die Kehle abzuschneiden, vermögend gewesen wä- re! Und dennoch ließ, zu gleicher Zeit, mein Herz nebst meinen Augen einer so sanftmüthigen Re- gung freyen Lauf, als es niemals vorher zu füh- len geschickt gewesen ist, ob ich gleich kein so ver- härteter Bösewicht bin, als du.
Jch darf mich nicht zu ihnen nahen, werthe- ste Fräulein, ohne ihre Erlaubniß: aber auf meinen Knieen bitte ich, erlauben sie mir, sie von diesem verdammten Hause, und von der Gewalt des verfluchten Weibes, die schuld daran ist, daß sie hier sind, zu befreyen!
Sie hub ihr angenehmes Gesicht noch einmal wieder auf, und sahe mich auf meinen Knieen. Niemals habe ich sonst gewußt, was es hieße, so herzlich zu bitten.
Sind sie nicht - - Sind sie nicht Herr Bel- ford, mein Herr? Jch denke, ihr Name ist Bel- ford?
Ja, gnädige Fräulein, und ich bin allezeit ein eifriger Verehrer ihrer Tugenden, und ein Für- sprecher für sie gewesen. Jch komme nur in der Absicht, sie aus den Händen, worinn sie sind, frey zu machen.
Und in wessen Hände zu bringen? O gehen sie von mir, gehen sie von mir! Lassen sie mich niemals von dieser Stelle aufstehen! Lassen sie mich niemals, niemals, einer Mannsperson mehr glauben.
Diesen Augenblick, wertheste Fräulein, selbst diesen Augenblick, wo es ihnen beliebt, können sie
gehen,
die Kehle abzuſchneiden, vermoͤgend geweſen waͤ- re! Und dennoch ließ, zu gleicher Zeit, mein Herz nebſt meinen Augen einer ſo ſanftmuͤthigen Re- gung freyen Lauf, als es niemals vorher zu fuͤh- len geſchickt geweſen iſt, ob ich gleich kein ſo ver- haͤrteter Boͤſewicht bin, als du.
Jch darf mich nicht zu ihnen nahen, werthe- ſte Fraͤulein, ohne ihre Erlaubniß: aber auf meinen Knieen bitte ich, erlauben ſie mir, ſie von dieſem verdammten Hauſe, und von der Gewalt des verfluchten Weibes, die ſchuld daran iſt, daß ſie hier ſind, zu befreyen!
Sie hub ihr angenehmes Geſicht noch einmal wieder auf, und ſahe mich auf meinen Knieen. Niemals habe ich ſonſt gewußt, was es hieße, ſo herzlich zu bitten.
Sind ſie nicht ‒ ‒ Sind ſie nicht Herr Bel- ford, mein Herr? Jch denke, ihr Name iſt Bel- ford?
Ja, gnaͤdige Fraͤulein, und ich bin allezeit ein eifriger Verehrer ihrer Tugenden, und ein Fuͤr- ſprecher fuͤr ſie geweſen. Jch komme nur in der Abſicht, ſie aus den Haͤnden, worinn ſie ſind, frey zu machen.
Und in weſſen Haͤnde zu bringen? O gehen ſie von mir, gehen ſie von mir! Laſſen ſie mich niemals von dieſer Stelle aufſtehen! Laſſen ſie mich niemals, niemals, einer Mannsperſon mehr glauben.
Dieſen Augenblick, wertheſte Fraͤulein, ſelbſt dieſen Augenblick, wo es ihnen beliebt, koͤnnen ſie
gehen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0325"n="319"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
die Kehle abzuſchneiden, vermoͤgend geweſen waͤ-<lb/>
re! Und dennoch ließ, zu gleicher Zeit, mein Herz<lb/>
nebſt meinen Augen einer ſo ſanftmuͤthigen Re-<lb/>
gung freyen Lauf, als es niemals vorher zu fuͤh-<lb/>
len geſchickt geweſen iſt, ob ich gleich kein ſo ver-<lb/>
haͤrteter Boͤſewicht bin, als du.</p><lb/><p>Jch darf mich nicht zu ihnen nahen, werthe-<lb/>ſte Fraͤulein, ohne ihre Erlaubniß: aber auf<lb/>
meinen Knieen bitte ich, erlauben ſie mir, ſie von<lb/>
dieſem verdammten Hauſe, und von der Gewalt<lb/>
des verfluchten Weibes, die ſchuld daran iſt, daß<lb/>ſie hier ſind, zu befreyen!</p><lb/><p>Sie hub ihr angenehmes Geſicht noch einmal<lb/>
wieder auf, und ſahe mich auf meinen Knieen.<lb/>
Niemals habe ich ſonſt gewußt, was es hieße, ſo<lb/>
herzlich zu bitten.</p><lb/><p>Sind ſie nicht ‒‒ Sind ſie nicht Herr Bel-<lb/>
ford, mein Herr? Jch denke, ihr Name iſt Bel-<lb/>
ford?</p><lb/><p>Ja, gnaͤdige Fraͤulein, und ich bin allezeit ein<lb/>
eifriger Verehrer ihrer Tugenden, und ein Fuͤr-<lb/>ſprecher fuͤr ſie geweſen. Jch komme nur in der<lb/>
Abſicht, ſie aus den Haͤnden, worinn ſie ſind, frey<lb/>
zu machen.</p><lb/><p>Und in weſſen Haͤnde zu bringen? O gehen<lb/>ſie von mir, gehen ſie von mir! Laſſen ſie mich<lb/>
niemals von dieſer Stelle aufſtehen! Laſſen ſie<lb/>
mich niemals, niemals, einer Mannsperſon mehr<lb/>
glauben.</p><lb/><p>Dieſen Augenblick, wertheſte Fraͤulein, ſelbſt<lb/>
dieſen Augenblick, wo es ihnen beliebt, koͤnnen ſie<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gehen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[319/0325]
die Kehle abzuſchneiden, vermoͤgend geweſen waͤ-
re! Und dennoch ließ, zu gleicher Zeit, mein Herz
nebſt meinen Augen einer ſo ſanftmuͤthigen Re-
gung freyen Lauf, als es niemals vorher zu fuͤh-
len geſchickt geweſen iſt, ob ich gleich kein ſo ver-
haͤrteter Boͤſewicht bin, als du.
Jch darf mich nicht zu ihnen nahen, werthe-
ſte Fraͤulein, ohne ihre Erlaubniß: aber auf
meinen Knieen bitte ich, erlauben ſie mir, ſie von
dieſem verdammten Hauſe, und von der Gewalt
des verfluchten Weibes, die ſchuld daran iſt, daß
ſie hier ſind, zu befreyen!
Sie hub ihr angenehmes Geſicht noch einmal
wieder auf, und ſahe mich auf meinen Knieen.
Niemals habe ich ſonſt gewußt, was es hieße, ſo
herzlich zu bitten.
Sind ſie nicht ‒ ‒ Sind ſie nicht Herr Bel-
ford, mein Herr? Jch denke, ihr Name iſt Bel-
ford?
Ja, gnaͤdige Fraͤulein, und ich bin allezeit ein
eifriger Verehrer ihrer Tugenden, und ein Fuͤr-
ſprecher fuͤr ſie geweſen. Jch komme nur in der
Abſicht, ſie aus den Haͤnden, worinn ſie ſind, frey
zu machen.
Und in weſſen Haͤnde zu bringen? O gehen
ſie von mir, gehen ſie von mir! Laſſen ſie mich
niemals von dieſer Stelle aufſtehen! Laſſen ſie
mich niemals, niemals, einer Mannsperſon mehr
glauben.
Dieſen Augenblick, wertheſte Fraͤulein, ſelbſt
dieſen Augenblick, wo es ihnen beliebt, koͤnnen ſie
gehen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/325>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.