dennoch im Stande iſt, ein ſolches
Gebeth fuͤr dich abzulaſſen, als ſie in ihrem Ge-
faͤngniſſe that; ich will der Gefaͤngnißkammer
oft erwaͤhnen, dich zu quaͤlen: zeiget denn das
nicht, daß die Rache ſehr wenig in ihrem Gemuͤ-

the
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0346" n="340"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
we&#x017F;en! &#x2012; &#x2012; Wegen Schulden, die ich nicht er-<lb/>
kenne, in Verhaft gezogen! &#x2012; &#x2012; Aber Gott &#x017F;ey<lb/>
Dank, daß ich wieder hier bin! &#x2012; &#x2012; Wollen &#x017F;ie<lb/>
ihrem Ma&#x0364;gdchen erlauben &#x2012; &#x2012; Jch habe ihren<lb/>
Namen &#x017F;chon verge&#x017F;&#x017F;en &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Cathrine, Madame &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Wollen &#x017F;ie Catharine mir zu Bette helfen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en? &#x2012; &#x2012; Jch habe meine Kleider &#x017F;eit Don-<lb/>
ner&#x017F;tag Abends nicht vom Leibe gehabt.</p><lb/>
          <p>Was &#x017F;ie weiter &#x017F;agte, das ho&#x0364;rte der Kerl nicht:<lb/>
weil &#x017F;ie &#x017F;ich auf das Ma&#x0364;gdchen &#x017F;tu&#x0364;tzte, und die<lb/>
Treppen hinauf ging.</p><lb/>
          <p>Allein bemerke&#x017F;t du nicht, was fu&#x0364;r eine wun-<lb/>
derbare, was fu&#x0364;r eine außerordentliche Offenher-<lb/>
zigkeit in die&#x017F;er Fra&#x0364;ulein herr&#x017F;chet. <hi rendition="#fr">Sie wa&#x0364;re<lb/>
in einem Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e gewe&#x017F;en,</hi> &#x017F;agte &#x017F;ie vor<lb/>
einem Fremden in dem Laden und vor dem Ma&#x0364;gd-<lb/>
chen: und &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ie, nach wahr&#x017F;cheinlicher<lb/>
Vermuthung, ge&#x017F;agt haben, wenn auch zwanzig<lb/>
Leute in der Bude gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>Die Schande, welche &#x017F;ie vor <hi rendition="#fr">&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t</hi><lb/>
nicht verbergen kann, wie &#x017F;ie in ihrem Briefe<lb/>
an die Lady Eli&#x017F;abeth &#x017F;aget, bemu&#x0364;ht &#x017F;ie &#x017F;ich nicht,<lb/>
vor der Welt zu verheelen!</p><lb/>
          <p>Aber dieß zeigt mir offenbar, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
vorgenommen hat, deiner auf keine Art zu &#x017F;cho-<lb/>
nen. Da &#x017F;ie dennoch im Stande i&#x017F;t, ein &#x017F;olches<lb/>
Gebeth fu&#x0364;r dich abzula&#x017F;&#x017F;en, als &#x017F;ie in ihrem Ge-<lb/>
fa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e that; ich will der <hi rendition="#fr">Gefa&#x0364;ngnißkammer</hi><lb/>
oft erwa&#x0364;hnen, dich zu qua&#x0364;len: zeiget denn das<lb/>
nicht, daß die Rache &#x017F;ehr wenig in ihrem Gemu&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">the</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0346] weſen! ‒ ‒ Wegen Schulden, die ich nicht er- kenne, in Verhaft gezogen! ‒ ‒ Aber Gott ſey Dank, daß ich wieder hier bin! ‒ ‒ Wollen ſie ihrem Maͤgdchen erlauben ‒ ‒ Jch habe ihren Namen ſchon vergeſſen ‒ ‒ Cathrine, Madame ‒ ‒ Wollen ſie Catharine mir zu Bette helfen laſſen? ‒ ‒ Jch habe meine Kleider ſeit Don- nerſtag Abends nicht vom Leibe gehabt. Was ſie weiter ſagte, das hoͤrte der Kerl nicht: weil ſie ſich auf das Maͤgdchen ſtuͤtzte, und die Treppen hinauf ging. Allein bemerkeſt du nicht, was fuͤr eine wun- derbare, was fuͤr eine außerordentliche Offenher- zigkeit in dieſer Fraͤulein herrſchet. Sie waͤre in einem Gefaͤngniſſe geweſen, ſagte ſie vor einem Fremden in dem Laden und vor dem Maͤgd- chen: und ſo wuͤrde ſie, nach wahrſcheinlicher Vermuthung, geſagt haben, wenn auch zwanzig Leute in der Bude geweſen waͤren. Die Schande, welche ſie vor ſich ſelbſt nicht verbergen kann, wie ſie in ihrem Briefe an die Lady Eliſabeth ſaget, bemuͤht ſie ſich nicht, vor der Welt zu verheelen! Aber dieß zeigt mir offenbar, daß ſie ſich vorgenommen hat, deiner auf keine Art zu ſcho- nen. Da ſie dennoch im Stande iſt, ein ſolches Gebeth fuͤr dich abzulaſſen, als ſie in ihrem Ge- faͤngniſſe that; ich will der Gefaͤngnißkammer oft erwaͤhnen, dich zu quaͤlen: zeiget denn das nicht, daß die Rache ſehr wenig in ihrem Gemuͤ- the

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/346
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/346>, abgerufen am 17.09.2024.