so hätte mich der Kummer, womit ich für sie ge- rühret ward, beynahe erwürget. Es stieg mir etwas in die Kehle, ich weiß nicht was, das ich schlucken und gluchsen mußte, die Sprache zu be- kommen. Endlich brach sie mit Gewalt hervor - - der Hen - - Hen - - Henker hole euch beyde, sagte ich zu dem Kerl und dem Weibe, ist dieß ein Zimmer für eine solche Fräulein? Und konnten die verfluchten Teufel von ihrem eignen Geschlechte, die diesen geplagten Engel besuchten, sie in einem so verdammten Winkel sehen und doch darinn zurücklassen?
Wir hätten gern gesehn, mein Herr, daß die Fräulein unsere eigne Schlafkammer genommen hätte: aber sie wollte nicht. Wir sind arme Leute - - und vermuthen nicht, daß jemand län- ger bey uns bleiben werde, als so lange es nicht zu ändern ist.
Jhr seyd gewiß, ich zweifele gar nicht, mit Vorbedacht von den verdammten Weibsbildern, die euch gebraucht haben, ausgesucht: und wo euer Bezeigen gegen diese Fräulein nur halb so arg gewesen ist, als euer Haus, so wäre es besser gewesen, daß ihr nie das Tageslicht gesehen hättet.
Darauf hub die reizungsvolle und geplagte Fräulein ihr liebenswürdiges Gesicht in die Hö- he. Allein es breitete sich ein so merklicher Kum- mer über dasselbe aus, daß ich mich nicht enthal- ten konnte, wenn es auch mein Leben gekostet hät- te, augenscheinlich gerühret zu werden.
Sie
ſo haͤtte mich der Kummer, womit ich fuͤr ſie ge- ruͤhret ward, beynahe erwuͤrget. Es ſtieg mir etwas in die Kehle, ich weiß nicht was, das ich ſchlucken und gluchſen mußte, die Sprache zu be- kommen. Endlich brach ſie mit Gewalt hervor ‒ ‒ der Hen ‒ ‒ Hen ‒ ‒ Henker hole euch beyde, ſagte ich zu dem Kerl und dem Weibe, iſt dieß ein Zimmer fuͤr eine ſolche Fraͤulein? Und konnten die verfluchten Teufel von ihrem eignen Geſchlechte, die dieſen geplagten Engel beſuchten, ſie in einem ſo verdammten Winkel ſehen und doch darinn zuruͤcklaſſen?
Wir haͤtten gern geſehn, mein Herr, daß die Fraͤulein unſere eigne Schlafkammer genommen haͤtte: aber ſie wollte nicht. Wir ſind arme Leute ‒ ‒ und vermuthen nicht, daß jemand laͤn- ger bey uns bleiben werde, als ſo lange es nicht zu aͤndern iſt.
Jhr ſeyd gewiß, ich zweifele gar nicht, mit Vorbedacht von den verdammten Weibsbildern, die euch gebraucht haben, ausgeſucht: und wo euer Bezeigen gegen dieſe Fraͤulein nur halb ſo arg geweſen iſt, als euer Haus, ſo waͤre es beſſer geweſen, daß ihr nie das Tageslicht geſehen haͤttet.
Darauf hub die reizungsvolle und geplagte Fraͤulein ihr liebenswuͤrdiges Geſicht in die Hoͤ- he. Allein es breitete ſich ein ſo merklicher Kum- mer uͤber daſſelbe aus, daß ich mich nicht enthal- ten konnte, wenn es auch mein Leben gekoſtet haͤt- te, augenſcheinlich geruͤhret zu werden.
Sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0323"n="317"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſo haͤtte mich der Kummer, womit ich fuͤr ſie ge-<lb/>
ruͤhret ward, beynahe erwuͤrget. Es ſtieg mir<lb/>
etwas in die Kehle, ich weiß nicht was, das ich<lb/>ſchlucken und gluchſen mußte, die Sprache zu be-<lb/>
kommen. Endlich brach ſie mit Gewalt hervor<lb/>‒‒ der Hen ‒‒ Hen ‒‒ Henker hole euch<lb/>
beyde, ſagte ich zu dem Kerl und dem Weibe,<lb/>
iſt dieß ein Zimmer fuͤr eine ſolche Fraͤulein? Und<lb/>
konnten die verfluchten Teufel von ihrem eignen<lb/>
Geſchlechte, die dieſen geplagten Engel beſuchten,<lb/>ſie in einem ſo verdammten Winkel ſehen und<lb/>
doch darinn zuruͤcklaſſen?</p><lb/><p>Wir haͤtten gern geſehn, mein Herr, daß die<lb/>
Fraͤulein unſere eigne Schlafkammer genommen<lb/>
haͤtte: aber ſie wollte nicht. Wir ſind arme<lb/>
Leute ‒‒ und vermuthen nicht, daß jemand laͤn-<lb/>
ger bey uns bleiben werde, als ſo lange es nicht<lb/>
zu aͤndern iſt.</p><lb/><p>Jhr ſeyd gewiß, ich zweifele gar nicht, mit<lb/>
Vorbedacht von den verdammten Weibsbildern,<lb/>
die euch gebraucht haben, ausgeſucht: und wo<lb/>
euer Bezeigen gegen dieſe Fraͤulein nur halb ſo<lb/>
arg geweſen iſt, als euer Haus, ſo waͤre es beſſer<lb/>
geweſen, daß ihr nie das Tageslicht geſehen<lb/>
haͤttet.</p><lb/><p>Darauf hub die reizungsvolle und geplagte<lb/>
Fraͤulein ihr liebenswuͤrdiges Geſicht in die Hoͤ-<lb/>
he. Allein es breitete ſich ein ſo merklicher Kum-<lb/>
mer uͤber daſſelbe aus, daß ich mich nicht enthal-<lb/>
ten konnte, wenn es auch mein Leben gekoſtet haͤt-<lb/>
te, augenſcheinlich geruͤhret zu werden.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sie</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[317/0323]
ſo haͤtte mich der Kummer, womit ich fuͤr ſie ge-
ruͤhret ward, beynahe erwuͤrget. Es ſtieg mir
etwas in die Kehle, ich weiß nicht was, das ich
ſchlucken und gluchſen mußte, die Sprache zu be-
kommen. Endlich brach ſie mit Gewalt hervor
‒ ‒ der Hen ‒ ‒ Hen ‒ ‒ Henker hole euch
beyde, ſagte ich zu dem Kerl und dem Weibe,
iſt dieß ein Zimmer fuͤr eine ſolche Fraͤulein? Und
konnten die verfluchten Teufel von ihrem eignen
Geſchlechte, die dieſen geplagten Engel beſuchten,
ſie in einem ſo verdammten Winkel ſehen und
doch darinn zuruͤcklaſſen?
Wir haͤtten gern geſehn, mein Herr, daß die
Fraͤulein unſere eigne Schlafkammer genommen
haͤtte: aber ſie wollte nicht. Wir ſind arme
Leute ‒ ‒ und vermuthen nicht, daß jemand laͤn-
ger bey uns bleiben werde, als ſo lange es nicht
zu aͤndern iſt.
Jhr ſeyd gewiß, ich zweifele gar nicht, mit
Vorbedacht von den verdammten Weibsbildern,
die euch gebraucht haben, ausgeſucht: und wo
euer Bezeigen gegen dieſe Fraͤulein nur halb ſo
arg geweſen iſt, als euer Haus, ſo waͤre es beſſer
geweſen, daß ihr nie das Tageslicht geſehen
haͤttet.
Darauf hub die reizungsvolle und geplagte
Fraͤulein ihr liebenswuͤrdiges Geſicht in die Hoͤ-
he. Allein es breitete ſich ein ſo merklicher Kum-
mer uͤber daſſelbe aus, daß ich mich nicht enthal-
ten konnte, wenn es auch mein Leben gekoſtet haͤt-
te, augenſcheinlich geruͤhret zu werden.
Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/323>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.