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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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war von weissem Damast, ausnehmend sauber:
aber ihre Schnürbrust schien nicht fest geschnü-
ret. Man erzählte mir nachher, daß ihre Schnür-
bänder zerschnitten wären, als sie bey ihrer An-
kunft an diesen verfluchten Ort in Ohnmacht ge-
fallen: und sie hatte sich um ihren Anzug nicht
genug bekümmert, andere holen zu lassen. Jhr
Kopfzeug war ein wenig in Unordnung, und ihr
schönes Haar warf in natürlichen Locken, wie ihr
es vordem beschrieben habt, aber ein wenig ver-
wirrt, als wenn es kürzlich nicht gekämmet wä-
re, einen unordentlichen Schatten auf eine Seite
von dem liebenswürdigsten Halse in der Welt,
wie die andern von ihrem verzogenen und zer-
knüllten Halstuche beschattet ward. Jhr Ge-
sicht, o wie verändert! wie verschieden von dem,
was ich gesehen hatte! Doch liebenswürdig,
Trotz allem ihrem Kummer und Leiden! war auf
ihre creutzweise über einander geschlagene Arme
geleget, als wir herein traten: aber so, daß nicht
mehr als die eine Seite davon bedeckt war.

Da ich das Gemach übersahe, und die Fräu-
lein auf den Knieen zu Gesichte bekam, welche in
ihr weisses und weites Kleid; denn sie hatte kei-
nen Reiffenrock an; das sich über den finstern,
ob gleich nicht unreinen, Boden ausbreitete, und
den scheuslichen Winkel erleuchtete, so gar mit
einem majestätischen Wesen gesunken war; mit
so weiser Wäsche, als man sich nicht einbilden
konnte, in Betrachtung, daß sie seit der Zeit, da
sie hier gewesen, sich niemals abgekleidet hatte:

so



war von weiſſem Damaſt, ausnehmend ſauber:
aber ihre Schnuͤrbruſt ſchien nicht feſt geſchnuͤ-
ret. Man erzaͤhlte mir nachher, daß ihre Schnuͤr-
baͤnder zerſchnitten waͤren, als ſie bey ihrer An-
kunft an dieſen verfluchten Ort in Ohnmacht ge-
fallen: und ſie hatte ſich um ihren Anzug nicht
genug bekuͤmmert, andere holen zu laſſen. Jhr
Kopfzeug war ein wenig in Unordnung, und ihr
ſchoͤnes Haar warf in natuͤrlichen Locken, wie ihr
es vordem beſchrieben habt, aber ein wenig ver-
wirrt, als wenn es kuͤrzlich nicht gekaͤmmet waͤ-
re, einen unordentlichen Schatten auf eine Seite
von dem liebenswuͤrdigſten Halſe in der Welt,
wie die andern von ihrem verzogenen und zer-
knuͤllten Halstuche beſchattet ward. Jhr Ge-
ſicht, o wie veraͤndert! wie verſchieden von dem,
was ich geſehen hatte! Doch liebenswuͤrdig,
Trotz allem ihrem Kummer und Leiden! war auf
ihre creutzweiſe uͤber einander geſchlagene Arme
geleget, als wir herein traten: aber ſo, daß nicht
mehr als die eine Seite davon bedeckt war.

Da ich das Gemach uͤberſahe, und die Fraͤu-
lein auf den Knieen zu Geſichte bekam, welche in
ihr weiſſes und weites Kleid; denn ſie hatte kei-
nen Reiffenrock an; das ſich uͤber den finſtern,
ob gleich nicht unreinen, Boden ausbreitete, und
den ſcheuslichen Winkel erleuchtete, ſo gar mit
einem majeſtaͤtiſchen Weſen geſunken war; mit
ſo weiſer Waͤſche, als man ſich nicht einbilden
konnte, in Betrachtung, daß ſie ſeit der Zeit, da
ſie hier geweſen, ſich niemals abgekleidet hatte:

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[316/0322] war von weiſſem Damaſt, ausnehmend ſauber: aber ihre Schnuͤrbruſt ſchien nicht feſt geſchnuͤ- ret. Man erzaͤhlte mir nachher, daß ihre Schnuͤr- baͤnder zerſchnitten waͤren, als ſie bey ihrer An- kunft an dieſen verfluchten Ort in Ohnmacht ge- fallen: und ſie hatte ſich um ihren Anzug nicht genug bekuͤmmert, andere holen zu laſſen. Jhr Kopfzeug war ein wenig in Unordnung, und ihr ſchoͤnes Haar warf in natuͤrlichen Locken, wie ihr es vordem beſchrieben habt, aber ein wenig ver- wirrt, als wenn es kuͤrzlich nicht gekaͤmmet waͤ- re, einen unordentlichen Schatten auf eine Seite von dem liebenswuͤrdigſten Halſe in der Welt, wie die andern von ihrem verzogenen und zer- knuͤllten Halstuche beſchattet ward. Jhr Ge- ſicht, o wie veraͤndert! wie verſchieden von dem, was ich geſehen hatte! Doch liebenswuͤrdig, Trotz allem ihrem Kummer und Leiden! war auf ihre creutzweiſe uͤber einander geſchlagene Arme geleget, als wir herein traten: aber ſo, daß nicht mehr als die eine Seite davon bedeckt war. Da ich das Gemach uͤberſahe, und die Fraͤu- lein auf den Knieen zu Geſichte bekam, welche in ihr weiſſes und weites Kleid; denn ſie hatte kei- nen Reiffenrock an; das ſich uͤber den finſtern, ob gleich nicht unreinen, Boden ausbreitete, und den ſcheuslichen Winkel erleuchtete, ſo gar mit einem majeſtaͤtiſchen Weſen geſunken war; mit ſo weiſer Waͤſche, als man ſich nicht einbilden konnte, in Betrachtung, daß ſie ſeit der Zeit, da ſie hier geweſen, ſich niemals abgekleidet hatte: ſo

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/322>, abgerufen am 23.11.2024.